Die Gemarkung Stockstadt umfasst seit 1945 auf der Kühkopf-Insel auch die Gehöftgruppe Guntershausen, die am Altrhein gegenüber von Stockstadt liegt und von der linksrheinischen Gemeinde Guntersblum abgetrennt wurde. Die Gemeinde Stockstadt besteht aus einer einzigen Ortschaft und Gemarkung.
Geschichte
Mittelalter
Die älteste erhaltene Erwähnung von Stockstadt findet sich im Lorscher Codex. Sie wird auf die Zeit von 830–850 datiert. Stockstadt erscheint dort mit dem OrtsnamenStochestat. In folgenden Jahrhunderten finden sich unter anderem die Schreibungen Stockestadt (1338), Stocstad (1397), Stogstad (1403), Storstatt (1472) und Stockstatt (1579).[2]
1457 heiratete Anna von Katzenelnbogen, Erbtochter Philipps des Älteren, LandgrafHeinrich III. von Hessen. Mit dem Tod Philipps 1479 fiel die Grafschaft Katzenelnbogen – und damit auch Stockstadt – an die Landgrafschaft Hessen.
1535 führte LandgrafPhilipp I. in seinem gesamten Herrschaftsgebiet die Reformation ein. In Stockstadt geschah dies gegen den Widerspruch von Kurmainz, das zu jener Zeit hier noch über die Zehntrechte verfügte. Bei der Teilung der Landgrafschaft Hessen unter den Erben des Landgrafen Philipp I. 1567 gelangte Stockstadt an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.
In dieser Zeit entwickelte sich Stockstadt durch seine günstige Lage am Rhein zu einem bedeutenden Hafen, die Rheinfischerei zu einem wichtigen Wirtschaftszweig, der durch einen in Stockstadt amtierenden „Bachknecht“ überwacht wurde. Der Dreißigjährige Krieg brachte auch über Stockstadt große Not: Von 69 Wohnhäusern waren am Ende des Krieges 1648 nur noch 19 vorhanden.
Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs brannten französische Truppen 1689 den Ort nieder, wobei 34 Wohnhäuser und mehr als 100 Nebengebäude eingeäschert wurden. Erst nach Jahrzehnten hatte Stockstadt diese Schäden überwunden.[4][3]
1794 werden als Grundbesitzer in Stockstadt die Kurpfalz, das Stift St. Alban sowie das Kloster Eberbach, nebst kirchlichem Besitz genannt.[2]
Neuzeit
Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgt der Rheindurchstich „Am Geyer“, der Stockstadt vom Hauptstrom trennte. Dadurch verlor Stockstadt einen Großteil seiner Wirtschaftskraft, so dass viele Einwohner nach Amerika auswanderten. Bis 1850 verließen etwa 100 der damals rund 800 Einwohnern den Ort.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Stockstadt:
„Stockstadt (L. Bez. Dornberg) luth. Pfarrdorf; liegt am Rhein, 21⁄2 St. von Dornberg, und hat 114 Häuser und 801 Einw., die außer 7 Kath., 2 Reform und 17 Juden lutherisch sind. Hier finden sich eine Fährte über den Rhein, 2 Ziegelhütten, und 1 Gypsmühle. Der Ort hat Speditions- und Holzhandel und ein großes Lagerhaus, das dermalen zum Depot des Salzes für die Provinz Starkenburg gebraucht wird. – Stockstadt kommt schon 1184 als ein Pfarrdorf vor. Das Dorf gehörte ehemals der Familie von Wolfskehlen, deren Rechte späterhin an Mainz kamen. Diese Rechte, so wie die mainzischen in Wolfskehlen, tauschte Landgraf Georg I. gegen die seinigen in Astheim und Dudenhofen, im Jahr 1579 ein. Das Patronatrecht wurde dem St. Albanskloster in Mainz im Jahr 1184 vom Pabst Lucius bestätigt, und es besaß solches noch im Jahr 1528. Noch nach der Reformation dauerte hier eine sogenannte elende Brüderschaft fort, die ihre Brüdermeister und ihre eigenen Gefälle hatte, nun aber schon längst verloschen ist. Im Jahr 1689 haben die Franzosen das Dorf zum Theil abgebrannt.“[3]
Gerichte und Verwaltung
Amts-System vor 1821
In Mittelalter und Früher Neuzeit waren auf unterster Ebene die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung im „Amt“ vereinigt, so auch im Amt Dornberg, das bis 1821 bestand und zu dem Stockstadt gehörte.
1806 wurde die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zum Großherzogtum Hessen. Hier lag Stockstadt in der Provinz Starkenburg. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1821 wurden die alten Ämter aufgelöst, für die Verwaltungsaufgaben auf der unteren Ebene Landratsbezirke und für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte geschaffen.[9]
Verwaltung nach 1821
Für die übergeordnete Verwaltung in Stockstadt war nun der Landratsbezirk Dornberg zuständig. 1832 wurden die Verwaltungseinheiten im Großherzogtum weiter vergrößert und Kreise geschaffen. Dadurch gelangte Stockstadt in den Kreis Groß-Gerau. Die Provinzen, die Kreise und die Landratsbezirke des Großherzogtums wurden am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch Regierungsbezirke ersetzt, was jedoch bereits am 12. Mai 1852 wieder rückgängig gemacht wurde. Dadurch gehörte Stockstadt zwischen 1848 und 1852 zum Regierungsbezirk Darmstadt, bevor wieder der Kreis Groß-Gerau für die übergeordnete Verwaltung zuständig war. Dort verblieb der Ort durch alle weiteren Verwaltungsreformen bis heute.[2]
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen der beiden oberen Instanzen neu organisiert. Die Ämter blieben die erste Instanz der Rechtsprechung in Zivilsachen. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz für Zivilsachen eingerichtet. Zuständig war es erstinstanzlich auch für standesherrliche Familienrechtssachen und Strafsachen. Ihm übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Mit der Verwaltungsreform von 1821 wurden im Großherzogtum Hessen auch auf unterster Ebene Gerichte geschaffen, die von der Verwaltung unabhängig waren.[9] Für Stockstadt war zunächst das Landgericht Großgerau örtlich zuständig, ab 1839 das Landgericht Gernsheim.[2] Mit der Reichsjustizreform und Wirkung vom 1. Oktober 1879 wurde es durch das Amtsgericht Gernsheim ersetzt, das 1934 aufgelöst wurde, so dass nun das Amtsgericht Groß-Gerau zuständig wurde.[2]
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Stockstadt angehört(e):[2][10][11]
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Stockstadt 5794 Einwohner. Darunter waren 604 (10,4 %) Ausländer, von denen 268 aus dem EU-Ausland, 274 aus anderen Europäischen Ländern und 62 aus anderen Staaten kamen.[14] Die Einwohner lebten in 2332 Haushalten. Davon waren 624 Singlehaushalte, 729 Paare ohne Kinder und 752 Paare mit Kindern, sowie 182 Alleinerziehende und 45 Wohngemeinschaften.[15]
Stockstadt am Rhein: Einwohnerzahlen von 1791 bis 2015
Jahr
Einwohner
1791
605
1800
493
1806
603
1829
801
1834
868
1840
954
1846
1.043
1852
1.109
1858
1.110
1864
1.096
1871
1.052
1875
1.096
1885
1.162
1895
1.322
1905
1.520
1910
1.631
1925
1.787
1939
2.129
1946
2.943
1950
3.158
1956
3.321
1961
3.546
1967
3.846
1970
3.995
1972
4.205
1976
4.302
1984
4.938
1992
5.414
2000
5.700
2005
5.779
2010
5.676
2011
5.794
2015
5.807
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [2]; 1972:[19]; 1976:[20]; 1984:[21]; 1992:[22]; 2000:[23]; 2005:[24]; 2010:[25]; Zensus 2011[26]; 2015:[27]
Nach der hessischen Kommunalverfassung wird der Bürgermeister für eine sechsjährige Amtszeit gewählt, seit dem Jahr 1993 in einer Direktwahl, und ist Vorsitzender des Gemeindevorstands, dem in der Gemeinde Stockstadt neben dem Bürgermeister ehrenamtlich ein Erster Beigeordneter und vier weitere Beigeordnete angehören.[34] Bürgermeister ist seit dem 4. Januar 2009 Thomas Raschel (CDU).[35] Er setzte sich am 21. September 2008 im ersten Wahlgang gegen Amtsinhaber Klaus Horst (SPD), der sich um eine vierte Amtszeit beworben hatte, bei 46,4 Prozent Wahlbeteiligung mit 56,5 Prozent der Stimmen durch. Es folgten zwei Wiederwahlen, zuletzt im November 2020.[36]
Das Wappen wurde 1927 durch das Hessische Ministerium des Innern genehmigt.
Blasonierung: „In Rot zwei schräggekreuzte, gestürzte silberne Fährbäume oder Bootshaken, bewinkelt von vier silbernen Sternen.“[39]
Wappenbegründung: Im Schild enthält dieses Bild schon das Gerichtssiegel aus dem späten 16. Jahrhundert mit Abdrucken von 1625 bis 1791. Bei den Geräten handelt es sich um sogenannte Fährbäume oder Bootshaken, die die alte Bedeutung der Rheinschifffahrt für den Ort versinnbildlichen sollen. Im neueren Schrifttum wurden sie irrigerweise auch als Gabeln erklärt. Die Sterne sind als Ortszeichen anzusprechen. Bei der Verleihung des Siegelbilds als Wappen wählte man die Farbgebung, die Wilhelm Diehl vorgeschlagen hatte; sie bezieht sich mit Silber und Rot sowohl auf die einstigen mainzischen Rechte im Ort als auch auf die seit 1579 bestehende ausschließliche Landeshoheit der Landgrafen von Hessen-Darmstadt.
Die Gestaltung des Wappens lag in den Händen des Heraldikers Georg Massoth.
Stockstadt bietet mit der Altrheinhalle einen Ort der kulturellen Veranstaltungen an. Die folgenden zwei Veranstaltungen sind überregional bekannt und haben sich zu einem Publikumsmagneten für die Gemeinde entwickelt.
Die Buchmesse im Ried findet jeweils im März statt. Es werden keine Eintrittspreise erhoben. Neben Ständen von Buchhandlungen und Verlagen gibt es ein Rahmenprogramm mit Lesungen und Vorträgen. Im Rahmen der Buchmesse wird seit 1997 der Stockstädter Literaturpreis verliehen. Zu den bekanntesten Preisträgern gehören Ralf Schwob und Maike Wetzel.
Der Kreis rollt
2016 hat Stockstadt an der alle 2 Jahre stattfindenden Aktion „Der Kreis rollt“ teilgenommen. Viele Vereine und Institutionen beteiligten sich mit Ständen und Ausstellungen.[40][41]
Wirtschaft und Infrastruktur
Flächennutzung
Das Gemeindegebiet umfasst eine Gesamtfläche von 1873 Hektar, davon entfallen in ha auf:[42]
↑Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
↑Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893, S. 108f. und beiliegende Karte.
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑ ab
Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr.33, S.403ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC894925483, S.43ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr.8, S.121ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2MB]).
↑
Kommunalwahlen 1972; Maßgebliche Einwohnerzahlen der Gemeinden vom 4. August 1972. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr.33, S.1424, Punkt 1025 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,9MB]).
↑
Kommunalwahlen 1977; Maßgebliche Einwohnerzahlen der Gemeinden vom 15. Dezember 1976. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1976 Nr.52, S.2283, Punkt 1668 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 10,3MB]).
↑
Kommunalwahlen 1985; Maßgebliche Einwohnerzahlen der Gemeinden vom 30. Oktober 1984. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1984 Nr.46, S.2175, Punkt 1104 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,5MB]).
↑
Kommunalwahlen 1993; Maßgebliche Einwohnerzahlen der Gemeinden vom 21. Oktober 1992. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1992 Nr.44, S.2766, Punkt 935 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,1MB]).
↑ abGemeindedatenblatt: Stockstadt. (PDF; 222 kB) In: Hessisches Gemeindelexikon. HA Hessen Agentur GmbH; abgerufen am 20. März 2018
↑Frankfurter Rundschau, 22. September 2008: CDU-Kandidaten gewinnen: „SPD-Bürgermeister Klaus Horst (58) …, der sich um eine vierte Amtszeit beworben hatte“.
↑Heinz Schomann: Eisenbahn in Hessen. Eisenbahnbauten und -strecken 1839–1939. In: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Hessen. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Drei Bände im Schuber. Band2.1. Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1917-6, S.351ff. (Strecke 020). S. 361.