Lucrezia BorgiaLucrezia Borgia [lat. Lucretia Borgia; span./kat. Lucrecia Borja; * 18. April 1480 in Rom oder Subiaco; † 24. Juni 1519 in Belriguardo bei Ferrara) war eine italienisch-spanische Renaissancefürstin und die uneheliche Tochter des späteren Papstes Alexander VI. mit seiner Geliebten Vanozza de’ Cattanei. Sie war die Schwester von Cesare, Juan und Jofré Borgia. ] (Die von Zeitgenossen als hübsch und lebenslustig beschriebene Lucrezia wurde nach dem Aufstieg ihrer berüchtigten Familie Nutznießerin, vor allem aber Instrument der Politik ihres Vaters. Alexander VI., der sie über alles liebte, übergab ihr mehrfach während seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte im Vatikan. Er verheiratete sie dreimal in politisch motivierte Ehen, um die Macht der Borgia zu festigen. Lucrezias erste Ehe mit Giovanni Sforza wurde aufgelöst, als sie für die Borgia ihren Nutzen verlor, ihr zweiter Ehemann, Alfonso von Aragon (1481–1500), Herzog von Bisceglie, wurde vermutlich auf Befehl ihres Bruders Cesare ermordet. In dritter Ehe heiratete sie schließlich Alfonso d’Este, Herzog von Ferrara, mit dem sie bis zu ihrem Tod verheiratet blieb und mehrere Kinder hatte. Den Tod ihres Vaters und den Fall ihres Bruders Cesare und der Familie Borgia in Italien überstand Lucrezia unbeschadet, sie starb, hoch geehrt, als Herzogin von Ferrara. Die Familie Borgia verkörpert noch heute wie keine andere die Machtgier und moralische Korruption des Papsttums der Renaissance, und Lucrezia Borgia behielt über Jahrhunderte hinweg den Ruf einer verruchten Giftmischerin, Ehebrecherin und Blutschänderin mit ihrem Vater sowie ihrem Bruder Cesare. Diese Vorwürfe hatten ihren Ursprung in den Gerüchten und Verleumdungen ihrer eigenen Zeit und wurden später von berühmten Autoren wie Victor Hugo und Alexandre Dumas in deren Werken aufgegriffen und verstärkt. Erst die moderne Geschichtsforschung betrachtet Lucrezia Borgia in einem anderen Licht und verwirft diese Anklagen. HerkunftLucrezia Borgia wurde am 18. April 1480 als drittes von vier Kindern des spanischen Kardinals und Vizekanzlers der Kirche, Rodrigo Borgia, später Papst Alexander VI., und seiner langjährigen italienischen Geliebten Vanozza de’ Cattanei geboren.[2] Sie kam vermutlich in Subiaco, einer Festung ihres Vaters außerhalb von Rom, zur Welt, weil ihr Vater aus Rücksicht auf seine Kirchenkarriere die Existenz seiner illegitimen Familie zunächst geheim halten wollte. Uneheliche Kinder waren unter Klerikern jener Zeit zwar weit verbreitet, wurden jedoch meist als Neffen und Nichten ausgegeben. Rodrigo Borgia löste deshalb nach seiner Wahl zum Papst einen Skandal aus, als er sich offen zu seinen Kindern bekannte, die damit europaweit bekannt wurden. Besonders Lucrezia und ihr Bruder Cesare erlangten einen bis heute anhaltenden berühmt-berüchtigten Ruf. LebenFrühe JahreLucrezia Borgia verbrachte ihre frühe Kindheit vermutlich im Haus ihrer Mutter an der Piazza Pizzo di Merlo und wurde zumindest teilweise von Nonnen im dominikanischen Frauenkloster San Sisto unterrichtet. Sie erhielt die typische Ausbildung einer hochstehenden Dame ihrer Zeit, zu der humanistische Literatur, Redegewandtheit und Tanzen gehörten. Neben Italienisch und dem innerhalb der Borgia-Familie gesprochenen Katalanischen beherrschte sie Französisch und Latein (sie verfasste u. a. Gedichte in diesen Sprachen) und verstand Griechisch.[3] Zu ihrer Bibliothek gehörten bei ihrem Tod Werke von Francesco Petrarca bis Dante Alighieri. Sie liebte zudem zeitlebens Musik und Poesie und betätigte sich später als Mäzenin für Künstler und Dichter.[4] Noch vor ihrem zwölften Lebensjahr gab ihr Vater sie in die Obhut seiner mit Ludovico Orsini verheirateten Verwandten Adriana de Mila, einer Tochter von Rodrigo Borgias Cousin Pedro de Milà, die Lucrezia als Erwachsene in einem Brief als „meine Mutter“ bezeichnete.[5] Die Beziehung zu ihrer Mutter Vanozza blieb von da an distanziert, ihrem Vater dagegen stand sie sehr nahe. Rodrigo Borgia, der neben ihr und ihren Brüdern bereits drei Kinder hatte und später noch mehr zeugen sollte, liebte vor allem Lucrezia laut den Chronisten „außerordentlich“.[6] Von ihren Geschwistern stand sie ihrem Bruder Cesare am nächsten; später wurden ihr sowohl mit ihm als auch mit ihrem Vater Inzest vorgeworfen. Verlobungen mit Don Cherubin Juan de Centelles und Don Gasparo da Procida e AnversaWie von allen adeligen Mädchen ihrer Zeit wurde von Lucrezia erwartet, dass sie früh eine für ihre Familie politisch vorteilhafte Ehe einging. Als Lucrezia elf Jahre alt war, verlobte sie ihr Vater mit Don Querubi de Centelles (Don Cherubin Juan de Centelles), Herr von Val d’Ayora im Königreich Valencia. Er war Sohn des Grafen von Oliva und Angehöriger eines alten spanischen Adelsgeschlechtes. Die in katalanischer Sprache aufgesetzten Verträge wurden am 26. Februar 1491 durch den Notar Beneimbene besiegelt und am 16. Juni 1491 Lucrezia eröffnet. Im Kontrakt wurde für Lucrezia eine Mitgift in Höhe von 300.000 Timbres oder Sous valencianischer Münze vereinbart.[7] Diese Geldsumme sollte in Form von Bargeld, Juwelen und anderer Aussteuer ausgezahlt werden. Elftausend Timbres sollten aus der Hinterlassenschaft ihres älteren Halbbruders Pedro Luis Borgia stammen; achttausend Timbres sollten ein Geschenk ihrer älteren Brüder Cesare und Juan sein, das wahrscheinlich ebenfalls Teil des Erbes des ersten Herzogs von Gandia war. Lucrezias Prokurator während der Verhandlung des Ehekontrakts war der Römer Antonio Porcaro. Es wurde vereinbart, dass Lucrezia innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Ehevertrags auf Kosten des Kardinals nach Valencia gebracht und die kirchliche Hochzeit innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Ankunft in Spanien vollzogen werden sollte.[8] Diese Verlobung wurde bald aufgehoben und die mittlerweile zwölfjährige Lucrezia nach der Bestätigung des Ehevertrags im April 1492 rechtskräftig mit Don Gasparo da Procida e Anversa, dem Sohn des Ritters Graf Gian Francesco von Aversa und dessen Ehefrau Donna Leonora von Procida und Castelleta, verlobt. Im Protokollbuch des Notars Beneimbene vom 9. November 1492 wurde schriftlich festgehalten, dass das Eheverlöbnis zwischen Lucrezia und Gasparo am 30. April 1491 durch Prokuration vollzogen worden sei und sich der Kardinal Rodrigo Borgia verpflichtet habe, seine Tochter kostenfrei in die Stadt Valencia zu senden. Als Prokuratoren für diesen Rechtsakt werden in diesem Dokument Jofré Borgia, Baron von Villa Longa, der Domherr Jacopo Serra von Valencia und der valencianische Generalvikar Mateo Cucia genannt. Lucrezia war somit eine Zeit lang mit zwei Männern verlobt.[9][10] Während der Papstwahl, die nach dem Tod von Papst Innozenz VIII. am 25. Juli 1492 stattfand, befand sich Lucrezia mit ihrem Bruder Jofré in Rom im Haus von Adriana de Mila. Nachdem ihr Vater am 11. August zum Papst gewählt worden war, ließ er Lucrezia, Adriana de Mila und deren junge Schwiegertochter, seine neue Geliebte Giulia Farnese, im Palazzo Santa Maria in Portico nahe am Vatikan unterbringen. Lucrezia rückte damit ins Licht der Öffentlichkeit und vor allem ins Augenmerk der größtenteils feindlich gesinnten Borgia-Chronisten und der Abgesandten der diversen italienischen und europäischen Fürstentümer am päpstlichen Hof.[6] Der Gesandte Niccolò Cagnolo aus Parma beschrieb Lucrezias Erscheinungsbild:
Ehe mit Giovanni SforzaNach seiner Wahl zum Papst hob Lucrezias Vater auch diese Verbindung auf, um sie noch günstiger zu vermählen. Ascanio Sforza hatte die Wahl Rodrigo Borgia zum Papst maßgeblich unterstützt und bekam dafür die Stadt Nepi, das Amt des Vizekanzlers und den Palast Borgia, der heute noch den Namen Sforza-Cesarini trägt.[12] Als der nun einflussreichste Kardinal und Vertraute Alexanders VI. betrieb er nämlich die Vermählung Lucrezias mit einem Mitglied seines Hauses, Giovanni Sforza, Graf von Cotignola und kirchlicher Vikar von Pesaro. Er war der uneheliche Sohn des Costanzo I. Sforza und Fiora Boni, der Geliebten seines Vaters, und nur durch die Gnade von Papst Sixtus IV. und Papst Innozenz VIII. Nachfolger seines Vaters. Seit dem Tod seiner ersten Gemahlin Maddalena Gonzaga, einer Tochter von Federico I. Gonzaga, Markgraf von Mantua, und seiner Ehefrau Margarete von Bayern, am 8. Januar 1490 war er Witwer.[13] Am 31. Oktober 1492 kam er nach Aufenthalten in Pesaro und Nepi heimlich in Rom an und bewohnte dort die Wohnung des Kardinals von San Clemente. Der junge Graf Gasparo war aber bereits mit seinem Vater nach Rom gekommen und forderte die Einlösung des Vertrags. Am 5. November 1492 schrieb der Gesandte Ferraras seinem Herrn über den Streit der zwei Bewerber um die Hand Lucrezias:
Am 9. November 1492 lieferte derselbe Gesandte Ferraras weitere Details über den öffentlichen Skandal, der in Rom Gesprächsthema war:
Bereits am 8. November 1492 wurde der Ehekontrakt zwischen Lucrezia und Don Gasparo gerichtlich aufgelöst. Don Gasparo und sein Vater hofften noch auf eine Eheschließung unter besseren Konditionen und der junge Graf verpflichtete sich deshalb, vor Jahresfrist keine weitere Ehe einzugehen.[14] Am 9. Dezember 1492 schrieb der mantuanische Agent Fioravante Brognolo an den Marchese Gonzaga:
Im Februar 1493 wurde noch von einer geplanten Verbindung von Lucrezia mit dem spanischen Conde de Prada gesprochen. Giovanni Sforza blieb während der Verhandlungen in Pesaro und sandte seinen Prokurator Nicolò de Savano nach Rom, um den Ehekontrakt abzuschließen. Papst Alexander VI. zahlte schließlich laut dem Chronisten Burchard dem Grafen von Aversa eine Abstandssumme von 3.000 Dukaten, um die Familie zu beschwichtigen.[15] Die Auflösung des Ehekontrakts scheint das Verhältnis zwischen den Borgia und der Familie Centelles nicht weiter belastet zu haben, da im späteren Gefolge des Papsts Angehörige der Familie Centelles wie Gulielmus de Centelles und Raymondo de Centelles als Protonotar und Schatzmeister von Perugia zu finden sind.[16][17][18] Die Vermählung wurde bereits am 2. Februar 1493 im Vatikan durch ein gerichtliches Instrument vollzogen, wobei außer dem Gesandten Mailands auch Juan Lopez, Juan Casanova, Pedro Caranza und Juan Marades Zeugen dieser ehelichen Verbindung waren. Die Braut erhielt eine Mitgift von einunddreißigtausend Dukaten und es wurde vereinbart, dass sie bis zum Ende des Jahres mit ihrem Ehemann nach Pesaro reisen sollte.[15] Am 23. April 1493 wurde der Ehevertrag unterzeichnet, der die Eheschließung zwischen Lucrezia und Giovanni Sforza regelte. Giovanni Sforza zog am 9. Juni 1493 durch die Porta del Popolo in Rom ein, wo er von Lucrezia in einem Kleid aus himmelblauem Brokat und Giulia Farnese im Palazzo bei Santa Maria di Portico erwartet wurde.[19] Am 12. Juni 1493 heiratete schließlich Lucrezia Giovanni Sforza, Graf von Pesaro und Cousin Ludovico Sforzas, des Herrschers von Mailand, und wurde damit Gräfin von Pesaro.[13][19][20] Das Fürstentum umfasste damals die Stadt Pesaro und eine Reihe von kleineren Gemeinden, die man Kastelle oder Villen nannte. Diese kleineren Gemeinden waren S. Angelo in Lizzola, Candelara, Montebaroccio, Tomba di Pesaro, Montelabbate, Gradara, Monte S. Maria, Novilara, Fiorenzuo, Castel di Mezzo, Ginestreto, Gabicce, Monteciccardo, Monte Gaudio und Fossombrone. Pesaro war Teil des Kirchenstaats und die Sforzas trugen den Titel Vikare zu Erblehen gegen die Bezahlung von 750 Goldgulden Jahreszins.[21] Ihr Vater war durch diese eheliche Verbindung eine politische Allianz mit den Sforzas eingegangen.[22] Das Paar lebte zunächst getrennt, da wegen der Jugend der Braut der Vollzug der Ehe verschoben worden war.[19] Während Lucrezia nun in dem Palazzo Santa Maria in Portico residierte und Hof hielt, blieb Giovanni Sforza in Pesaro. Da Giovanni Sforza sich durch die Hochzeitsfeierlichkeiten finanziell übernommen hatte, wandte er sich an seinen Schwiegervater im Vatikan und bat um einen Teil der Mitgift, deren Auszahlung ihm jedoch verweigert wurde. Nach dem Ausbruch einer Epidemie in Rom im Frühsommer 1494 reisten Giovanni Sforza, Lucrezia, ihre Mutter Vannozza, Giulia Farnese und Adriana di Mila nach Pesaro, wo sie am 9. Juni 1494 einzogen und sich im Palast der Sforza einquartierten. Im Sommer 1494 bezog Lucrezia die Villa Imperiale auf dem Monte Accio.[23][24] Im Jahr 1494 unternahm der französische König Karl VIII. einen Feldzug nach Italien, um seinen Anspruch der Anjou auf das Königreich Neapel durchzusetzen. Zu diesem Zweck verbündete er sich mit Ludovico Sforza, dem Herzog von Mailand. So drangen die Franzosen unter der Führung Karls VIII. mit einem gut ausgerüsteten Heer mit vielen deutschen und Schweizer Söldnern nach Italien vor. Am 31. März 1495 verbündeten sich die anderen italienischen Staaten unter der Führung Venedigs gegen Frankreich und Mailand. Sie gaben vor, gegen die Türken vorgehen zu wollen, ihr Hauptziel war jedoch die Vernichtung der mailändischen und französischen Streitkräfte. Giovanni Sforza befand sich deshalb im Jahr 1495 politisch in einer sehr komplizierten Situation aufgrund des ehelichen Bündnisses mit den Borgia auf der einen Seite und der verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Sforzas auf der anderen Seite. Als Kondottiere im Dienst des Papstes schloss er sich dem neapolitanischen Heer an, das gegen die Franzosen kämpfen sollte, und gleichzeitig agierte er als Spitzel für Ludovico il Moro in Mailand, der sich mit den Franzosen verbündet hatte.[26] Nach einem Jahr Aufenthalt in Pesaro kehrte Lucrezia über Perugia, wo sie ihren Vater traf, nach Rom zurück. Während Lucrezia wieder in ihrem Palast wohnte, war ihr Gemahl in der Gegend von Neapel mit Truppen unterwegs.[23] Am 20. Mai 1496 kamen Jofré Borgia und seine Ehefrau Sancia nach Rom. Sancia und Lucrezia freundeten sich bald an und verursachten auch einen öffentlichen Skandal, als sie nicht protokollgemäß während des Hauptgottesdienstes in St. Peter im nur für Prälaten und Kanoniker vorgesehenen Chorgestühl im Chorraum Platz nahmen.[23] Da die Borgia und die Sforza weiterhin unterschiedliche Stellungen bezüglich des Eroberungszugs Karls in Neapel bezogen und die Doppelrolle Giovanni Sforzas in diesem Krieg spätestens im Frühjahr 1497 entdeckt worden war, kam es deswegen im März 1497 zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Juan Borgia und seinem Schwager. Giovanni Sforza verließ am Karfreitag in aller Heimlichkeit Rom. So soll er am Morgen des Karfreitags, im März 1497, die Kammer seiner Gattin betreten und ihr erzählt haben, dass er anlässlich des hohen Kirchtags entweder in einer Kirche in Trastevere oder in einer Kirche auf dem Janiculum zur Beichte gehen wolle. Anschließend habe er noch vor, die traditionelle Wallfahrt zu den „Sieben Kirchen“ in Rom zu unternehmen, die wie üblich den ganzen Tag in Anspruch nehmen würde. Unmittelbar nach der Verabschiedung von seiner Frau ritt er mit seinem arabischen Pferd so schnell nach Pesaro, dass das Pferd nach seiner Ankunft am Abend tot zusammenbrach.[27] Nach der Darstellung einer Chronik von Pesaro soll Lucrezia einen Diener ihres Ehemanns in ihren Räumen versteckt haben, als Cesare sie aufsuchte, um mit ihr über die Ermordung des Grafen zu sprechen.[28] Giovanni hatte jedenfalls vor seiner Flucht zwei Nachrichten hinterlassen, eine an Lucrezia, mit der Bitte ihm nach Pesaro zu folgen, und eine an den mailändischen Botschafter, in der er seinen mailändischen Verwandten erklärte, dass er aus „Unzufriedenheit mit dem Papst“ geflohen sei. Papst Alexander VI. wünschte sofort eine Auflösung der Ehe Lucrezias mit Giovanni Sforza. Lucrezia suchte Anfang Juli 1497 im dominikanischen Konvent von San Sisto Zuflucht und Ruhe. Die Zeit, die die langwährenden Verhandlungen um die Annullierung der Ehe in Anspruch nahm, verbrachte Lucrezia in diesem Kloster.[29] Mit größter Wahrscheinlichkeit hat die Flucht nach Pesaro Giovanni Sforza das Leben gerettet und die Borgia gezwungen, die Ehe auf juristischem Weg aufzulösen. Kirchenrechtlich war die Feststellung einer Ehenichtigkeit nur möglich, in dem man die Ehe als nicht rechtsgültig zustande gekommen oder aber für nicht vollzogen erklärte. Obwohl die Borgia dem Ehemann die Wahl des Auflösungsgrundes überließen, gab Giovanni Sforza seine Einwilligung zur Auflösung der Ehe zunächst nicht. Alexander bildete nun eine Kommission, die prüfen sollte, ob die Ehe wegen Nichtvollzugs aufgelöst werden könnte. Die vom Papst eingesetzte Kommission kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die Ehe wegen Impotenz des Ehemanns nicht vollzogen worden sei. So erklärte Alexander die Ehe für ungültig. Der am 20. Dezember 1497 wegen angeblicher Impotenz von ihr geschiedene Gatte Giovanni Sforza behauptete damals, dass seine Ehe nur aufgelöst worden sei, damit ihr Vater und ihr Bruder Cesare Borgia ungestört Blutschande mit Lucrezia treiben könnten.[30] Giovanni Sforza schuf damit die Grundlage für jene Verdächtigungen, die bis heute Lucrezia und ihrer Familie anhaften.[31] Angeblich soll der zu dieser Zeit geborene Giovanni Borgia, genannt infans romanus, der in zwei Bullen einmal als Sohn Alexanders und einmal als Sohn Cesares genannt wird, dieser Verbindung entsprungen sein. Nach einer anderen Theorie soll das Kind aus einer Affäre Lucrezias mit Perotto (auch Pedro Caldés), dem Boten ihres Vaters, stammen. Der junge Spanier diente als Vermittler zwischen dem Papst und seiner Tochter während ihres Aufenthalts im Kloster San Sisto. Am 14. Februar 1498 wurden die toten Körper des Dieners Pedro Calderon und der Magd Penthesilea im Tiber gefunden. Am 18. März 1498 berichtete der Gesandte Ferraras, dass Lucrezia im Kloster San Sisto von einem Kind entbunden worden sei. Obwohl dies von den Borgias abgestritten wurde, konnte bis heute nicht widerlegt werden, dass es sich bei diesem Kind möglicherweise doch um Giovanni Borgia handelte.[32][33] Ehe mit Alfonso BisceglieIhr zweiter Ehemann, Don Alfonso von Aragon, Herzog von Bisceglie und Prinz von Salerno, war ein unehelicher Sohn von König Alfons II. von Neapel aus seiner Beziehung mit Trusia Gazullo (oder Truzia Gazella).[34] Er war somit ein Neffe des Königs Federigo von Neapel aus dem Haus Trastámara. Diese Ehe sollte die Verbindung der Borgias zu Neapel und Spanien festigen, nachdem Lucrezias Bruder Jofré bereits vier Jahre zuvor 1494 Alfonsos Schwester Sancha von Aragon geheiratet hatte. Am 20. Juni 1498 wurde der Ehevertrag in Abwesenheit beider Brautleute im Vatikan unterschrieben. Nach der eigentlichen Hochzeitsfeier am 21. Juli 1498 blieben die Eheleute in Rom und wohnten im Palazzo von Lucrezia.[30] Alexander VI. ernannte seine Tochter zur Herrscherin von Spoleto und Foligno und teilte dies am 8. August 1499[35] den Städten mit. Später ernannte er sie auch zur Herrscherin von Nepi, jedoch kehrte Lucrezia kurz darauf mit ihrem Ehemann nach Rom zurück und gebar am 1. November 1499 um sechs Uhr früh ihren Sohn Rodrigo, den späteren Herzog von Bisceglie. Am 11. November 1499, dem Martinsfest, wurde der Säugling in der Kapelle von Sixtus in St. Peter durch Kardinal Carafa feierlich getauft. Alle in Rom anwesenden Kardinäle nahmen daran teil.[36] Da sich der Papst und Cesare Borgia jedoch inzwischen mit den Franzosen gegen Spanien und Neapel verbündet hatten, kam es zu schweren Konflikten mit dem Schwiegersohn und Schwager. Alfonso wurde am 15. Juli 1500 um elf Uhr nachts auf dem Weg vom Vatikan zum Palazzo Santa Maria in Portico, wo er und Lucrezia wohnten, auf dem Petersplatz überfallen und am Kopf, am rechten Arm und am Schenkel durch Dolchstiche schwer verwundet. Die schwer bewaffneten Angreifer hatten auf dem Petersplatz als Pilger verkleidet auf ihr Opfer gewartet. Alfonso, der als Prinz aus dem Haus Aragon eine hervorragende Waffenausbildung genossen hatte, konnte sich trotz der Übermacht der Männer verwundet in den Vatikan retten. Den Banditen gelang die Flucht, und so konnten die Drahtzieher hinter diesem Attentat nie ermittelt werden. Alexander VI. ließ den schwer verletzten Schwiegersohn sofort in einem Raum unmittelbar über den päpstlichen Gemächern unterbringen und von seinen eigenen Ärzten behandeln. Alfonso wies jedoch jede ärztliche Hilfe aus Furcht vor Gift von sich und ließ dem König von Neapel durch einen Eilboten ausrichten, dass er sich in höchster Gefahr befinden würde, worauf dieser unverzüglich seinen Leibarzt nach Rom schickte.[37] Ebenfalls auf Anordnung Alexanders wurden die Räume sogar von der päpstlichen Garde bewacht. Lucrezia und ihre Schwägerin Sancia pflegten Alfonso, bis er am 18. August 1500 von Michelotto im Auftrag Cesares oder des Papsts selbst ermordet wurde.[38][39] Über den Tathergang gibt es verschiedene Versionen. Die wahrscheinlichste Schilderung ist, dass eine Truppe bewaffneter Männer unter der Führung von Cesares Hauptmann Michelotto Corella in die päpstlichen Gemächer eindrang und die Ärzte verhaftete. Als sich ihnen Lucrezia und Sancia entgegenstellen, soll Michelotto erklärt haben, er führe nur einen Befehl aus, aber wenn der Papst anderes anordne, sei er selbstverständlich bereit, diesem zu gehorchen. Lucrezia und Sancia folgten dem Rat von Michelotto und verließen daraufhin den Raum, um ihren Vater aufzusuchen und den Haftbefehl aufzuheben. Was Alexander angeordnet hat, ist unbekannt und für das Schicksal des Herzogs von Bisceglie ohne Bedeutung. Michelotto dachte nicht daran, die Rückkehr der beiden Frauen abzuwarten, und so fanden Lucrezia und Sancia nach ihrer Rückkehr Alfonso erdrosselt vor.[36][40] Ein gewisser Brandolin beschrieb die erschütternde Szene, die von anderen Augenzeugen bestätigt werden konnte:
Johannes Burchard bestätigte Brandolins Schilderung und verwendete folgenden bedeutungsschweren Satz: Da Alfonso „sich weigerte, seinen Wunden zu erliegen, wurde er um vier Uhr nachmittags erdrosselt.“[42] Sechs Stunden nach der Ermordung Alfonsos wurde dessen Leichnam in aller Stille in die Peterskirche gebracht und in der Kapelle Santa Maria delle Febbri in St. Peter beigesetzt.[43] Sein Mörder war angeblich Cesare Borgia, obwohl vermutlich in diesem Fall der Papst selbst den Tötungsauftrag gegeben hatte. Denn Alfonso hatte am Tag seiner Ermordung von dem Fenster seines Krankenzimmers aus auf Cesare, der im vatikanischen Garten spazierenging, mit einer Armbrust geschossen. Lucrezia zog sich daraufhin auf ihr Schloss in Nepi zurück, kam aber wenig später wieder nach Rom.[44] Ehe mit Alfonso I. d’EsteIm Jahr 1501 bereitete Alexander VI. eine erneute Heirat vor. Er lehnte zunächst das Heiratsangebot von Francesco Orsini, Herzog von Gravina, den die Orsini angeboten hatten, ab. Es war diesmal eine Ehe mit Alfonso I. d’Este von Ferrara vorgesehen.[45] Er war der älteste Sohn des Herzogs Ercole I. d’Este von Ferrara, Modena und Reggio aus dessen Ehe mit Eleonora von Aragón, der Tochter von König Ferdinand I. von Neapel und seiner Ehefrau, Isabella di Chiaramonte.[34] Lucrezia und Alfonso waren sich wahrscheinlich bereits im November 1492 das erste Mal begegnet, als Ercole seinen Sohn im Zuge der Feierlichkeiten zur Papstwahl Alexanders nach Rom sandte und er einige Wochen im Vatikan wohnte. Zu diesem Zeitpunkt war Alfonso aber noch mit Anna Maria Sforza ehelich verbunden, die er am 12. Januar 1491 oder nach anderen Quellen am 12. Februar 1491 im Alter von fünfzehn Jahren geheiratet hatte. Sie war die Tochter Galeazzo Maria Sforzas und die jüngere Schwester von Bianca Maria Sforza. Sie war am 30. November 1497 an den Folgen einer Totgeburt verstorben und Alfonso war nun Witwer.[34][46] Zunächst zeigte sich Alfonso I. wie auch sein Vater Ercole I. sehr abgeneigt. Sie hielten es für unter ihrem hohen Stand, mit den Borgias eheliche Verbindungen einzugehen. Lucrezia war zudem eine unehelich geborene Papsttochter. Alexander konnte die d’Estes jedoch angesichts der Bedrohung durch Cesare Borgia in der Romagna erpressen sowie durch eine hohe Mitgift und andere Versprechungen (günstige päpstliche Belehnungen, finanzielle Vergünstigungen in Form des Erlasses der Tributzahlungen, Kardinalat für die d’Este usw.) überzeugen. Nach monatelangen Verhandlungen um den Ehekontrakt und die hohen Forderungen Ercoles bezüglich der Mitgift kam es endlich zu einer Übereinkunft.[47] Ercole hatte eine Mitgift Lucrezias in der Höhe von 200.000 Dukaten und als kirchlicher Vikar von Ferrara die Reduzierung der kirchlichen Abgaben von 4.000 auf 100 Dukaten pro Jahr gefordert. Ferner wollte er, dass sein dritter Sohn Ippolito mit dem Bistum Ferrara belehnt wird. Außerdem verlangte er die Aushändigung zweier kleiner Ortschaften, Pieve und Cento, die bisher zum Bistum von Bologna gehört hatten. Zudem wollte er sicherstellen, dass die Mitgift Lucrezias zuerst an seine Gesandten ausbezahlt wird, bevor die Braut Ferrara betreten durfte.[48] Lucrezia erhielt von ihrem Vater schließlich eine Mitgift von 100.000 Dukaten in Bargeld und 75.000 Dukaten in Schmuck, Kleidern und Wertgegenständen. Dazu wurden Ferrara seitens der Kirche finanzielle Vorteile gewährt, die ebenfalls ungefähr der Summe von 100.000 Dukaten entsprachen. Am 24. August 1501 wurde der Ehevertrag beurkundet. Die Este zeichneten den am 26. August 1501 im Vatikan entworfenen und vom Papst unterzeichneten Ehekontrakt am 1. September 1501 in ihrem Sommerpalast in Belfiore gegen. Als am 4. September 1501 der von Ercole und Alfonso unterzeichnete Ehekontrakt wieder in Rom eintraf, wurde dies in Rom gefeiert. Man feuerte bis in die Nacht hinein von der Engelsburg unablässig Bombarden ab und am folgenden Tag ritt Lucrezia mit einem Gefolge von 300 Reitern durch Rom. Es wurden in der ganzen Stadt Freudenfeuer entzündet und Alexander berief ein Konsistorium ein, um die Kardinäle und die Botschafter von diesem Ereignis zu unterrichten.[49][50][51] Am 13. Dezember 1501 berichtete der Botschafter des Markgrafen von Mantua:
Ein anderer Beobachter wusste zu berichten, dass wegen der Hochzeit Lucrezias in Neapel in einem halben Jahr mehr Gold verkauft und verarbeitet worden sei, als sonst in zwei Jahren.[52] Zudem musste Alexander Ercole die Kastelle Cento und Pieve übertragen und ihn von allen Steuerpflichten gegenüber der Kirche befreien.[53] In der Zwischenzeit vertrat Lucrezia vom 25. September 1501 bis zum 17. Oktober 1501 als Stellvertreterin des Oberhauptes der Christenheit die Angelegenheiten des Papsttums im Vatikan, da ihr Vater mit Cesare eine Inspektionsreise zu den neuerworbenen Besitzungen der Borgias in der Nähe Roms unternehmen wollte. Es handelte sich um Güter, die Alexander der Familie Colonna entzogen hatte. In dieser Zeit besaß Lucrezia die Vollmacht, die gesamte Korrespondenz des Papstes zu öffnen.[54] Burchard berichtet über dieses Ereignis:
Am 31. Oktober 1501 gab Cesare im Apostolischen Palast ein festliches Abendessen, an dem auch Lucrezia teilnahm und das unter dem Namen „Kastanienbankett“ oder „Kastanienball“ in die Geschichte eingegangen ist. Bei dieser Orgie hätten fünfzig eingeladene Kurtisanen nach dem Mahl nackt mit Dienern und anderen Männern getanzt, seien auf dem Boden zwischen brennenden Kerzenleuchtern umhergekrochen und hätten ausgestreute Kastanien aufgesammelt. Die Männer, die anschließend mit ihnen am häufigsten den Akt vollzogen hätten, seien prämiert worden.[56] Diese Schilderung des Kastanienbanketts, die heute von ernsthaften Historikern nicht als Tatsachenbericht bewertet wird, stammt von Johannes Burckard, Zeremonienmeister am päpstlichen Hof.[57] Obwohl Ercole Ende November 1501 ein Protestschreiben Maximilians gegen die Ehe Alfonsos mit Lucrezia erhalten hatte, schickte er am 9. Dezember 1501 die aus mehr als 500 Personen bestehende Eskorte des Bräutigams ohne den Bräutigam von Ferrara nach Rom auf, um die Braut abzuholen. Der glanzvolle Zug traf am 23. Dezember 1501 in Rom ein. Die Borgias hatten derweil in Rom keine Kosten gescheut, um die Familie d'Este durch übertriebenen Prachtaufwand und kostspielige Festivitäten zu beeindrucken. Schon am Stadttor wurde der Zug von 19 Kardinälen und deren Gefolge von insgesamt 4000 Mann empfangen. Man zog gemeinsam von dort in den Vatikan, wo Alexander mit 12 weiteren Kardinälen die Ferraresen empfing.[58] Noch am selben Tag suchte der Gesandte Ferraras im Auftrag seines Herrn Lucrezia auf und machte folgende Charakterisierung der Papsttochter:
Dieser Bericht ist ein Beweis für den zweifelhaften Ruf, den Lucrezia zum Zeitpunkt ihrer Verheiratung mit Alfonso genossen haben muss, und so musste der Gesandte Ferraras in Rom daraufhin Ercole d’Este hinsichtlich seiner neuen Schwiegertochter mit jenem Brief beruhigen, da wahrscheinlich auch Lucrezia bei den angeblichen Orgien der Borgias anwesend gewesen war.[59] Am 30. Dezember 1501 fand im Vatikan die Trauung per procurationem statt. Als Stellvertreter des abwesenden Gatten diente Alfonsos Bruder Ferrante, der mit seinen Brüdern Kardinal Ippolito und Sigismund den Brautzug begleitete.[50] Johannes Burchard hat die Trauungszeremonie detailliert geschildert:
Der Schmuck, der Lucrezia übergeben wurde, hatte einen Wert von ungefähr 70.000 Dukaten. Es wurde aber auf ausdrückliche Anordnung Ercoles bei der Übergabe in einer Urkunde festgehalten, dass Lucrezia den Ehering geschenkt erhalte. Der übrige Schmuck wurde aber in der Schenkungsurkunde nicht erwähnt. Ercole wollte damit, wie er offen bekannte, sicherstellen, dass der Schmuck den Este nicht verloren ging, falls die Ehe wegen Untreue Lucrezias aufgelöst werden müsse. Nach der Hochzeit zahlten päpstliche Beamte den Leuten Ercoles das in dem Ehevertrag als Mitgift Lucrezias vereinbarte Bargeld aus, denn vor Auszahlung der Mitgift wollten die Este Lucrezia nicht in Ferrara aufnehmen. Die Übergabe der Mitgift zögerte sich als Folge der Entdeckung von Falschmünzen hinaus und so konnte Lucrezia erst am 6. Januar ihre Reise nach Ferrara antreten.[59] Sie verließ mit ihrem aus 180 Personen zählenden Gefolge, das sich aus den von den Borgia entmachteten Colonna wie Francesco Colonna von Palestrina und seiner Ehefrau, und den Orsini wie Fabio Orsini sowie den Angehörigen der Häuser Farnese, Frangipani, Cesarini, Massimi und Mancini zusammensetzte, Rom. Sie wurde bei ihrem Auszug von sämtlichen Kardinälen und Abgeordneten bis zur Porta del Popolo begleitet. Für den Transport ihrer prächtigen Aussteuer waren mindestens 150 Maultiere und zahlreiche Wagen im Einsatz.[61] Ein venezianischer Beobachter berichtete sogar, dass ihr Zug aus insgesamt 660 Pferden und Maultieren und 753 Personen bestand, unter denen sich auch die Köche, Sattler, Kellermeister, Schneider und der Goldschmied der Papsttochter befanden. Eine Bedingung des Ehevertrags war es, dass sie ihren Sohn aus der Ehe mit Alfonso von Aragon bei ihrer Schwägerin Sancha zurücklassen musste.[62] Lucrezia und ihr Gefolge zogen erst am 2. Februar in Ferrara ein und wurde unter anderem von ihrer Schwägerin Isabella d’Este, der Markgräfin von Mantua, empfangen.[63] Alfonso galt als sachverständiger Kenner alles militärischen Wesens, besonders des Geschützgusses, und in allen ballistischen Fragen. Er vergnügte sich tagsüber bei Mätressen und Prostituierten, verbrachte jedoch die Nacht regelmäßig bei ihr.[64] Nach dem Tod Papst Alexanders VI. am 18. August 1503 riet der französische König Ludwig XII. Ercole I. und Alfonso zur Scheidung. Er schrieb dem Gesandten von Ferrara:
Alfonso und die Bevölkerung von Ferrara lehnten allerdings eine Auflösung der Ehe ab, obwohl Ercole I. an seinen Gesandten Giangiorgio Seregni im damals französischen Mailand schrieb:
1505 wurde Alfonso nach dem Tod seines Vaters am 25. Januar 1505 Herzog von Ferrara, Modena und Reggio. Lucrezia wurde damit Herzogin von Ferrara.[61] Am Hof von Ferrara versammelte sie als Kunstmäzenin die berühmtesten Künstler, Schriftsteller und Gelehrten der Zeit wie Pietro Bembo, Ludovico Ariosto, Mario Equicola, Gian Giorgio Trissino und Ercole Strozzi um sich. Von dem Dichter Strozzi ist das berühmte Rosengedicht erhalten geblieben:
Nach dem Tod Alexanders VI. 1503 und einer Reihe von Unglücksfällen in der Familie d´Este zog sie sich jedoch immer mehr zurück und widmete sich dem religiösen Leben. Sie verbrachte viel Zeit in Klöstern, wobei sie diese und auch die Hospitäler des Herzogtums finanziell unterstützte.[68] Auch als Regentin von Ferrara erwarb sie sich große Anerkennung und wurde auch von ihrem Mann mit Staatsangelegenheiten betraut. So erließ sie im Mai 1506 ein Gesetz, das den Schutz der Juden in Ferrara und eine Bestrafung der Schuldigen sicherstellen sollte.[69] Nachdem der Dichter Strozzi Barbara Torelli, die Witwe Ercole Bentivoglios, im Mai 1508 geheiratet hatte, wurde er am 6. Juni 1508 an der Ecke des Palastes Este, der heute Pareschi genannt wird, tot aufgefunden. Er war noch in seinen Mantel gehüllt und der Körper war mit zweiundzwanzig Wunden übersät. Die Mörder konnten nicht ermittelt werden.[70] Im August 1512 starb Lucrezias ältester Sohn aus ihrer zweiten Ehe. Der mantuanische Agent Stazio Gadio schrieb am 28. August 1512 an seinen Herrn Gonzaga aus Rom:
Als Lucrezia den Führern der durch Ferrara ziehenden Franzosen vor der Schlacht von Ravenna im Jahr 1512 einen Empfang gab, schrieb der Biograph des berühmten Bayard über Lucrezia:
Während ihrer Ehe mit Alfonso gebar sie acht Kinder, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten. Am 5. September 1502 wurde ihre erste Tochter totgeboren. Drei Jahre später, im Jahr 1505, kam Alessandro zur Welt, der aber noch im selben Jahr verstarb. Ein längeres Leben war ihren beiden nachfolgenden Söhnen vergönnt. Ercole II. d’Este wurde am 4. April 1508 geboren. Er heiratete 1528 Renée de France, die eine Tochter des französischen Königs Ludwig XII. war. Nach dem Tod seines Vaters wurde Ercole II. 1534 zum Herzog ernannt und verstarb im Jahr 1559. Am 25. August 1509 erblickte Ippolito II. d’Este das Licht der Welt, der ein geachteter Kirchenmann wurde. Er wurde im Jahr 1538 zum Kardinal berufen und war auch mehrmals ein Kandidat bei den Papstwahlen, jedoch gelang es ihm nie, dieses Amt zu erlangen. Er starb 1572. Es folgte Alessandro d’Este, welcher im April 1514 geboren wurde, aber bereits am 10. Juli 1516 starb. Lucrezias Tochter Eleonora d’Este, welche später Nonne wurde, wurde im Jahr 1515 geboren und starb im Jahr 1575. Francesco d’Este wurde am 1. November 1516 geboren und wurde später Fürst von Massa. Er ehelichte 1540 Maria di Cardona aus dem Haus Folch de Cardona und starb am 22. Februar 1578. Tod an KindbettfieberIm Herbst 1518 erkrankte Lucrezia während ihrer letzten Schwangerschaft schwer. Kurz nach der komplizierten Geburt ihrer Tochter Isabella Maria, die am Tag der Geburt am 14. Juni 1519 verstarb, ließ sie am 22. Juni 1519 einen Brief an Papst Leo X. diktieren:
Sie starb im Beisein ihres Ehemannes und von diesem tief betrauert in der Nacht des 24. Juni in Belriguardo bei Ferrara an Kindbettfieber.[74] Alfonso d’Este schrieb seinem Neffen Federigo Gonzaga nach ihrem Tod folgendes:
Lucrezias Grab befindet sich beim Chor des Klosters Corpus Domini in Ferrara. Eine Stirnlocke Lucrezias, die sie einst dem Dichter Bembo geschenkt hatte, wurde von diesem sorgfältig aufbewahrt und liegt heute mit seinen berühmten Schriften in der Bibliotheca Ambrosiana in Mailand.[76] Am 28. November 2008 wurde ein Gemälde von Dosso Dossi, das unter dem Namen Portrait of a Youth bekannt ist und in der National Gallery of Victoria in Melbourne ausgestellt ist, von dem Konservator Carl Villis als mögliches Porträt von Lucrezia Borgia identifiziert. Als eines der Argumente wird angeführt, dass der Dolch auf dem Gemälde jenen Dolch symbolisieren soll, den sich die römische Heldin Lucretia nach der Vergewaltigung durch Sextus Tarquinius in die Brust gestoßen haben soll. Der Myrtebusch und die Blumen sind ein Verweis auf die römische Göttin Venus und weibliche Schönheit. Der Dolch und die Myrte stehen hierbei für Lucrezias Vorname und Nachname, da die Borgias die Göttin Venus als ihr Emblem gewählt hatten. Die lateinische Inschrift des Gemäldes bezieht sich auf die Tugend und das schöne Antlitz der dargestellten Person.[77][78] Unternehmerisches WirkenIn Norditalien erwarb Lucrezia scheinbar wertloses Sumpfland, ließ es mit Hilfe von Entwässerungsgräben und Kanälen trockenlegen und nutzte es anschließend als Weide- oder Anbauland von Getreide, Bohnen, Oliven, Flachs und Wein. Innerhalb von sechs Jahren kaufte sie in Norditalien bis zu 20.000 Hektar Land und erwirtschaftete damit große Gewinne.[79][80] LegendeLucrezia wurde als Objekt dynastischer Geschäfte und für den weiteren Aufstieg der Familie dreimal verheiratet. Nach Lucrezias Tod wurden ihr von den Feinden ihrer Familie eine Reihe von Affären nachgesagt, wie beispielsweise mit Pietro Bembo und Gianfrancesco Gonzaga, dem Ehemann ihrer Schwägerin Isabella d’Este, die alle jedoch in den Bereich der Legenden gehören und mit historischen Quellen nicht belegt werden können. Die Vorstellung, sie sei eine Art frühneuzeitliche Messalina gewesen, ist eine der bekanntesten Erzählungen über die Familie Borgia.[81] Die eigentliche Borgia-Legende hat ihren Ursprung wahrscheinlich sowohl in früheren Dämonenerzählungen, die über das Papsttum der ersten Jahrhunderte im Umlauf waren, als auch in Aberglauben und Propagandaschriften im Zeitalter von Hexenverfolgung und Inquisition. Ins Zentrum dieser Berichte geriet Lucrezia, weil solches Fehlverhalten nach christlicher Vorstellung von einer Frau ausgehen musste. Die Ausgestaltung der Legende übernahm kurz nach dem Tod Alexanders der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard.[82] Alexandre Dumas mit seinem Roman Les Borgia und Victor Hugo mit seinem Theaterstück Lucrèce Borgia prägten das Bild von Lucrezia als einer Frau mit einem ausschweifenden Lebenswandel und einer skrupellosen Giftmischerin. Der Librettist Felice Romani machte aus Hugos Vorlage das Libretto zur gleichnamigen Oper von Gaetano Donizetti.[83] KinderAus ihrer zweiten Ehe mit Alfonso von Aragon: Aus ihrer dritten Ehe mit Alfonso I. d’Este:
Künstlerische BearbeitungenLucrezias Leben diente als Vorlage vieler künstlerischer Darstellungen, Bücher und Filme, in denen sie oft die Rolle einer Femme fatale einnimmt.
FilmeIn den meisten Filmen finden sich sehr freie, die gerüchteumwobene Komponente des Stoffes betonende Verfilmungen.
ComputerspieleSiehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Lucrezia Borgia – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Lucrezia Borgia – Zitate
Einzelnachweise
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