Dosso Dossi (eigentlich Giovanni di Niccolò de’ Luteri; * um 1469 in San Giovanni del Dosso oder Tramuschio; † 1542 in Ferrara) war ein italienischer Maler. Er gilt als bedeutendster Vertreter der ferraresischen Kunst der späten Renaissance.
Über Dossos Jugend und seine Ausbildung ist nichts Näheres bekannt. Der Einfluss von Tizian und Giorgione ist so stark ausgeprägt, dass die Vermutung nahe liegt, dass der Beginn seiner Karriere in Venedig liegt. Er wird erstmals 1512 in Mantua registriert. Von 1514 an arbeitete er in Ferrara als Hofmaler des Herzogs Alfonso I. d’Este. Hier arbeitete er – auch häufig mit seinem Bruder Battista zusammen – als Maler, aber auch als Dekorateur der höfischen Feste und Theateraufführungen sowie als Raumausstatter. Die Herzöge von Ferrara waren sehr kunstliebend und holten bedeutende Maler, Musiker und Schriftsteller an ihren Hof (darunter Ariost, mit dem Dosso zusammenarbeitete). Dosso wurde schließlich der Führer der Schule von Ferrara und einer der bedeutendsten Künstler seiner Zeit. Etwa 1520 könnte er sich in Rom aufgehalten haben. In seinem letzten Lebensjahrzehnt spielte sein Bruder eine immer größere Rolle in der gemeinsamen Werkstatt, die er nach Dossos Tod auch übernahm. Als der Vatikanstaat im Jahr 1598 das Herzogtum Ferrara übernahm, wurden seine Werke verstreut; nach kurzer Zeit war er vergessen.
Seine religiösen und mythologischen Bilder bestechen durch ihre leuchtende Farbigkeit, wie sie von Tizian bekannt ist. Von Anfang an spielten Landschaften in magischem Licht eine wichtige Rolle. Hier ist der Einfluss Giorgiones besonders deutlich. Dossos Eigenständigkeit zeigt sich jedoch an seiner ausgeprägten Phantasie, die in einer Reihe allegorischer Darstellungen zum Tragen kommt. Viele seiner Gemälde gelten wegen ihrer komplexen und dunklen Thematik als kaum deutbar und rätselhaft. In seinen späteren Werken umspielt ein überirdisches Licht melancholische Gestalten in verträumten Landschaften. Insgesamt gesehen ist sein Werk immer sehr persönlich, beinahe exzentrisch, und phantasievoll.
Werke
National Gallery, London
Ein Bacchant, um 1525
Wehklage über den Leichnam Christi, um 1517
Die Anbetung der Könige, wahrscheinlich 1530–42
Eine Heilige, nach 1600
Ein Mann, der eine Frau umarmt, ungefähr 1524
Galleria Borghese, Rom
Circe (oder Melisse), um 1520, Öl auf Leinwand [1]
Die hl. Cosmas und Damian, 1534–42, Öl auf Leinwand [2]
Felton Gibbons: Dosso and Battista Dossi. Court painters at Ferrara (= Princeton monographs in art and archaeology 39). Princeton University Press, Princeton NJ 1968.
Christoph Schmitt: Über das Erinnern in der Hofkunst Alfonso d'Estes. Ein kunsthistorischer Versuch zur Theorie des kulturellen Gedächtnisses am Beispiel allegorisch-mythologischer Gemälde. Dissertation Hamburg 2005 (Digitalisat).
Carlo Giovannini: Nuovi documenti sul Dosso (= Prospettiva Nr. 68, S. 57–60). Edizioni Centro Di, Firenze 1992.