Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Orsini (Begriffsklärung) aufgeführt.
Die Orsini sind eine weit verzweigte römische Adelsfamilie, die ursprünglich unter dem Namen Bobonen bekannt war und zwischen 1100 und 1900 maßgeblichen Anteil an der italienischen Geschichte hatte. Aus der Familie Orsini kamen drei Päpste, 24 Kardinäle und zahlreiche andere hohe kirchliche Würdenträger sowie weltliche Fürsten. Die Familie existiert bis heute und zählt zum europäischen Hochadel.
Die Bobonen werden erstmals mit Romano Bobone erwähnt, der 928 unter Papst Leo VI. Kardinal wurde. Nach dem Jahr 1000 werden sie häufiger erwähnt als bedeutende Grundbesitzer in Rom und der Sabina; sie stellten einflussreiche Männer im stadtrömischen Senat und in der Kurie. Ein Ursus (italienischOrso di Bobone‚der Bär‘) wird im späten 12. Jahrhundert erwähnt; seine Nachfahren nannten sich im 13. Jahrhundert filii Ursi‚Söhne des Ursus‘ und erst im 14. Jahrhundert wurde der Familienname Orsini oder auch Orsini-Bobone gebräuchlich. Sie gehörten zu den bedeutendsten römischen Geschlechtern des päpstlichen Adels.
Seit dem Pontifikat des Hyacinto Bobo als Coelestin III. (1191–1198) kämpfte die Familie der Bobonen als Vertreter der Guelfenpartei lange Zeit erbittert mit den ghibellinischen Colonna um die herrschende Stellung in Rom. Coelestin III. betrieb Nepotismus, er ernannte zwei Neffen zu Kardinälen und gewährte seinem Vetter Giangaetano (Johannes Gaitanus) den Erwerb der päpstlichen LehenVicovaro, Licenza, Roccagiovine und Nettuno. Dessen Sohn Napoleone dei Ursi erwarb 1246 ein Areal auf einem Hügel gegenüber der Engelsburg, dem Monte Giordano, und legte einen Burgpalast an (im 19. Jahrhundert vom Palazzo Taverna überbaut). Sein Bruder Matteo Rosso Orsini (1178–1246) erwarb große Besitzungen zwischen Rom und Siena, die den Kern der Familienbesitzungen von Mugnano, Bracciano und Monterotondo bildeten. Er ließ in seinem Amt als Senator Roms 1241 nach dem Tod von Papst Gregor IX. die Kardinäle zur Wahl des Nachfolgers im Septasolium einschließen, so dass diese Wahl zum ersten Konklave bei einer Papstwahl wurde. Im stadtrömischen Bezirk des Campo Marzio wohnten die Orsini in zahlreichen, auf antiken Monumenten aufgetürmten Palästen.
Im 12./13. Jahrhundert standen die Orsini dem Franziskanerorden nahe. Matteo Rosso Orsini war mit Franz von Assisi befreundet und wurde franziskanischer Tertiar. Sein Sohn Giovanni Gaetano Orsini war als Kardinal 1263 bis zu seiner Wahl zum Papst 1275 Protektor des Franziskanerordens, als Nikolaus III. gab er eine Auslegung der franziskanischen Armutsregel usus pauper, die umstritten war. Ein Neffe des Matteo Rosso Orsini, Kardinal Matteo Rubeo Orsini, war ebenfalls Protektor der Franziskaner.
Im Gefolge des Vierten Kreuzzugs erlangten Mitglieder der Familie auch Besitzungen in Griechenland. Sie gründeten mit Hilfe der Venezianer die Pfalzgrafschaft von Kefalonia. 1318 konnte Nicola Orsini die Herrschaft über das freilich schon sehr verkleinerte Despotat Epirus erlangen.
Vom zweiten Sohn des Matteo Rosso II. Orsini († nach 1282), Napoleone, Herr von Pitigliano, stammten alle späteren Hauptlinien dieser Familie ab. Ein Giovanni Orsini war mit Sciarra Colonna nach Cola di Rienzos Sturz Senator von Rom; dessen vierter Sohn, Francesco Orsini, war seit 1417 Graf und seit 1436 Herzog von Gravina, einem Lehen, das er von der Familie Gravina geerbt hatte; seither führen die Orsini diesen Titel.
Von 1500 bis 1958 teilten die Orsini mit den Colonna die Würde eines Assistierenden Fürsten des päpstlichen Stuhles (principe assistente al soglio pontificio), die seit 1735 erblich war. Im 16. Jahrhundert schlossen sie einige Ehebündnisse mit der Familie Papst Pauls III., den Farnese.
Die Linie der Herren von Bracciano erhielt 1560 in der Person von Paolo Giordano I. den päpstlichen Herzogstitel und endete mit Flavio Orsini, dem fünften Herzog, der zugleich Fürst von Nerola, Herzog von San Gemini, Marchese von Anguillara und Grande von Spanien erster Klasse sowie Reichsfürst war, im April 1698. Dieser war zuvor schon gezwungen gewesen, die wichtigsten seiner Besitzungen wegen seiner exorbitanten Schulden zu verkaufen.
Die Orsini wurden 1625 mit Paolo Giordano II. von Bracciano Reichsfürsten mit dem Anredetitel Illustrissimus und dem Münzrecht. Nach dem Aussterben dieser Linie wurde Ferdinando Bernaldo Filippo, 14. Herzog von Gravina, 5. Fürst von Solofra und 2. Fürst von Vallata, im Jahre 1724 von Kaiser Karl VI. zum Reichsfürsten mit dem Anredetitel Celsissimus ernannt.
Seit 1854 führte der Erstgeborene der Linie Gravina den Titel eines Principe romano mit dem ererbten Vorrecht, als „Weltlicher Thronassistent“ in der Papstmesse zu assistieren.
Coelestin III. (* etwa 1106 als Giacinto Bobone, Jacinto Bobo oder Hyacinto Bobo; † 1198), von 1191 bis 1198 Papst
Nikolaus III. (geboren als Giovanni Gaetano Orsini; * zwischen 1210 und 1220; † 1280), von 1277 bis 1280 Papst
Benedikt XIII. (Geburtsname Pietro Francesco Orsini; * 1649; † 1730), von 1724 bis 1730 Papst. Er war zuvor im weltlichen Leben bis zu seinem Verzicht 1668 12. Herzog von Gravina und 3. Fürst von Solofra und Galluccio.
Nach Genealogische Tabellen[1] und Genealogia della dinastia Orsini, dalle origini ad oggi[2]; die Schreibung der Namen erfolgt weitgehend in der italienischen Variante.
Der Stammbaum ist nicht vollständig, sondern konzentriert sich auf die Träger des Titels. Es sind daher nicht alle Nachkommen aufgezeichnet.
Giovanni Orsini (oder Ursinus; † 1439), römischer Ratsherr
Bartolomea Spinelli, Tochter von Nicola, 1. Conte von Gioia
(1.) Margherita della Marra
Francesco Orsini († 1456), 1. Conte di Gravina seit 1417 und Conte von Campagna und Conversano etc., seit 1436 Duca di Gravina
(2.) Maria (oder Ilaria oder Flavia) Scillata
Maria Piccolominea, Tochter von Antonio, Duca von Amalfi
Giacomo Orsini, genannt Jacobello († 1472), ab 1460 2. Duca di Gravina, Conte di Campagna, etc., Schwiegervater von Lorenzo il Magnifico
Raimondo Orsini († ca. 1488), 3. Duca di Gravina, Conte di Campagna etc.
Francesco Orsini, 4. Duca di Gravina, etc. (am 18. Januar 1503 im Auftrag von Cesare Borgia erdrosselt)
Maria Todeschini Piccolomini d’Aragona, Tochter von Antonio, 1. Duca d’Amalfi und Maria d’Aragona (* ca. 1460)
(1.) Angela Branai Castriota (Nebenlinie von Skanderbeg), Tochter von Giovanni, Duca di Ferrandina und Conte di Copertino, und Giovanna Gaetani dell’Aquila d’Aragona († 1518)
Don Ferdinando I. (auch: Ferrante) Orsini († 1549), 5. Duca di Gravina
(2.) Beatrice Ferillo, Erbin der Alfonsi, Grafen von Muro
Felicia Sanseverino
Don Antonio Orsini († 1553), 6. Duca di Gravina
(1.) Eleonora (oder Dianora) Caracciolo, Tochter von Ferdinando, 1. Duca di Feroleto
Don Ostilio Orsini (1543–1579)
(2.) Diana del Tufo, Tochter von Paolo Barone di Vallata e Vietri
(1.) Costanza Gesualda
Don Ferdinando II. Orsini (1538–1583), 7. Duca di Gravina
(2.) Virginia de Rovere
Don Pietro Francesco Orsini, genannt Ducapatre († vor 14. März 1641), 10. Duca di Gravina seit 1635, 1. Fürst von Solofra seit 1620 etc.
(⚭ 1617) Dorotea Orsini (Cousine von Pietro), Erbin von Solofra e Muro Lucano, Tochter von Don Flaminio Orsini
Beatrice Orsini
Don Michele Antonio I. Orsini († 1627 ohne Erben), 8. Duca di Gravina
Donna Felice Maria Orsini († 1647 ohne Erben), 9. Duchessa di Gravina
Don Ferdinando III. (auch: Ferrante) Orsini (1623–1658), 11. Duca di Gravina, 2. Fürst von Solofra und Conte von Muro Lucano etc.
(⚭ 1647) Giovanna Frangipani della Tolfa, Tochter von Don Carlo, 2. Duca di Grumo, und Fulvia del Tufo, Baronessa di Vallata
Don Pietro Francesco Orsini (1649–1730), 12. Duca di Gravina etc.; Dominikaner unter dem Namen Vincenzo Maria, danach Kardinal (22. Februar 1672) und ab 19. Mai 1724 Papst Benedikt XIII.
(1. ⚭ 1671) Luigia Altieri († 1678), Tochter von Don Angelo Albertoni Altieri
Don Domenico (I.) Orsini (1652–1705), 13. Duca di Gravina seit 1667 etc.
(2. ⚭ 1683) Ippolita di Tocco, Tochter von Don Leonardo VI Signore di Apice
Don Domenico II. Orsini (1719–1789), 15. Duca di Gravina, 6. Fürst von Solofra etc.; trat 1743 in den geistlichen Stand und verzichtete deshalb 1760 auf Titel und Herrschaft
(⚭ 1738) Anna Paola Flaminia Odescalchi († 1742), Tochter von Fürst Don Baldassarre, Duca di Bracciano
Don Filippo Bernualdo (getauft Amadeo) Orsini (1742–1824), 16. Duca di Gravina, 7. Fürst von Solofra etc.
(⚭ 1762) Maria Teresa Caracciolo, Tochter des Fürsten Don Marino Francesco, 7. Fürst von Avellino
Don Domenico Orsini (1765–1790); vor seinem Vater und noch vor Geburt des Sohnes verstorben
Faustina Caracciolo, Tochter von Don Giuseppe. 6. Fürst von Torella
Don Domenico (III.) Orsini (1790–1874), 17. Duca di Gravina, seit 1854 römischer Fürst (Principe romano) etc.
(⚭ 1823) Maria Luisa Torlonia (1804–1883), Tochter von Don Giovanni, Duca di Poli und Guadagnolo
Don Filippo Orsini (1842–1924), 18. Duca di Gravina, 6. römischer Fürst etc.
(⚭ 1865 in Wien) Giulia Gräfin von Hoyos-Wenckheim (1847–1909), Tochter des Grafen Enrico Zichy zu Zich und Vásonykeö
(1. ⚭ 1891 in Neapel) Domenica Varo (1867–1919), Tochter des Conte Senatore Domenico Salerni
Don Domenico Napoleone Orsini (1868–1947), 19. Duca di Gravina, 10. Fürst von Solofra etc.
Inschrift an der Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom; Francesco Orsini († 1503), 4. Herzog von Gravina, hatte als Stadtpräfekt mit eigenem Vermögen dazu beigetragen, dass der Bau der Kirche vollendet wurde
Mausoleum von Angela Castriota († 1518), Frau von Ferdinando Orsini, 5. Herzog von Gravina
Denkmal für Papst Benedikt XIII. in Gravina
Filippo Orsini (1842–1924), 18. Herzog von Gravina, im Ornat des Fürstassistenten des Päpstlichen Throns
Domenico Napoleone Orsini (1868–1947), 19. Herzog von Gravina, im Ornat des Fürstassistenten des Päpstlichen Throns
Camillo Orsini (1492–1559), Marchese di Lamentana (della Mentana), Condottiere, auch Generalkapitän der Römischen Kirche aus dem Hause der Herzöge von Gravina
Johann Hübner: Genealogische Tabellen: Nebst denen darzu gehörigen Genealogischen Fragen, Zur Erläuterung der politischen Historie, Vierter Theil. Gleditschen, Leipzig 1733, S.1111 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
Franca Allegrezza: Organizzazione del potere e dinamiche familiari. Gli Orsini dal Duecento agli inizi del Quattrocento. Rom 1998.
Benedetto Vetere: Giovanni Antonio Orsini del Balzo. Il principe e la corte alla vigilia della „congiura“ (1463); il Registro 244 della Camera della Sommaria. Rom 2011, ISBN 978-88-89190-83-8.
Orietta Filippini: Benedetto XIII (1724–1730). Un papa del settecento seconco il giudizio dei contemporanei. Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7772-1211-1.
Barbara Furlotti: A Renaissance Baron and His Possessions. Paolo Giordano I Orsini, Duke of Bracciano (1541–1585). Turnhout 2012, ISBN 978-2-503-53474-9.
Luciana Petracca, Benedetto Vetere (Hrsg.): Un principato territoriale nel regno di Napoli? Gli Orsini del Balzo principi di Taranto (1399–1463). Rom 2013, ISBN 978-88-98079-03-2.
I Duchi di Gravina. Biografien der Herzöge von Gravina. In: orsini-gotha.com. Archiviert vom Original am 7. April 2011; abgerufen am 23. April 2021 (italienisch, teilweise französisch; unter Verwendung von: Litta Pompeo: Famiglie Celebri Italiane. Mailänder Ausgabe. Paolo Emilio Giusti; G. Ferrario, Milano 1819–1873, 11 Vol., OCLC1075073527).
↑Johann Hübner: Genealogische Tabellen: Nebst denen darzu gehörigen Genealogischen Fragen, Zur Erläuterung der politischen Historie, Vierter Theil. Gleditschen, Leipzig 1733, S.1111 (Vorschau in der Google-Buchsuche – in Fraktur).
↑elena45: Il principe Orsini si candida a Sindaco di Roma. Maria Antonietta. Il forum ufficiale. I prinicipi romani. S. 3. In: ladyreading.forumfree.it, 10. Februar 2013, abgerufen am 23. April 2021 (italienisch).