Rolf Schwendter entstammte einer zweisprachigen Familie und wuchs mit Ungarisch und Deutsch als Muttersprachen in Wien auf.[1] Dort studierte er Rechtswissenschaften, Staatswissenschaften und Philosophie und wurde in diesen drei Fächern auch promoviert: 1962 zum Dr. jur., 1965 zum Dr. rer. pol. und 1968 zum Dr. phil. – daher in 68er-Kreisen sein Spitzname „Genosse Genosse Genosse“.[2] Er war während der Studienzeit stets auffällig unangepasst gekleidet und hatte vor seiner Namensänderung den Spitznamen „der Schess“.
Schwendter war in den Jahren 1959 bis 1967 Koordinator einer „Informellen Gruppe zu Wissenschaft und Kunst“.[3] Er war 1968 bis 1970 Mitarbeiter der Zeitschrift „song“ und 1968 bis 1971 freischaffender Liedermacher. Er trat in den Jahren 1967, 1968 und 1969 bei den Waldeck-Festivals[4] auf und 1968 bei den Internationalen Essener Songtagen. 1970 veröffentlichte er die Lieder zur Kindertrommel. Dabei setzte er auf eine „Antiästhetik, die sich den vertrauten Hörgewohnheiten entziehen sollte, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erzielen“.[1]
Schwendter war eine Zentralfigur diverser Bewegungen wie der Gesundheitsläden, der deutschen Antipsychiatrie, des Mannheimer Kreises „Kritische Psychiatrie“ und des Theoriearbeitskreises Alternative Ökonomie in der Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreise (AG SPAK). Er baute die „Sozialpolitische Gesellschaft“ auf, betreute das jährliche Mainzer Open Ohr Festival und sang gelegentlich auf Tagungen in Evangelischen Akademien. Bis zuletzt organisierte er am 1. September in Wien Lesungen zum Antikriegs-Tag. Drei Wochen nach seinem Tod (am 13. August 2013 wäre er 74 Jahre alt geworden) veranstaltete das Erste Wiener Lesetheaterin memoriam eine Lesung und Würdigung seiner Arbeiten im Weinhaus Sittl in Wien.
Er war Mitbegründer des Ersten Wiener Lesetheaters und Zweiten Stegreiftheaters und des Vereins zur Förderung alternativer Kultur e. V. in Kassel, dort damals als „Offenes Wohnzimmer“ bekannt. Von 1992 bis 2002 war er Vorstandsmitglied der „IG Freie Theaterarbeit“ in Wien und von 2001 bis 2005 Präsident der Internationalen Erich Fried Gesellschaft.[5]
Im Jahr 1980 erschienen die Lieder zum freien Gebrauch unter dem aus dem bekannten I can’t get no satisfaction bewusst politisch eingedeutschten Titel Ich bin noch immer unbefriedigt im Rotbuch Verlag. 1996 erschien im Deuticke Verlag der Lyrikband Drizzling Fifties.
Theorie der Subkultur. Kiepenheuer und Witsch, Köln/Berlin 1971, ISBN 978-3-462-00807-4; Neuausgabe mit einem Nachwort 7 Jahre später, Syndikat, Frankfurt am Main 1978, ISBN 978-3-8108-0071-8.
Entwurf einer ‚Gruppe 2000‘. München/Heidelberg/Wien, Selbstverlag Hausgemeinschaft Wiesbaden, Januar–April 1974.
Zur Geschichte der Zukunft. Band 1: Zukunftsforschung und Sozialismus. Syndikat, Frankfurt am Main 1978/1982.
Zur Zeitgeschichte der Zukunft. Band 2: Zeitgeschichte der Zukunft. Syndikat, Frankfurt am Main 1984.
Grundlegungen zur [alternativen Ökonomie]. Mehrere Bände: Die Mühen der Berge, Die Mühen der Ebenen AG SPAK, Steinheim 1986.
Schwendters Kochbuch. Orig.-Ausg. Athenäum, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-610-04719-4.
Die Unmöglichkeit zu telefonieren. Essays. Freibord, Wien 1990.
Christine E. Winter-Heider (Hrsg.): Festschrift für Rolf Schwendter. Fragmente einer Begegnung – Elemente einer Entgegnung. kassel university press, Kassel 2005, ISBN 3-89958-075-3 (uni-kassel.de).
Gisela Notz: Prof. Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter (1939–2013). In: Thomas Friedrich (Hrsg.): Handbuch Anarchismus. Springer VS, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-28531-9.
↑Informelle Gruppe war ein Synonym für Rolf Schwendters Freundeskreis. Dieser bestand zunächst aus Klassenkameraden seiner Maturaklasse und wurde bald aber zu einer weit größeren losen Clique annähernd Gleichaltriger. Durch Schwendters Begabung für Vernetzung wuchs der Kreis von einem anfänglich guten Dutzend Mitglieder; er hatte zur Zeit seiner Auflösung (1971) rund 3000 Sympathisanten. Da Schwendter erst mit der Zeit als zentrale Person hervortrat und später nach Deutschland ging, mag 1959 bis 67 annähernd stimmen. Erst 1967 formulierte Schwendter 19 Punkte, die als „Richtlinien“ zu verstehen waren, aber ausdrücklich nicht als Statuten eines Vereins. Im selben Jahr übersiedelte er nach München. Siehe dazu: Andreas Felber, Die Wiener Free-Jazz-Avantgarde, S. 223ff.