Horst MöllerHorst Möller (* 12. Januar 1943 in Breslau) ist ein deutscher Historiker. Von 1992 bis 2011 war er Direktor des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) in München. AusbildungHorst Möller wurde als Sohn eines Bauunternehmers in Breslau geboren. Er machte 1963 sein Abitur an der Hoffmann-von-Fallersleben-Schule Braunschweig. Möller studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik an den Universitäten Göttingen und Berlin, wo er 1969 das Staatsexamen ablegte und 1972 bei Thomas Nipperdey[1] in Geschichte promoviert wurde. Von 1969 bis 1977 war er wissenschaftlicher Assistent am Friedrich-Meinecke-Institut, 1978 habilitierte er sich dort. Gutachter der Arbeit waren Hans-Dietrich Loock und Ernst Nolte,[2] wobei sie Nolte federführend unterstützt haben soll.[3] Seine thematischen Schwerpunkte der 1970er Jahre waren die Geschichte Preußens und die Aufklärung in Europa. Als er 1979 seine Stelle im IfZ antrat, stellte ihn der Direktor Martin Broszat mit den Worten vor: „Horst Möller stammt aus dem 18. Jahrhundert.“[4] Tätigkeit1978 wechselte er in das Bundespräsidialamt unter Walter Scheel als Redenschreiber nach Bonn.[3] Von 1979 bis 1982 war er stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, von 1982 bis 1989 Ordinarius für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Zeitgleich gehörte er 1983 bis 1987 dem Gründungsdirektorium des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn an. Nach Ablehnung eines Rufes an die Universität Frankfurt/Main leitete er für drei Jahre (vom 1. April 1989 bis 31. März 1992) als Direktor das Deutsche Historische Institut in Paris. Nach seiner Emeritierung war er 2013/14 Kommissarischer Direktor des Deutschen Historischen Instituts Warschau, dessen Vorsitzender der Gründungskommission und Beiratsvorsitzender er seit 1993 gewesen war. Direktor des Deutschen Historischen Instituts in ParisAls Direktor des DHI Paris reorganisierte Möller die Institutszeitschrift ‚Francia‘, gründete zu den Veröffentlichungsreihen eine zweisprachige Reihe „Reflexionen über Deutschland im 20. Jahrhundert“ sowie mit der Ecole nationale des Chartes eine mediävistische Forschungsreihe „Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia“. Die von Möller geplante mehrbändige integrierte „Deutsch-französische Geschichte“ realisierten seine Nachfolger. Am DHI Paris wurde mit dem von ihm konzipierten und geleiteten Projekt „Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949-1963“ begonnen, das er später gemeinsam mit Klaus Hildebrand für das Institut für Zeitgeschichte und die Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgab (4 Bde. 1997–1999). Es gelang ihm, 1989 den Kauf eines großen Institutsgebäudes in zentraler, historisch interessanter Lage durchzusetzen (Vgl. Max-Weber-Stiftung, Information zum 60-jährigen Jubiläum des DHI Paris 2018). Direktor des Instituts für Zeitgeschichte1992 wurde er als Direktor an das Institut für Zeitgeschichte geholt und erhielt zugleich eine Professur an der Universität Regensburg. 1996 wechselte er nach München und wurde Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität. Beide Funktionen hatte er bis zu seiner Emeritierung 2011 inne. In dieser Zeit hatte sich sein thematischer Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert verschoben. Er schrieb über Preußen von 1918 bis 1947, über die Weimarer Republik und über Europa in der Zwischenkriegszeit und veröffentlichte über den Nationalsozialismus.[4] Unter seiner Leitung verdoppelten sich einerseits Personal und Etat des IfZ. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands kamen auf die Zeithistoriker weitere Aufgaben zu, die Tätigkeit wurde auf die DDR-Geschichte ausgedehnt. Andererseits wurde mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam 1992 erstmals ein weiteres Institut vergleichbarer Art gegründet, so dass dem IfZ Konkurrenz erwuchs.[5] Das Institut für Zeitgeschichte eröffnete eine Abteilung zunächst in Potsdam, dann in Berlin und übernahm die fachliche Betreuung der Ausstellung auf dem Obersalzberg. Die von Möller initiierte und 1999 eröffnete Dauerausstellung hatte bis zum Neubau 2023 ca. 3,5 Millionen Besucher, der im Selbstverlag des Instituts veröffentlichte Katalog 7 Auflagen mit 100 000 Exemplaren.[3] Zu den wichtigsten Projekten gehörten die Editionen der Tagebücher von Joseph Goebbels und die Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. Bei den im Jahresrhythmus seit 1993 erscheinenden Akten zur Auswärtigen Politik war Möller 1993 bis 2005 Mitherausgeber und 2005 bis 2015 Hauptherausgeber. In Reaktion auf die Wehrmachtsausstellung entwickelte das IfZ unter Möller das Projekt „Wehrmacht in der NS-Diktatur“, aus dem sechs Bücher hervorgingen. Sie ergänzte und korrigierte Aspekte der Wehrmachtsausstellung und der zugehörigen Publikationen und erlaubten einen direkten Blick in die Brutalität und Kriegsverbrechen.[6] Möllers persönliche Nähe zu Frankreich kam in dem Forschungsprojekt Demokratie in der Zwischenkriegszeit zum Ausdruck, das einen Ländervergleich zwischen Deutschland und Frankreich herstellte. Weitere Themen waren Gesellschaft und Politik in Bayern und der KSZE-Prozeß. Unter Möller wurde die Edition von Hitlers Reden und Schriften 1925 bis 1933 abgeschlossen. Mit Götz Aly, Ulrich Herbert und Dieter Pohl gründete Möller das DFG-finanzierte Langzeitprojekt „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland“, dessen erster Band 2008 erschien. Das von Möller, Herbert, Pohl gemeinsam mit Susanne Heim und zeitweise weiteren Mitherausgebern geleitete Projekt wurde an der Abteilung Berlin des IfZ durchgeführt, die DFG-Mittel gingen zu 60 % an das IfZ.[4] In der Ära Möller wurde das IfZ dreimal evaluiert, 1996 durch den Wissenschaftsrat und 2003 durch die Leibniz-Gemeinschaft. In beiden Fällen kamen die Gutachter zum Schluss, dass ein längerfristiges Konzept fehle, und zu wenige innovative Forschung stattfinde. Es gäbe zu wenige international vergleichbare Ansätze und interdisziplinäre Zusammenarbeit.[5][7] Dieser Beurteilung widersprachen alle sechs Fachhistoriker der Evaluierungskommission auch öffentlich. Bei der dritten Evaluierung 2007 bescheinigte die 14-köpige internationale Evaluierungskommission dem Institut „insgesamt sehr gute, zum Teil herausragende Leistungen“ und gelangte zu dem Ergebnis: Das Institut für Zeitgeschichte gehöre „national und international zu den führenden Einrichtungen der Zeitgeschichte“ und habe sich „nicht zuletzt durch seine vielfältigen wissenschaftlichen Beziehungen zu internationalen Partnern zu einem wichtigen Zentrum der Forschung in Europa entwickelt“ (Berichte der Leibniz-Gemeinschaft, Jahresbericht des IfZ 2007, S.3). Sehr positiv wurden auch Archiv, Bibliothek und Serviceleistungen sowie die Retrodigitalisierung der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, der Bibliotheks- und Archivkataloge beurteilt. Positiv wurde darüber hinaus die seit 1992 betriebene immer engere Kooperation mit mehreren Universitäten bewertet. Der frühere Bayerische Kultusminister Hans Maier, langjähriges Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats, gelangte zu dem Schluss: „Mit der Ära Möller verbinden sich in der Geschichte des Instituts die bisher größte Erweiterung, eine dezidiert vorangetriebene Internationalisierung, eine Intensivierung des Blicks auf die Nachkriegszeit, eine Wendung zur vergleichenden Betrachtung und zur grundsätzlichen Auseinandersetzung mit Demokratie und Diktatur im 20. Jahrhundert“ (Hans Maier, Amtswechsel im Institut für Zeitgeschichte. Nach 19 Jahren scheidet Horst Möller aus dem Amt, in: VfZ 3/2011, S. 468 f.) Sein Nachfolger als Direktor des IfZ ist sein Schüler Andreas Wirsching. Darüber hinaus gehören zu seinen akademischen Schülern u. a. Rainer Babel, Magnus Brechtken, Stefan Grüner, Manfred Kittel, Hans-Christof Kraus, Peter Lieb, Hartmut Mehringer, Dieter Pohl, Thomas Raithel, Thomas Schlemmer und Georg Seiderer. Nach seiner Emeritierung übernahm er Funktionen in zahlreichen Beiräten und verfasste eine umfangreiche Biographie über Franz Josef Strauß, die 2015 zu dessen 100. Geburtsjahr erschien. Er hatte als erster Wissenschaftler den vollen Zugang zum Strauß’schen Nachlass, der sich im Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung befindet.[8] Seit 1988 ist er mit Lothar Gall u. a. Herausgeber der Reihe Enzyklopädie deutscher Geschichte. Kontroverse um Ernst NolteMöller hielt am 4. Juni 2000 die Laudatio auf den mit dem Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung ausgezeichneten Ernst Nolte. Heinrich August Winkler hatte ihm im Vorfeld wegen Noltes Rolle im Historikerstreit 1986/87 abgeraten[5] und forderte daraufhin Möller zum Rücktritt von der Leitung des Instituts für Zeitgeschichte auf.[9] Dem schlossen sich Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler an.[10] In seiner Festrede, die Möller ausdrücklich als Wissenschaftler, nicht als Direktor des IfZ halten wollte, distanzierte er sich zwar von den umstrittensten Thesen Noltes, bezeichnete ihn aber insgesamt als „Geschichtsdenker in der Tradition der dialektischen Geschichtsphilosophie Hegels und der begriffenen Geschichte Kants“ und lobte ausdrücklich dessen auch international anerkanntes „Lebenswerk von hohem Rang und unverwechselbarer Eigenart“.[11] EinordnungIn der Festschrift zu seinem 65. Geburtstag hieß es: „Horst Möllers wissenschaftliche Wurzeln liegen in der Aufklärung – als Gegenstand wie als Methode.“[12] Möller wird als „bekennender Konservativer“ beschrieben, „der anders als sein Vorgänger, kein produktiver Unruhestifter, eher ein geschäftiger Wissenschaftsmanager [sei], der in unzähligen wissenschaftlichen Beiräten und Gremien vertreten ist.“[5] Andere sehen Möller als Liberalen (Vgl. etwa Kar-Heinz Paqué, in: Liberal 1/2023). PrivatesMöller ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.[13] Seiner Frau Hildegard widmete er sein Buch Fürstenstaat oder Bürgernation – Deutschland 1763–1815. Auswärtige Lehrtätigkeiten
Weitere Funktionen und Ämter
Auszeichnungen
Schriften (Auswahl)Möller hat rund 200 Aufsätze und diverse Bücher veröffentlicht, die sich mit der deutschen, französischen und europäischen Geschichte vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts befassen. Mehrere wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Monographien
HerausgeberschaftenSammelbände
Zeitschriften und Schriftenreihen
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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