Besonders während seiner Zeit als Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin von 1974 bis 1989 bildeten seine Inszenierungen den Anlass für einen Austausch zwischen Theater und Öffentlichkeit, der über das Künstlerische hinaus weit ins Politische hineinragte. Wichtige Aufführungen waren insbesondere Franziska Linkerhand (1978) und Faust I und Faust II (1979, beide Teile an einem Abend).[4]
Zu einer Besonderheit der Schweriner Theaterarbeit unter Schroths Leitung wurden die Entdeckungen.[5] Schroth hatte das Konzept aus seiner Hallenser Theaterarbeit mitgebracht und in Schwerin weiterentwickelt. Die Entdeckungen standen jeweils unter einem thematischen Schwerpunkt und bündelten verschiedene Inszenierungen und andere szenische Formate an einem Abend. Wesentliche wirkungsästhetische Momente waren der Fest-Charakter, der an Volkstheater-Traditionen anknüpfte, und die Nähe zu den Zuschauern. Das gesamte Theater einschließlich der Probebühnen und Foyers war in die Entdeckungen einbezogen. Unter dem Namen Spektakel realisierte der Regisseur Benno Besson zur gleichen Zeit ein ähnliches Konzept an der Berliner Volksbühne. Diese Form war im Theater der DDR nicht zuletzt deshalb sehr beliebt, weil es auf diese Weise möglich war, Stücke und Aufführungen zu zeigen, die in anderen Formaten möglicherweise verboten worden wären.[6]
Zum Menetekel für den nahen Untergang der DDR wurde der Volksliederabend Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin, der innerhalb der DDR-Entdeckungen von 1988 gezeigt wurde. Schauspieler sangen sozialistische Lieder aus der Zeit des DDR-Aufbaus, über ihnen hingen ihre Jugendbildnisse. Schroth machte die Differenz zwischen dem einstmals Erhofften und dem Realzustand auf schmerzhafte und zugleich heitere Weise sichtbar. Der Liederabend wurde zu einem der größten Erfolge Schroths in Schwerin.[7]
Von 1984 bis 1986 leitete Schroth neben seiner Tätigkeit als Schauspieldirektor auch als kommissarischer Intendant das Mecklenburgische Staatstheater.[8]
1989 ging Christoph Schroth ans Berliner Ensemble, wo er bis 1990 Oberspielleiter war und bis 1992 als Hausregisseur arbeitete. Von 1992 bis 2003 war er Intendant am Staatstheater Cottbus. In Cottbus setzte er das Schweriner Konzept der Entdeckungen unter dem Titel Zonenrandermutigung fort.[9] Neben seiner Leitungstätigkeit arbeitete Schroth als freischaffender Regisseur im In- und Ausland, unter anderem am Burgtheater Wien, in Vaasa (Finnland), Kassel, Neustrelitz, Neubrandenburg und Senftenberg.[10]
Christoph Schroth war von 1983 bis 1993 Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (Ost). Von 1990 bis 1993 arbeitete er als Sekretär der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste, Berlin (Ost). Seit 1993 war er Mitglied der Akademie der Künste Berlin. In der Berliner Akademie der Künste befindet sich Christoph Schroths Nachlass.
Inszenierungen (Auswahl)
Zeitgenossen von Armin Stolper, Landestheater Halle, Premiere am 13. September 1969, Uraufführung
Die Tage der Commune von Bertolt Brecht, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 27. Januar 1978 (innerhalb der Brecht-Entdeckungen)
Franziska Linkerhand von Brigitte Reimann, Theaterfassung von Bärbel Jaksch und Heiner Maaß, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 21. April 1978
Boris Godunow von Alexander Puschkin, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 29. September 1978, DDR-Erstaufführung
Das siebte Kreuz von Anna Seghers, Theaterfassung von Bärbel Jaksch und Heiner Maaß, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 11. April 1981
Trommeln in der Nacht von Bertolt Brecht, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 30. Januar 1982, DDR-Erstaufführung
Iphigenie in Aulis von Euripides in der Fassung von Friedrich Schiller, Die Troerinnen von Euripides und Agamemnon von Aischylos in der Fassung von Gerhard Kelling. Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 5. Dezember 1982, innerhalb der Antike-Entdeckungen
Bruder Eichmann von Heinar Kipphardt, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 11. September 1983 (DDR-Erstaufführung in einer Ringaufführung)
Demetrius/Dmitri von Friedrich Schiller / Volker Braun, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Premiere: 27. April 1984 (DDR-Erstaufführung)
Dagmar Fischborn: Theatralische Adaptionen epischer Texte als besondere Form der Wechselbeziehung zwischen Theater und Literatur. Franziska Linkerhand und Das siebte Kreuz am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Dissertation A. Deutsche Nationalbibliothek. Signatur Frankfurt: H 85b/6201, Signatur Leipzig: Di 1985 B 4212
Renate Ullrich: Schweriner Entdeckungen. Ein Theater im Gespräch. Dietz Verlag, Berlin 1986.
Christa Hasche, Traute Schölling, Joachim Fiebach: Theater in der DDR. Chronik und Positionen. Henschel Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-89487-200-4.
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 628 f.
Thomas Irmer: Die Schweriner Legende: Christoph Schroth. Interview. In: Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Theaterrepublik. Theater in der DDR. Alexander, Berlin 2003, ISBN 3-89581-106-8, S. 102–129.
Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3.
Klaus Völker: Geschichten über die Geschichte. „Wo ich bin, ist keine Provinz “ – Christoph Schroth geht in Rente, nicht in den Ruhestand. In: Theaterheute Juli 2003, S. 67.
↑Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Bühnenrepublik. Theater in der DDR. Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 2006, ISBN 3-89331-744-9, S. 106.
↑ abThomas Irmer: Die Schweriner Legende: Christoph Schmidt. Interview. In: Thomas Irmer, Matthias Schmidt: Die Theaterrepublik. Theater in der DDR. Berlin 2003, S. 103–129.
↑Renate Ullrich: Schweriner Entdeckungen. Ein Theater im Gespräch. Dietz Verlag, Berlin 1986.
↑Martin Linzer: Entdeckungen DDR-Dramatik. In: Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3.
↑Helga Gotschlich: "Und der eignen Kraft vertrauend--" : Aufbruch in die DDR, 50 Jahre danach. Metropol, Berlin 1999, ISBN 3-932482-34-4, 111.
↑Horst Zänger: 170 Jahre Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin. Norderstedt 2005, S. 149.
↑Martin Linzer u. a. (Hrsg.): Wo ich bin, ist keine Provinz. Der Regisseur Christoph Schroth. Akademie der Künste/Förderverein Theaterdokumentation, Berlin 2003, ISBN 3-929333-16-3, S. 135.