Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Bromcyan ist ein Derivat der Blausäure (HCN), bei dem das Wasserstoffatom durch Brom ersetzt ist. Umgangssprachlich wird es auch Bromcyanid oder Campilit genannt.
Bromcyan kommt natürlich als Metabolit der KieselalgeNitzschia pellucida (Gattung Nitzschia) vor. Die Alge benutzt die Verbindung als Gift, um ihre direkte Umgebung von konkurrierenden Algen anderer Arten zu befreien (Allelopathie). Die Biosynthese wird vermutlich durch eine Haloperoxidase katalysiert. Die gebildete Menge ist lichtabhängig. Kurz nach Sonnenaufgang bildet die Alge größere Mengen Bromcyan.[5]
Darstellung und Gewinnung
Die Darstellung von Bromcyan gelingt durch die Umsetzung von Brom mit Natriumcyanid in wässriger Lösung bei Temperaturen unterhalb von 20 °C.[6][7]
Bromcyan ist noch um ein Vielfaches giftiger als Kaliumcyanid (KCN). Seine außerordentliche Giftwirkung beruht auf den beiden Komponenten Brom und Cyanid, die sowohl durch enzym-inhibitorische Eigenschaften als Stoffwechselgift, als auch toxisch auf Nervenzellen wirken.[2]
Bromcyan liegt in Form von leicht flüchtigen farblosen Nadeln vor. Mit einer molaren Bildungsenthalpie von 185,6 kJ/mol für Bromcyandampf bzw. 140,4 kJ/mol für den Feststoff handelt es sich um eine instabile endotherme Verbindung,[9] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 3,53667, B = 727,385 und C = −130.052 im Temperaturbereich von 273 K bis 313 K.[9]
Die Trimerisierung erfolgt auch langsam bei Raumtemperatur bei der Lagerung der Verbindung über einen längeren Zeitraum.[11] Die Reaktion von Bromcyan mit Phenol ergibt Phenylcyanat.[12]
Struktur
Das BrCN-Molekül besitzt eine lineare Struktur. Die Bindungslängen der Br–C-Bindung bzw. der C–N-Bindung sind typisch für eine C–Br-Einfachbindung bzw. C–N-Dreifachbindung. Die Bindungslängen betragen für die C–Br–Bindung 1,789 Ångström, für die C–N–Bindung 1,160 Ångström.[13] Das Bromcyanmolekül ist polar. Das Dipolmoment beträgt 2,94 D.[14]
Gasförmiges Bromcyan wird über die Haut kaum, über Atemwege und Verdauungstrakt gut resorbiert. Es kann beim Kontakt mit Wasser und Magensäure oder beim Erhitzen zu Cyanwasserstoff, Bromwasserstoff, Dicyan und Cyanurbromid[S 1] hydrolysiert oder zersetzt werden. Auf Augen, Haut und Schleimhäute wirkt Bromcyan sehr stark reizend bis ätzend. Im Gegensatz zu Blausäure
wird es bei Anwesenheit in der Luft ab 1 ppm als reizend wahrgenommen; bei etwa 9 ppm liegt die „Erträglichkeitsgrenze“.[2]
Einzelnachweise
↑Eintrag zu Bromcyan. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. April 2014.
↑National Technical Information Service, PB214-270.
↑David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-19.
↑B. Vanelslander, C. Paul u. a.: Daily bursts of biogenic cyanogen bromide (BrCN) control biofilm formation around a marine benthic diatom. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 109, 2012, S. 2412, doi:10.1073/pnas.1108062109.
↑W. König: Untersuchungen aus dem organ.‐chem. Laboratorium der Technischen Hochschule zu Dresden. XCVII. Über die Umsetzung von Rhodaniden mit Brom in wäßriger Lösung. In: Journal für Praktische Chemie. Band84, Nr.1, September 1911, S.558–560, doi:10.1002/prac.19110840139.
↑Joel Morris, Lajos Kovács, Kouichi Ohe: Cyanogen Bromide. In: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. John Wiley & Sons, Ltd, Chichester, UK 2015, ISBN 978-0-470-84289-8, S.1–8, doi:10.1002/047084289x.rc269.pub3 (wiley.com [abgerufen am 23. März 2024]).
↑A. G. Smith, H. Ring, W. V. Smith, W. Gordy: Interatomic Distances and Nuclear Quadrupole Couplings in ClCN, BrCN, and ICN in Phys. Rev. 74 (1948) 370–372. doi:10.1103/PhysRev.74.370.
↑Raymond Kaiser, Lorraine Metzka: Enhancement of Cyanogen Bromide Cleavage Yields for Methionyl-Serine and Methionyl-Threonine Peptide Bonds. In: Analytical Biochemistry. Band266, Nr.1, Januar 1999, S.1–8, doi:10.1006/abio.1998.2945.
↑W.A. Schroeder, Joan Balog Shelton, J.Roger Shelton: An examination of conditions for the cleavage of polypeptide chains with cyanogen bromide: Application to catalase. In: Archives of Biochemistry and Biophysics. Band130, 1969, S.551–555, doi:10.1016/0003-9861(69)90069-1.
↑Luis A Jurado, James Mosley, Harry W Jarrett: Cyanogen bromide activation and coupling of ligands to diol-containing silica for high-performance affinity chromatography. In: Journal of Chromatography A. Band971, Nr.1-2, September 2002, S.95–104, doi:10.1016/S0021-9673(02)00964-0.
↑William E. Luttrell: Cyanogen bromide. In: Journal of Chemical Health & Safety. Band16, Nr.4, 1. Juli 2009, S.29–30, doi:10.1016/j.jchas.2009.05.012.