Bei der Zweistaatenlösung wird ein unabhängiger Staat Palästina neben dem Staat Israel westlich des Flusses Jordan angestrebt. Die Grenze zwischen den beiden Staaten ist noch nicht endgültig festgelegt, da hierzu noch keine Einigung gefunden wurde und weitere Verhandlungen notwendig sind. Die palästinensische bzw. arabische Seite besteht auf der bis zum Sechstagekrieg 1967 bestehenden Waffenstillstandslinie als Grenze, was von israelischer Seite jedoch nicht akzeptiert wird. Das Gebiet des Völkerbundsmandats für Palästina, das nicht Teil des innerhalb dieses Lösungsweges vorgesehenen Staates Palästina ist, soll nach dieser Variante israelisches Territorium werden.
Den Rahmen dieses Konfliktlösungsvorschlags bilden die UN-Resolutionen zur „friedlichen Lösung der Palästinafrage“ (Englisch: Peaceful settlement of the question of Palestine), die bis ins Jahr 1974 zurückreichen.[4] Die jüngste entsprechende Resolution vom 24. November 2015 wurde mit 155 Stimmen, sieben Gegenstimmen und sieben Enthaltungen verabschiedet.[5][6] Darin ist u. a. von „zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen“ die Rede. Frühere Resolutionen enthalten auch ergänzend die Passage, dass „eine gerechte Lösung für die palästinensische Flüchtlingsfrage in Übereinstimmung mit UN-Resolution 194“ gefunden werden müsse.[7]
Erste maßgebliche Palästinenser haben seit Mitte der 1970er Jahre Interesse an einer Zweistaatenlösung gezeigt (so insbesondere Said Hammami, der PLO-Vertreter in London).[8][9] Die palästinensische Führung hat das Konzept schließlich beim arabischen Gipfel 1982 im marokkanischenFès aufgegriffen.[10] Dennoch hat Jassir Arafat Israel – vorerst nur indirekt – erst ab 1988 (Rede vor der UN-Vollversammlung vom 13. Dezember 1988) anerkannt.[11] 1989 erklärte Arafat sodann die PLO-Charta von 1964, in der zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wurde,[12] für hinfällig. Und am 9. September 1993 schrieb Arafat als PLO-Vorsitzender an den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin in einem historischen Brief: „Die PLO erkennt das Recht des Staates Israel auf Existenz in Frieden und Sicherheit an. [Die PLO verzichtet] auf Terror und jede andere Art von Gewalt.“ Im Gegenzug erkannte Rabin „die PLO als die Vertretung des palästinensischen Volkes“ an.[13]
Im Februar 2017 wurde bekannt, dass die US-Regierung unter Donald Trump nicht mehr auf eine Zweistaatenlösung besteht und es den Konfliktparteien selbst überlässt, wie sie eine dauerhafte Friedenslösung erreichen wollen.[14] Im Jahr 2018 entschied Trump die Verlegung der amerikanischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem.[15][16] Im selben Jahr sprach sich die US-Regierung, anders als im Jahr zuvor, für eine Zweistaatenlösung aus.[17]
Am 28. Januar 2020 stellte Trump zusammen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu eine Zweistaatenlösung vor.[18][19] Die Regierung der Palästinensischen Autonomiegebiete lehnte den Vorschlag, der ohne Konsultation der Palästinenser formuliert worden war und palästinensische Positionen nicht berücksichtigt, bereits im Vorfeld ab.[20]
Westjordanland: Der Plan sieht die Gründung eines palästinensischen Staates vor, der 97 Prozent der derzeit im Westjordanland lebenden Palästinenser umfasst. Insgesamt soll der Staat, den Gazastreifen eingeschlossen, eine Fläche umfassen, die vergleichbar ist mit dem arabisch kontrollierten Territorium vor dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Zu diesem Zweck sollen beide Seiten Land austauschen. Israel darf die große Mehrheit der Siedlungen und das gesamte Jordantalin sein Staatsgebiet integrieren. Im Gegenzug könnten mehrere arabische Gemeinden, die derzeit zu Israel gehören und am westlichen und nordwestlichen Rand des Westjordanlandes liegen, z. B. Umm al-Fahm, palästinensisch werden.
Gazastreifen: Der Gazastreifen soll mit zwei kleinen Gebieten im Negev an der Grenze zu Ägypten verbunden werden, die Israel an die Palästinenser abtritt und die auch schon nach dem UN-Teilungsplan Teil Palästinas werden sollten. Hier kann unter anderem ein Industriegebiet entstehen. Der Gazastreifen soll politisch von der Hamas wieder an die palästinensische Regierung zurückgehen.
Jerusalem: Jerusalem bleibt die ungeteilte Hauptstadt Israels, während das früher zu Jerusalem gehörende Abu Dis die Hauptstadt Palästinas werden soll.
Heilige Stätten: Der Status quo auf dem Tempelberg, der derzeit von der jordanischen Waqf-Behörde verwaltet wird, soll erhalten bleiben. Gefordert wird, dass künftig Menschen jeden Glaubens die Möglichkeit haben sollen, auf dem Tempelberg zu beten, was derzeit nur Muslimen erlaubt ist.
Infrastruktur: Die Territorien der beiden Staaten sollen mithilfe eines Netzwerks an Straßen, Brücken und Tunneln verbunden werden und so Bewegungsfreiheit sicherstellen und die Checkpoints reduzieren. Zwischen Westjordanland und Gazastreifen soll eine Hochgeschwindigkeitstraße entstehen. Gleichzeitig erhält der palästinensische Staat Zugang zu den Häfen in Haifa und Aschdod, um Güterverkehr abzuwickeln. Fünf Jahre nach Unterzeichnung des Friedensplans könnte über einen eigenen Hafen für Gaza und einen kleinen Flughafen nachgedacht werden.
Flüchtlinge: Der Konflikt habe ein palästinensisches und ein jüdisches Flüchtlingsproblem geschaffen. Die arabischen Flüchtlinge seien in einem Schwebezustand gehalten worden, um den Konflikt am Leben zu halten. Der Plan sieht drei Optionen für die arabischen Flüchtlinge vor: die Aufnahme in den palästinensischen Staat, die Integration in die arabischen Gastländer oder die Umsiedlung in andere Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit. Ein Fonds soll Kompensationszahlungen ermöglichen. Gleichzeitig müsse auch Israel einen Ausgleich für die Aufnahme der jüdischen Flüchtlinge erhalten.
Sicherheit: Der Plan setzt auf Vorrang der Sicherheit. Der palästinensische Staat soll demilitarisiert sein. Israel behält eine übergeordnete Sicherheitsverantwortung, was unter anderem eine volle Kontrolle über den Luftraum westlich des Jordan, eine Kontrolle der Zubringerstraßen zu den palästinensischen Gebieten und Baubeschränkungen in den Grenzregionen bedeutet.
Liberalisierung: Der künftige palästinensische Staat soll einer liberalen Ordnung folgen, also transparent sein, eine unabhängige Justiz, Menschenrechte, Religions- und Pressefreiheit sowie ein demokratisches System gewährleisten. Gleichzeitig soll die Korruption bekämpft, aufhetzende Passagen in Lehrplänen und Schulbüchern entfernt und die Zahlung von Renten an palästinensische Terroristen und deren Angehörige eingestellt werden.
Gefangene: Das Abkommen sieht eine Entlassung palästinensischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen vor, außer für verurteilte Mörder. Bedingung für die Entlassung ist ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und die Herausgabe aller Israelis, die sich in palästinensischer Hand befinden.
Wirtschaft: Bereits im Juni 2019 hatten die USA ihre wirtschaftliche Vision für die Lösung des Nahostkonflikts vorgestellt. Die Palästinenser sollen Wirtschaftshilfe von etwa 50 Milliarden Dollar erhalten. Vorgeschlagen wird eine Freihandelszone Palästinas mit Jordanien und den USA.
Arabische Länder: Vorgeschlagen wird eine breitere Kooperation zwischen Ägypten, Jordanien und Israel durch eine Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten.
Reaktionen anderer Staaten auf den Vorschlag waren unterschiedlich. So rief Saudi-Arabien die Palästinenser dazu auf, auf dieser Basis zu verhandeln, Ägypten wertete ihn als Beitrag zu Stabilität und Sicherheit, Katar und Jordanien hingegen betonten die Grenzen von 1967 als Grundlage für alle Friedensbemühungen.[22] Auch viele israelische Araber protestieren gegen den Friedensplan, da nach ihrer Auffassung Palästinenser sich nicht mit weniger als einem „palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt“ zufriedengeben werden. Das bestätigte Ayman Odeh, Vorsitzender der arabischen Partei Vereinte Liste, die derzeit mit 13 Sitzen in der Knesset vertreten ist.[23]
Auswirkung des 7. Oktober 2023
In Folge des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sank der Glaube an eine mögliche Zweistaatenlösung in Israel weiter.[24] Selbst grundsätzliche Befürworter, wie der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog nahmen Abstand. Auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz sagte er: „Ich bin zu dem klaren Schluss gekommen, dass man einen friedlichen Prozess mit seinen Nachbarn nicht akzeptieren kann, solange diese Terror verüben.“[25]
Am 18. Juli 2024 verabschiedete das israelische Parlament eine Resolution gegen die Anerkennung Palästinas. In der Resolution heißt es: „Ein palästinensischer Staat würde eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel und seine Bürger darstellen.“[26][27]
IGH-Gutachten 2024
Der Internationale Gerichtshof erklärte die israelische Besetzung der palästinensischen Territorien (Westjordanland, Gazastreifen und Ostjerusalem) in einem nicht bindenden Gutachten am 19. Juli 2024 für illegal. Das Gutachten beschuldigte Israel eines Verstoßes gegen die UN-Rassendiskriminierungskonvention und forderte die Zahlung von Reparationen.[1][2] Der Gerichtshof erklärte in dem Gutachten zudem, andere Staaten und internationale Organisationen dürften die Situation weder als legal anerkennen noch zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen.[28] Die UN-Generalversammlung forderte auf der Grundlage des Gutachtens im September 2024 den Rückzug Israels aus den palästinensischen Gebieten binnen eines Jahres.[3]
↑ZEIT ONLINE: Nahostkonflikt: Donald Trump spricht sich für Zweistaatenlösung aus. In: Die Zeit. 26. September 2018, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 30. Januar 2020]).
↑Krise im Nahen Osten: Israels Parlament verabschiedet Resolution gegen Palästinenserstaat. In: Der Spiegel. 18. Juli 2024, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 19. Juli 2024]).