Qinghai, veraltet nach UngerTsinghai[2] (chinesisch青海, PinyinQīnghǎi – „Türkisblaues Meer“, tibetischམཚོ་སྔོན་ཞིང་ཆེནWyliemtsho sngon zhing chen) ist eine Provinz der Volksrepublik China im Nordosten des tibetischen Hochlandes. Ihr Gebiet deckt bzw. überschneidet sich teilweise mit dem früher zum tibetischen Kulturraum gezählten Amdo, die heutigen Bewohner sind aber mehrheitlich Han-Chinesen.
Die Hauptstadt von Qinghai ist Xining, sie ist mit 1,68 Millionen Einwohnern auch die einzige Millionenstadt der Provinz. Die Stadt gilt seit vielen Jahrhunderten als Tor nach Tibet und Zentralasien. Datong und Ge'ermu (Golmud) folgen mit jeweils rund 200.000 Einwohnern.[3] Über die Hälfte des Terrains liegt auf 4000 bis 5000 Meter Höhe. Landwirtschaft ist bis zu 3200 Meter Höhe möglich. In der Provinz liegt der Nordostteil der Chang Tang, der tibetischen Hochebene. Außerdem befindet sich hier die Wüstenregion Qaidam-Becken.
Der im Qaidam-Becken gelegene Qinghai-See ist der größte Salzsee Chinas und liefert neben Salz auch Phosphate; daneben gibt es Bodenschätze in Form von Erdöl, Kohle und Eisenerz. Weitere große Seen sind der Gyaring-See und Ngoring-See im Quellgebiet des Gelben Flusses, der Hala-See im nördlichen Qilian Gebirge, der Donggi Cona, sowie zahlreiche Salzseen im östlichen Teil der Provinz.
Neben dem Huang He (Gelber Fluss) entspringt auch der Jangtsekiang (Jangtse) im östlichen Qinghai. Das Einzugsgebiet dieser beiden Flüsse weist die höchste Bevölkerungsdichte der ansonsten dünn besiedelten Provinz aus.
Das Klima ist kontinental: trockenkalt mit langen Wintern und kurzen Sommern.
Geschichte
Es gab seit dem Ende des großtibetischen Reiches, dem mit den Tsenpos (btsan po) ein Kaiser-gleicher Herrscher vorstand, kein auf dem ganzen tibetischen Hochland geeintes Tibet mehr. Insbesondere Osttibet bestand aus einer Vielzahl kleiner und mittelgroßer Reiche und Gebiete, die teilweise der Lhasa-Regierung der späteren Dalai Lamas, teilweise chinesischen Provinzen unterstanden und teilweise in hohem Maße eigenständig waren. Seit etwa 1727 wurden der als Kukunor-Territorium bezeichnete Norden Khams und der größte Teil Amdos von Xining aus verwaltet, einer Stadt, die bis ins frühe 20. Jahrhundert der Provinz Gansu untergeordnet war.
Aus diesem Verwaltungsraum ging 1928 die heutige Provinz Qinghai hervor, deren Großteil von 1912 bis 1949 aber weiterhin von aus Gansu stammenden muslimisch-chinesischen Hui-Gouverneuren und Warlords (Xibei San Ma) statt von der Regierung der chinesischen Republik oder der tibetischen Regierung in Lhasa beherrscht wurde.
Schon 1781–84 hatten sich die Hui-Muslime gegen die chinesische Zentralregierung erhoben, 1807 kam es zu einem Aufstand der tibetischen Stämme. Zuletzt wurde in der Region im Oktober 1993 eine muslimische Erhebung von den Behörden unterdrückt.[4] Im Jahr 2008 griffen tibetische Unruhen kurzzeitig auch auf Qinghai über.
Am 14. April 2010 wurde die Region von einem Erdbeben der Stärke 7,1 erschüttert, bei dem mindestens 400 Menschen getötet, 8000 verletzt und weit mehr obdachlos wurden.[5]
Administrative Gliederung
Die Provinz Qinghai besteht aus einer bezirksfreien Stadt, einem Regierungsbezirk und sechs Autonomen Bezirken. Autonome Bezirke sind Regionen, in denen ethnische Minderheiten (in Qinghai Tibeter und Mongolen) mehr Rechte zur Selbstverwaltung haben, aber immer noch unter der Kontrolle der Zentralregierung stehen.
Die Autonomen Bezirke erstrecken sich über 98,9 % der Fläche und beherbergen 3,5 Millionen Einwohner (59,1 %). Gut 96 % der Fläche bzw. 55 % der Bevölkerung Qinghais sind Teil von tibetischen Autonomiegebieten.[6] Der größte Autonome Bezirk Haixi wird jedoch zusammen mit der dort auch ansässigen mongolischen Minderheit verwaltet. Knapp ein Drittel der Bevölkerung lebt in von den Hui verwalteten Kreisen. Den Einwohnerzahlen liegt der Zensus 2020 zugrunde.[1]
Autonomer Bezirk Haibei der Tibeter མཚོ་བྱང་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། mtsho byang bod rigs rang skyong khul 海北藏族自治州 Hǎiběi Zàngzú zìzhìzhōu 33.350 km² 265.322 Einwohner (2020)
Autonomer Bezirk Haixi der Mongolen und Tibeter མཚོ་ནུབ་སོག་རིགས་ཆ་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། mtsho nub sog rigs dang bod rigs rang skyong khul 海西蒙古族藏族自治州 Hǎixī Měnggǔzú Zàngzú Zìzhìzhōu 300.855 km² 468.216 Einwohner (2020)
Autonomer Bezirk Hainan der Tibeter མཚོ་ལྷོ་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། mtsho lho bod rigs rang skyong khul 海南藏族自治州 Hǎinán Zàngzú zìzhìzhōu 43.377 km² 446.996 Einwohner (2020)
Autonomer Bezirk Huangnan der Tibeter རྨ་ལྷོ་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། rma lho bod rigs rang skyong khul 黄南藏族自治州 Huángnán Zàngzú Zìzhìzhōu 17.909 km² 276.215 Einwohner (2020)
Autonomer Bezirk Golog der Tibeter མགོ་ལོག་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། mgo log bod rigs rang skyong khul 果洛藏族自治州 Guǒluò Zàngzú zìzhìzhōu 76.442 km² 215.573 Einwohner (2020)
Autonomer Bezirk Yushu der Tibeter ཡུས་ཧྲུའུ་བོད་རིགས་རང་སྐྱོང་ཁུལ། yus hru’u bod rigs rang skyong khul 玉树藏族自治州 Yùshù Zàngzú zìzhìzhōu 197.954 km² 425.199 Einwohner (2020)
Die fünf größten Städte der Provinz mit Einwohnerzahlen der eigentlichen städtischen Siedlung auf dem Stand der Volkszählung 2020 sind die folgenden:[7]
Die Bevölkerung ist multi-ethnisch: Der gebirgige Westen wird von Nomaden bevölkert. Gut die Hälfte der Bevölkerung besteht aus Han (50,5 %), der Rest sind Tibeter (25,5 %), Hui (16 %), Tu (4 %), Mongolen (1,7 %), Tujia (0,2 %) sowie viele kleinere andere Ethnien (darunter u. a. Mandschu, Yi, Salar und Dongxiang).[9] Die tibetische Dialekte sprechenden Volksgruppen nennen sich allerdings nicht Böpa (bod pa), wie der tibetische Begriff für Tibeter lautet, sondern Amdowa (a mdo pa) und Khampa (khams pa).
Die meisten Tu und viele Mongolen sind wie die Tibeter lamaistische Buddhisten. Hui, Salar und Dongxiang sind überwiegend Muslime.
Wirtschaft
Unter Tibetern und Mongolen ist nach wie vor die Wanderviehwirtschaft (Yaks, Schafe, Kaschmirziege, Pferde) auf dem Tibet-Qinghai-Plateau, der Hochebene, die im Süden bis nach Tibet reicht, vorherrschend. Im Nordosten der Provinz dominiert die sesshafte Landwirtschaft, insbesondere bei den islamischen Völkern Qinghais (Hui, Dongxiang, Salar), z. T. aber auch bei den tibetisch-buddhistischen Tu (Mongour).
In Qinghai und den benachbarten Provinzen Ningxia und Gansu wird die Tradition der Hua’er-Volkslieder (Blumenlieder) gepflegt. Es gibt eine Vielzahl populärer Melodien; die Texte werden häufig improvisiert und behandeln alle Themen des Lebens.[11] Ein Schwerpunkt liegt auf der Liebe, aber auch Themen des modernen Lebens werden in dieser lebendigen Tradition besungen. Neben spontanem Gesang bei der Arbeit und in der Freizeit werden auch Hua’er-Treffen organisiert. Das größte findet im Sommer mit hunderttausenden Besuchern statt.
2009 wurde Hua’er von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[12]
Die Provinz als Namensgeber
Der am 3. November 1977 entdeckte Asteroid (2255) Qinghai trägt seit 1981 den Namen der Provinz.[13]
Literatur
Amnye Machen Institute: རྒྱ་དམར་གྱི་བཙན་འོག་ཏུ་གནས་པའི་བོད་དང་ས་འབྲེལ་ཁག་གི་ས་ཁྲ།WylieRgya dmar gyi btsan 'og tu gnas pa'i bod dang sa 'brel khag gi sa khra – Tibet and Adjacent Areas under Communist China’s Occupation – 1:3,200,000, Dharamsala 1998, ISBN 978-81-86227-16-9 (tibetisch).
Andreas Gruschke: Demographie und Ethnographie im Hochland von Tibet, in: Geographische Rundschau, 49 (1997), Heft 5, S. 279–286.
Andreas Gruschke: The Cultural Monuments of Tibet’s Outer Provinces: Amdo, White Lotus Press, Bangkok 2001, 2 Bände: The Qinghai part of Amdo, ISBN 978-974-7534-59-7; The Gansu and Sichuan parts of Amdo, ISBN 978-974-7534-90-0 (englisch).
Gyurme Dorje: Footprint Tibet Handbook, 4th ed., Footprint, Bath 2009, ISBN 978-1-906098-32-2 (englisch).