Die Stadt ist keltischen Ursprungs: Der Stamm der Piktonen gründete das OppidumLemonum strategisch günstig auf einem Bergsporn zwischen den hier zusammentreffenden Flüssen Clain und Boivre. Unter römischer Herrschaft hieß Poitiers Pictavium. Die Stadt erhielt eine römische Stadtanlage mit einem noch heute sichtbaren Achsenkreuz, bestehend aus dem Decumanus Maximus (heute Grande Rue) und dem Cardo (heute Rue Arsène Orillard). Seit dem 2. Jahrhundert ist in Poitiers eine christliche Gemeinde bezeugt, die spätestens mit der Wahl von Bischof Hilarius (315–368) überregionale Bedeutung erlangte. Frühstens ab dem Jahr 418 übernahm Poitiers wichtige politische und wirtschaftliche Aufgaben im Tolosanischen Reich der Westgoten.
Unweit der Stadt unterlagen diese 507 in der Schlacht von Vouillé den Franken. Die fränkischen Merowinger und Karolinger veranlassten den Bau zahlreicher Kirchen innerhalb der gallo-römischen Ummauerung, sowie am Alten Markt und am Ufer des Boivre. 558 gründete Radegundis von Thüringen mit Unterstützung Chlothars nahe der Stadt das Kloster Sainte-Marie-hors-les-Murs. In der Schlacht bei Tours und Poitiers (732) stoppte der Franken-Herrscher Karl Martell das weitere Vordringen der Araber und Mauren nach Mitteleuropa. Im 8. Jahrhundert wurde Poitiers das Zentrum der Grafschaft Poitou. Mit der Übertragung des Herzogstitels der Aquitaine auf die Grafen des Poitou Ende des 10. Jahrhunderts stieg Poitiers zur Hauptstadt des gesamten südwestfranzösischen Raumes zwischen Loire und Pyrenäen auf. Unter der Herrschaft Eleonores von Aquitanien erlebte Poitiers eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte, doch begann bei ihrer Eheschließung mit Heinrich II. Plantagenet auch der Konflikt mit England.[1]
1356 wurde der französische König Johann der Gute nach der Schlacht von Maupertuis zwischen England und Frankreich in Poitiers gefangen genommen. 1369 wurde die Stadt von Frankreich zurückerobert. Weil Paris in dieser Zeit unter englischer Besatzung stand, wurde die Regierung von Karl VII. von 1423 bis 1436 nach Poitiers verlegt. Hier gründete der Monarch 1431 auf Verfügung des Papstes die Universität Poitiers. Ab 1527 entstanden mehrere protestantische Gemeinden im Poitou, viele von ihnen suchten Zuflucht in der zur hugenottischen Festung ausgebauten Stadt La Rochelle. Das Edikt von Poitiers, das am 17. September 1577 im Anschluss an den Frieden von Bergerac erlassen wurde, beendete den sechsten Hugenottenkrieg durch weitgehende Zugeständnisse an die Protestanten und bestätigte dabei im Wesentlichen die Bestimmungen des Friedens von Saint-Germain von 1570. Zu dieser Zeit hatte Poitiers seine frühere wirtschaftliche und politische Bedeutung weitgehend verloren. Die Stadt blieb jedoch Sitz des Erzbistums Poitiers.[1] Ab dem 20. August 1685, nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, kam es unter den vom Marquis d’Asfeld[2] kommandierten Truppen zu Verfolgungen und Zwangskonvertierungen gegen die Protestanten.
In der Folge entwickelte sich die Bevölkerungszahl der Stadt nur noch langsam und war zeitweise auch rückläufig. So hatte Poitiers Mitte des 16. Jahrhunderts rund 15.000 Einwohner. Die Zahl wuchs auf 25.000 innerhalb eines Jahrhunderts an, sank dann aber bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf zwischen 17.500 und 18.140. Im Jahr der Französischen Revolution hatte Poitiers 21.000 Einwohner, zu Beginn des 19. Jahrhunderts war diese Zahl auf 16.000 gesunken. Die Industrialisierung der Stadt blieb im 19. Jahrhundert weitgehend aus. Mit der Ernennung von Poitiers zum Hauptort des Départements Vienne und der Errichtung einer Garnison unter Napoléon Bonaparte sollten der Stadt wirtschaftliche Impulse gegeben werden, da auch die Universität, mit wenigen hundert Studenten, in der Bedeutungslosigkeit versunken war. Diese Politik trug Mitte des 19. Jahrhunderts erste Früchte. 1881 waren fast 10 % der Stadtbevölkerung Angehörige des Militärs, hinzu kamen neue Zuwanderer aus dem agrarisch geprägten Umland. Um 1900 arbeiteten 41 % der Erwerbstätigen in kleinen Handwerks- und Gewerbebetrieben. Dennoch wuchs das Siedlungsgebiet nur geringfügig. 1931 lebten rund 40.000 Menschen in der Stadt.[1]
Das Camp de La Chauvinerie entstand nach dem Waffenstillstand von Compiègne (1940) zunächst als Frontstalag, in dem die deutsche Wehrmacht die sogenannten „tirailleurs sénégalais“ (Senegalesische Schützen) unterbrachte. Diese französischen Kriegsgefangenen, die aus Subsahara-Afrika, aber auch aus Madagaskar, den Antillen und Indochina stammten, wollte das Nazi-Regime nicht auf deutschem Boden haben und brachte sie in Frontstalags in der Besetzten Zone (Nordzone) unter.[3] In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurden dann im Camp de La Chauvinerie Tausende deutscher und ungarischer Kriegsgefangener interniert und zusätzlich Männer, Frauen und Kinder, die vor allem bei den Kämpfen um Elsass und Lothringen im Winter 1944 evakuiert worden waren, aber auch verhaftete deutsche Zivilisten.[3]
Aus dem 12./13. Jahrhundert stammen die Reste der ehemaligen Befestigungsanlage, die als „Mauer der Eleonore von Aquitanien“ bekannt sind. Erhalten blieben Teile der Stadtmauer sowie die im Tal der Boivre errichteten Türme. Letztere beherbergen gegenwärtig Einrichtungen der Postbehörde.
Die ehemalige Residenz der Grafen von Poitiers hat ihren gegen Ende des Mittelalters eingerichteten, „Tour Maubergeon“ genannten Donjon bewahrt. Er beherbergte bis 2019 den Justizpalast.
Ebenfalls erhalten blieben die Türme des Schlosses von Jean I. de Berry, der Burg Clain am Zusammenfluss des Clain und der Boivre.
In der Altstadt sind, insbesondere im Bereich der Rue de la Chaîne, des Place du marché Notre-Dame, der Rue de la Regratterie und der Rue des Vieilles Boucheries zahlreiche schöne Fachwerkhäuser zu finden.
Unter den sogenannten „Hôtels Particuliers“, das heißt den ehemaligen Stadtpalästen des gehobenen Bürgertums, sind das Hôtel Fumé und das Hôtel Berthelot in der Rue de la Chaîne zu nennen, in denen gegenwärtig die Fakultät für Geschichte und Geisteswissenschaften der Universität angesiedelt ist, sowie das Hôtel du Puyarreau.
Von kunsthistorischer Bedeutung sind die frühchristliche Taufkapelle St. Jean (im Kern 6. Jahrhundert mit möglicherweise älteren Vorgängern), einer der ältesten erhaltenen Sakralbauten Frankreichs, die romanischen Kirchen St. Hilaire-le-Grand und Sainte-Radegonde, die der Gegenwart von herausragenden Persönlichkeiten in Poitiers, wie dem heiligen KirchenlehrerHilarius von Poitiers und der heiligen Radegundis, der Gattin Chlothars I. zu verdanken sind, sowie die Kirche Notre-Dame la Grande.
Die Entstehungszeit der Taufstelle beim späteren Baptisterium Saint-Jean, ursprünglich in einem römischen Haus eingerichtet, wird nach neuen Untersuchungen und dendrochronologischen Daten bereits in das 5. Jahrhundert datiert. Die erste Bauphase mit dem Rechtecksaal des heutigen Baptisteriums könnte nach dem Erscheinungsbild der Anlage dem 6. Jh. angehören.
Auch die Kirche Ste. Radegonde (11./13. Jahrhundert) ist im romanischen Stil errichtet. Sie ersetzte eine im 6. Jahrhundert auf Betreiben der heiligen Radegundis († 587) gebaute Kirche. Die ebenfalls auf Initiative von Radegundis gegründete Abtei Sainte-Croix musste im 19. Jahrhundert größtenteils dem Bau einer Straße weichen.
Notre-Dame la Grande, die spätromanische Kirche (12. Jahrhundert) ist für ihren außergewöhnlich reichen plastischen Fassadenschmuck berühmt.
Die Kathedrale St. Pierre (12./13. Jahrhundert) wurde in Anlehnung an den Stil der poitevinischen Romanik als Hallenkirche errichtet und stellt ein in der Gotik eher seltenes Beispiel für diesen Bautypus dar. Romanisch sind die östlichsten Joche der Kathedrale, doch gingen die Baumeister im Laufe des Baufortschritts zum Baustil der Gotik über.
Auch die ehemaligen Klosterkirche St. Jean de Montierneuf (11. Jahrhundert) zeigt den Übergang von der Romanik (Basis) zur Gotik (Chorhaupt).
Im Westen der Stadt, westlich des Flughafens, verläuft die Autoroute A10 (L'Aquitaine), die in diesem Bereich Teilstück der Europastraße 5 ist. An zwei Anschlussstellen (29: Poitiers-Nord und 30: Poitiers-Sud) bestehen Auffahrtsmöglichkeiten.
In der Partnerstadt Marburg findet seit vielen Jahren erfolgreich ein jährlicher Schüleraustausch zwischen dem Lycée du bois d'amour und der Martin-Luther-Schule (Marburg) statt. Zusätzlich begegnen Schülerinnen und Schüler der ersten Fremdsprache der Martin-Luther-Schule alle zwei Jahre Austauschpartnern des collège Rabelais in Poitiers.
Über lange Jahre hinweg betrieb das Parler-Gymnasium, Schwäbisch Gmünd, einen intensiven Austausch mit Poitiers. Das Collège Jardin des Plantes in Poitiers führt seit 1975 regelmäßig Austauschprogramme mit der Partnerschule Realschule Hochheider Weg in Oldenburg durch.
Das Lycée Camille Guérin und das Gymnasium Philippinum Marburg waren seit 1967 partnerschaftlich verbunden. Es fanden jährliche Austauschfahrten zwischen Schülerinnen und Schülern der Seconde (Camille Guérin) und der 10. Klasse (Philippinum) statt. Inzwischen findet dieser Austausch nicht mehr statt.
Das Collège Camille Guérin und das Gymnasium Köln-Rodenkirchen betreiben seit mehr als 15 Jahren jährlich einen Austausch.
Das Collège Henri IV und das Katharinen-Gymnasium in Ingolstadt betreiben schon über viele Jahre einen Schüleraustausch.
Das Collège La Providence und das Lycée Isaac de l’étoile führen jedes Jahr einen Austausch mit der erzbischöflichen Schule Marienberg, Neuss durch.
Die Universität Poitiers wurde 1431 von Karl VII. gegründet. Poitiers hat damit die zweitälteste Universität in Frankreich. Denker wie François Rabelais, René Descartes und Francis Bacon besuchten die Universität. Heute ist Poitiers eine der größten Studentenstädte in Frankreich – die Stadt hat mehr Studenten pro Einwohner als jede andere französische Universitätsstadt.
↑ abcAlfred Pletsch, Hansjörg Dongus, Henrik Uterwedde: Frankreich – Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik. Hrsg.: Werner Storkebaum (= Wissenschaftliche Länderkunden). Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, Darmstadt 1997, ISBN 3-534-11691-7, S.136ff.
↑Jean-Christian Petitfils: Louis XIV. Ouvrage couronné par l’Académie française (= Marguerite de Marcillac [Hrsg.]: Collection tempus. Nr.8). 6. Auflage. Éditions Perrin, Paris 2018, ISBN 978-2-262-07504-0, S.523.
↑ abJean-Jacques Boissonneau: 1940–1946 : l’histoire oubliée des camps de La Chauvinerie. In: La Nouvelle République, 18. September 2012 (Online).