Peter Paul Rubens wurde vermutlich am 28. Juni 1577 als Sohn von Jan Rubens und Maria Pypelinckx in Siegen (Grafschaft Nassau-Dillenburg) geboren. Er hatte sechs Geschwister. Das Geburtsdatum ist nicht zweifelsfrei bezeugt, da nur ein Kupferstich, der neun Jahre nach Rubens’ Tod entstand, auf den 28. Juni verweist. Möglich wäre ebenfalls der 29. Juni als Gedenktag der römisch-katholischen Kirche für Peter und Paul.[1]
Nachdem er und Anna ein Verhältnis begonnen hatten, wurde Jan um den 10. März 1571 auf dem Weg nach Siegen verhaftet und kam in das Gefängnis im Dillenburger Schloss. Auf die beharrliche Fürsprache seiner Frau Maria wurde die Haft nach zwei Jahren in Hausarrest umgewandelt, den die Familie Rubens in Siegen verbrachte. 1578, ein Jahr nach Annas Tod und Peter Pauls Geburt, durfte die Familie wieder nach Köln zurückkehren.
Annas Tochter Christine von Diez (22. August 1571–1638) gilt als Kind von Jan Rubens und damit als Halbschwester von Peter Paul Rubens.[2]
Nach dem Tod von Jan Rubens 1587 zog Maria Pypelinckx mit den Kindern zurück nach Antwerpen. Nachdem Peter Paul gemeinsam mit anderen Söhnen der Antwerpener Oberschicht die Lateinschule von Rumoldus Verdonck (1541–1620) besucht hatte, wurde er einige Monate als Page an den Hof von Marguerite de Ligne (1552–1611) gegeben, der Witwe von Philip de Lalaing (1537–1582), dem Gouverneur des Hennegaus.
Lehrzeit
Seit 1592 widmete er sich der Kunst und hatte nacheinander die Maler Tobias Verhaecht (auch T. Verhaegt), Adam van Noort und Otto van Veen als Lehrer. 1598 schloss er die Lehre ab und wurde in die Malergilde zu Antwerpen aufgenommen.
Die Kunstschätze des Herzogs, die FreskenGiulio Romanos sowie die Arbeiten Mantegnas in Mantua boten ihm reiche Anregungen für sein Schaffen. Nach längerem Aufenthalt in Rom begab sich Rubens 1603 als Überbringer kostbarer Geschenke des Herzogs an den spanischen Hof nach Madrid. 1604 nach Mantua zurückgekehrt, malte er ein Triptychon mit der heiligen Dreifaltigkeit für die dortige Jesuitenkirche. 1605 ging er nach Rom, wo er ein dreiteiliges, auf Schiefertafeln ausgeführtes Altarbild für Santa Maria in Vallicella (Madonna mit sechs Heiligen) zu malen begann (1608 vollendet). 1607 besuchte er mit dem Herzog Genua, wo er die Marchesa Spinola malte, und Mailand.
Rückkehr nach Antwerpen
Die Nachricht von der Krankheit seiner Mutter rief ihn im Herbst 1608 nach Antwerpen zurück. Die Trauer über ihren Tod sowie das Versprechen der Statthalter der spanischen Niederlande, Erzherzog Albrecht und Isabella, ihn zum Hofmaler zu ernennen, hielten ihn dort fest. Rubens’ wichtigster Mäzen wurde der mehrfach amtierende Bürgermeister von Antwerpen, Nicolaas Rockox (Rubens’ Bruder Philipp war dessen Sekretär). In Rockox’ Haus lernte Rubens Isabella Brant (* 1591; † 1626) kennen, mit der er sich am 3. Oktober 1609 vermählte.[4] Die Aufträge des Bürgermeisters („Die Anbetung der Heiligen Drei Könige“, 1609, für das Antwerpener Rathaus, unmittelbar folgend „Samson und Delila“ für sein privates Wohnhaus) verhalfen Rubens dazu, sein Können in kürzester Zeit bekanntzumachen und weitere lukrative Aufträge der Oberschicht zu erhalten. Am 9. Januar 1610 erfolgte schließlich Rubens’ Vereidigung zum Hofmaler der Erzherzöge,[5] schon am 23. September 1609 war er dazu ernannt worden.[6] 1611 gründete Rubens ein eigenes prächtiges Heim, in dem er seine reiche Kunstsammlung unterbrachte. In demselben Jahr wurde auch seine erste Tochter Clara geboren, die Motiv seines Werkes wurde.
Sein Atelier füllte sich bald mit Schülern. Die ersten Bilder dieser Periode sind die Anbetung der Könige (1610, Museum zu Madrid), der Altar des heiligen Ildefonso (Wien), ein fein ausgeführtes Werk mit zarten Farben (damals begonnen, aber erst nach 1630 vollendet), und das bekannte Bild in der Alten Pinakothek zu München, welches ihn und seine Frau in einer Laube sitzend darstellt.
Die dramatisch bewegten Gemälde Kreuzaufrichtung[7] von 1610 und Kreuzabnahme von 1611 (beide in der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen) lassen an Michelangelo und Caravaggio denken. Rubens wurde schnell reich, hochgeehrt, und die Zahl seiner Schüler wuchs beständig.
Paris
1622 rief ihn Maria de’ Medici nach Paris, um ihren dort erbauten Palais du Luxembourg mit Darstellungen der denkwürdigsten Begebenheiten ihres eigenen Lebens zu schmücken (sog. Medici-Zyklus, ca. 1622–1625). Rubens entwarf die Skizzen (Alte Pinakothek München) und ließ danach von seinen Schülern die Gemälde ausführen, die er in der Schlussfassung überarbeitete, als er 1625 die Gemälde selbst nach Paris brachte (jetzt im Louvre).[8] Zwischen 1622 und 1623 malte Rubens die Kartons zu Tapisserien der Serie Histoire de Constantin für Ludwig XIII., die in der Manufacture des Gobelins gefertigt wurden.[9]
Spanien
Nachdem Rubens schon seit 1623 als Diplomat in den Diensten der Erzherzogin Isabella zum Zweck von Friedensverhandlungen tätig gewesen war, sandte ihn 1628 die Erzherzogin in gleicher Absicht nach Spanien.
Rubens gewann das Vertrauen des Königs, wurde Sekretär des Geheimen Rats und führte während seines Aufenthalts in Madrid mehrere Werke aus. Von Madrid wurde er 1629 nach London gesandt, um mit dem König über einen Frieden zwischen Spanien und England zu verhandeln.
Diesen Vorbesprechungen ist zu verdanken, dass 1630 der Friedensvertrag unterzeichnet wurde. König Karl I. von England schlug ihn deshalb zum Ritter. Auch in London war er als Maler tätig. In der Folge wurde er noch zu mehreren Staatsgeschäften gebraucht, die ihm jedoch geringere Ehren einbrachten.
Zweite Heirat
Nach dem Tod seiner ersten Frau vermählte er sich 1630 mit der 17-jährigen Helene Fourment, die ihm häufig als Modell diente. In den späteren Jahren seines Wirkens entwarf er, da sich die Aufträge zu sehr häuften, fast nur noch die Skizzen selbst; die Ausführung überließ er größtenteils seinen Schülern. Bei Übernahme von Arbeiten wurde häufig ausgemacht, welche Schüler ihm helfen durften. Rubens lebte jetzt abwechselnd in der Stadt und auf seinem Landsitz Kasteel Steen in Elewijt bei Mechelen. Seit 1635 malte er meist Staffeleibilder von feinerer Ausführung.
Tod und Nachlass
Peter Paul Rubens starb am 30. Mai 1640 im 63. Lebensjahr in Antwerpen nach längerem Leiden an der Gicht. Über seiner Grabstätte in der St.-Jakobskirche zu Antwerpen steht eines seiner Werke, welches die Madonna mit dem Kind und mehreren Heiligen darstellt. Seine Witwe Helene beauftragte den aus Münster stammenden Maler Johann Bockhorst, der einer seiner engen Mitarbeiter gewesen war, unvollendete Arbeiten ihres Mannes fertigzustellen.
Der Erlös aus dem Verkauf seines Nachlasses belief sich auf 1.010.000 Gulden. 1840 wurde in Antwerpen auf dem Groenplaats zunächst eine von Willem Geefs modellierte Gipsstatue errichtet, deren Bronzestatue schließlich 1843 enthüllt wurde. 1877 wurde der 300. Geburtstag von Rubens sowohl in Antwerpen als auch in Siegen feierlich begangen.
Bildsprache
Rubens’ Werke sind geprägt durch Licht und Farbigkeit. Seine Freude an der sinnlichen Erscheinung bildet einen scharfen Gegensatz zu der weltentrückten Frömmigkeit der Andachtsbilder der älteren Schule. Seine religiösen Kompositionen kamen den katholischenReformbestrebungen, die in erster Linie durch die Jesuiten vertreten wurden, sehr entgegen, weshalb ihn auch die Jesuiten 1620 mit der Ausschmückung ihrer Kirche in Antwerpen betrauten und er bis an sein Lebensende der bevorzugte Kirchenmaler der katholischen Welt blieb.
Er widmete sich auch mythologischen Gegenständen. Er malte Akte mit leuchtender Fleischfarbe. Er bildete nicht nur ausgekleidete Modelle nach, sondern schuf auch Gestalten, welche, wie die der Griechen und Römer, an Nacktheit gewöhnt waren.
Seine Bilder zeichnen sich durch eine allegorische Bildsprache mit mythologischer Symbolik aus. Dabei werden die Zeichnungen vielfach zu eigenen Werken, die die späteren Gemälde in der Formulierungskraft übertreffen. So zeichnet Rubens für die große Antwerpener Kreuzaufrichtung die Halbfigur des gekreuzigten Jesus als triumphierenden Jüngling – als eine seiner vielen „Vorratserfindungen“, die er in keinem seiner Werke unterbrachte. Vergleichbarer Pathos spricht aus Prometheus, der dem Betrachter aus dem Bild entgegenrutscht, oder der tote Christus, der wie ein Stein vom Kreuze fällt. Rätsel sprechen aus hockenden, sinnenden Frauengestalten wie Hagar oder Susanna – und viele dieser Zeichnungen verwahrte er nur für sich selbst. Manche private Zeichnung in der Familie wirkt wie ein Schnappschuss.
Rubens’ Streben ging auf Lebendigkeit der Darstellung und auf koloristische Wirkung. Die erloschene religiöse Begeisterung suchte Rubens, ohne sich jedoch in den Dienst einer kirchlichen Richtung zu stellen, dadurch wieder anzufachen, dass er ruhende Gegenstände in lebhaft bewegter Weise malte.
Rubens hat etwa 1500 Bilder hinterlassen, von denen freilich ein großer Teil von Schülerhänden ausgeführt und von ihm nur ergänzt worden ist. Neben den bereits genannten religiösen Bildern ist das jetzt im Kunsthistorischen Museum in Wien befindliche Bild des heiligen Ignatius von Loyola, der den Teufel austreibt, besonders typisch für Rubens.
Er hat zahlreiche dramatische Bilder geschaffen: der Sturz der rebellischen Engel, der Sturz der Verdammten, das große und kleine Jüngste Gericht, das apokalyptische Weib, die Niederlage Sanheribs und der bethlehemitische Kindermord (sämtlich in der Alten Pinakothek). Von anderen biblischen Darstellungen sind zu nennen: das Urteil Salomos, Samson und Delila, Christus und die bußfertigen Sünder, Lot mit Frau und Töchtern von zwei Engeln aus Sodom geleitet (bei Mr. Butler zu London), zahlreiche Darstellungen der Anbetung der Könige und der Himmelfahrt Mariä (letztere zu Antwerpen, Brüssel, Düsseldorf, Wien), die Kreuzigung Petri (Peterskirche zu Köln), die Kreuzigung Christi (Coup de lance (Stoß mit der Lanze), Antwerpen), die Kreuztragung Christi (Brüssel) und die Hl. Cäcilia (Berlin).
Er entnahm dem klassischen Altertum eine große Zahl von Bildern, zum Teil aus der Göttergeschichte, besonders aus dem bacchischen Kreis (zahlreiche Bacchanalien), zum Teil aus der Heroengeschichte (Decius Mus in Wien). Hervorzuheben sind: der Raub der Töchter des Leukippos, die Amazonenschlacht und der sterbende Seneca (München), das Venusfest und Boreas und Oreithyia (Wien), Jupiter und Kallisto (Kassel), Neptun und Amphitrite (Wien), die gefesselte Andromeda und Bacchanal (Berlin), das Urteil des Paris (Madrid) und Neptun auf dem Meer (Dresden, ein Teil der unter Rubens’ Leitung ausgeführten Dekorationen zum Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand zu Antwerpen, 1635).
Rubens stellte gerne das Naturleben und Kinder dar. Bemerkenswert ist Die Früchtegirlande, eine Darstellung von sieben Kindern (Alte Pinakothek, München), welche ein mächtiges Feston aus Früchten tragen. Dieses Bild schuf er gemeinsam mit dem Stillleben- und Tiermaler Frans Snyders und dem Landschaftsmaler Jan Wildens.
In seinen Tierbildern, die zum Teil in Gemeinschaft mit Frans Snyders entstanden sind, entfaltet Rubens ebenfalls Lebendigkeit und dramatische Kraft. Es sind zumeist Jagden, unter denen die Löwenjagd (München), die Wolfsjagd (bei Lord Ashburton), die Wildschweinjagd (Dresden) und die Hirschjagd der Diana (Berlin) in erster Reihe stehen.
Von Rubens gibt es sowohl Landschaften, die vorwiegend aus der Fantasie hervorgegangen sind und die Elemente in Aufruhr zeigen (Odysseus an der Küste der Phäaken in Florenz, Überschwemmung mit Philemon und Baucis in Wien), als auch solche, die Rubens’ Heimatland darstellen (Landschaft mit dem Regenbogen in München, Abendlandschaft in Petersburg).
Zu seinen wenigen Genrebildern zählen Bauernkirmes und Turnier im Louvre sowie Bauerntanz in Madrid. Von den Konversations- und Schäferstücken existiert DerLiebesgarten in vielen Exemplaren, von denen aber das Bild in Madrid, nicht das in Dresden, als das Original zu betrachten ist. Ein anderes Konversationsstück befindet sich unter dem Namen Der Schlosspark im Belvedere zu Wien.
Unter seinen zahlreichen Bildnissen gehört das Bild im Palazzo Pitti zu Florenz, bekannt unter dem Namen der vier Philosophen, welches Justus Lipsius, Ioannes Wowerius, Philip Rubens und den Künstler selbst vorstellt, seiner frühesten Zeit an. Im Schloss Windsor befinden sich Bildnisse von Rubens und seiner Frau, in der Nationalgalerie zu London sein Familienporträt, in München das Bild seiner Frau mit Kind und das Doppelbildnis seiner Söhne in der Galerie Liechtenstein zu Wien.
Das Bildnis des Doktors van Tulden hängt in der Pinakothek zu München. Das unter dem Namen Strohhut bekannte Bildnis eines Mädchens in der Nationalgalerie zu London zeichnet sich durch sein Helldunkel aus, und das Bildnis der nur mit einem Pelz bekleideten Hélène Fourment in Wien ist gekonnt modelliert.
Wirkung und Einfluss auf sein Umfeld
Wenige Künstler haben auf ihre Zeit einen so nachhaltigen Einfluss ausgeübt wie Rubens. Es gibt keinen Zweig der flämischen Malerei, auf den er nicht bestimmend eingewirkt hätte. Schon zu seinen Lebzeiten wurde er als Künstler-Unternehmer bewundert, und seine Werkstatt war in ganz Europa berühmt. Außerordentlich groß war daher auch die Zahl seiner Schüler.
Rubens erkannte früh die Möglichkeiten, die der Kupferstich für die Reproduktion und die Verbreitung seiner Werke eröffnete. In seinem Betrieb sorgte er daher für die Heranbildung ausgezeichneter Kupferstecher, wie Lucas Vorsterman, Schelte a Bolswert, Paulus Pontius und anderen. Auf Rubens’ Kosten wurden die Kupferstiche für den Handel produziert. Auch die alte Methode des Holzschnitts diente zur Verbreitung Rubensscher Werke. Rubens arbeitete ebenfalls in Zusammenarbeit mit Druckern oder Verlegern unter Einsatz seiner Werkstatt als Buchkünstler an der Ausstattung (Buchillustrationen, Titelbilder) von Büchern.[10]
(Mal-)Technik
Den Handzeichnungen und den Ölskizzen widmete sich im Herbst 2004 eine Ausstellung in der Wiener Albertina, die dadurch Rubens’ mehrstufigen Arbeitsprozess erhellt. Er war legendär in der malerischen Schnellschrift seiner Ölskizzen, durch die er zuerst seine eigene Vorstellung über geplante Werke entwickelte und dann mit Auftraggeber und Werkstatt kommunizierte.
Die Vorarbeit umfasste mindestens: gezeichnete Entwürfe, monochrome Skizzen, farbige Ölskizzen (für die figurenreiche Komposition) und Zeichnungen, welche die einzelnen Motive vergrößerten. Letztere waren die Vorgabe für die Ausführung im Gemälde oder Stich.
Die eigentliche Umsetzung erfolgte dann zum großen Teil von Werkstattsmitgliedern, während Rubens sich fast ausschließlich auf die Kontrolle beschränkte. Lediglich Korrekturen wurden vom Meister noch selbst ausgeführt. Dieses wurde möglich durch die virtuose Vorarbeit der oben beschriebenen Öl-Skizzen, die dann den anderen Künstlern der Werkstatt als Blaupause diente. Diese Arbeitsweise war für damalige Zeit nichts Ungewöhnliches. Nicht anders war auch die immense Produktivität der Werkstatt zu schaffen. Rubens machte daraus auch keinen Hehl. In einer von ihm beschriebenen Auflistung seiner zum Verkauf stehenden Werke heißt es dann auch „vom Meister selbst retuschiert“. Es gab auch Bilder aus seiner Werkstatt, die nur nach seinen Skizzen gefertigt wurden, ohne dass Rubens daran selbst gemalt hatte. Rubens war nur insofern ungewöhnlich, als er das System wie kein Anderer perfektioniert hat. Er hat sogar Kollegen Auftragsarbeiten an seinen Bildern erteilt, die sich z. B. auf Landschaften oder Blumen spezialisiert hatten. So glich seine Werkstatt schon fast einer Manufaktur.
Andererseits gibt es Detail-Ölskizzen, von denen bei der Umsetzung in das endgültige Meisterwerk in – jedoch entscheidenden – Einzelheiten im positiven Sinne abgewichen wurde. Die Verbesserung, etwa im Gesichtsausdruck des Dargestellten, mag bei der entwurfsgetreuen Ausführung durch die Hand des Meisters erfolgt sein oder durch seine eigene spätere Retusche der durch seine Werkstatt (oder beauftragte Zuarbeiter) anhand des modello erfolgten Weiterbearbeitung. Ein schönes Beispiel für das Verhältnis zwischen Entwurf und letzter Fassung ist zu beobachten bei der Entstehung der Letzten Kommunion des Hl Franz von Assisi, was den Brennpunkt der Komposition, den Kopf des Heiligen angeht.
„Der Kopf … ist in Haltung und auch in Einzelheiten fast identisch … doch … (beides) … unterscheidet sich … im Ausdruck. Eine genauere Betrachtung erweist, daß eigentlich nur der Ausdruck des Auges ein anderer ist. Auf der Studie erscheint der Blick zwar schwärmerisch und ekstatisch, wirkt aber nicht so weltentrückt, so gläsern, wie auf der Altartafel. Die Studie gibt mit dem abgemagerten, bleichen Antlitz, dem entzündeten Auge, dem borstigen Kinn, geöffneten Mund den Anblick eines Todkranken, – während auf dem Altarbild der in den Tod starrende Blick von dem letzten Moment des Lebens zeugt. Zwischen den zwei Köpfen ist somit eine Steigerung des Ausdrucks wahrzunehmen …“
– Agnes Czobor: Eine Ölstudie zum Kopf des Hl. Franziskus auf dem großen Antwerpener Altarbild, S. 11
Das Charakteristische an seiner eigentlichen Technik in seinen Bildern ist, dass Rubens immer noch im hohen Maß Holz als Bildträger benutzte, zu einem Zeitpunkt, als sich Leinwand als Bildträger weitestgehend durchgesetzt hatte. Ca. 50 % seiner Bilder sind auf Holz ausgeführt, darunter auch großformatige Werke. Für Holz als Bildträger kann nur bestes Material verwendet werden, und das Zusammenfügen der Hölzer zu einer Tafel erfordert großes handwerkliches Können und Erfahrung. Rubens wird diese Arbeit nicht selbst gemacht haben, sondern darauf spezialisierte Handwerker damit beauftragt haben. Insbesondere für seine Ölskizzen bevorzugte er Holz, weil es einer Maltechnik entgegenkam, bei der eine glatte Oberfläche von Vorteil war, um den so charakteristischen Emaille-Effekt zu erreichen.
Die Bildtafeln und Leinwände wurden mit Kreide grundiert und glatt geschliffen. Dann folgte eine farbige Isolierung aus einem Harzbindemittel – wahrscheinlich Dammar. Zum einen sollte diese Isolierung das Einsinken der oberen Malschichten verhindern, damit die Leuchtkraft der Farben erhalten blieb, zum anderen ließen sich die Halbschatten der Inkarnate (Hautfarben) damit leichter erzielen. Zudem lassen sich auf einem strahlend weißen Untergrund die Proportionen schlechter abschätzen.
Die Untermalung war höchstwahrscheinlich eine Ei-Tempera-Ölfarbe, mit der die Motive in lockerer Manier als Übertrag einer kleineren Öl-Skizze des Meisters skizzenhaft angelegt wurden.
Darauf folgte die eigentliche Malschicht, die wohl eine Harz-Öl-Farbe war. Dieser Prozess wurde nass-in-nass gemalt ohne Zwischentrocknung. Harze wie Venezianisches Harz verzögerten die Trocknung und damit die Alterungsauswirkungen. Nur so ist zu erklären, dass die Leuchtkraft der Bilder in den Jahren so wenig nachgelassen hat und die Werksspuren (der Pinselstrich) einen so zarten „Schmelz“ (weichen Verlauf) haben. Wäre das Bild in vielen Ölschichten entstanden (wie z. B. bei Tizian), wäre eine stärkere Vergilbung zu beobachten.
Zum Schluss wurden noch (nach dem vollständigen Austrocknen) einige kleine Stellen überarbeitet oder durch Übermalung verändert.
Werke (Auswahl)
Diese Liste enthält 27 Werke Rubens’, die einen repräsentativen Querschnitt durch sein malerisches Hauptwerk darstellen.
Die Löwenjagd, 1621, Öl auf Leinwand, 248,7 cm × 377,3 cm, Alte Pinakothek, München
Venus und Adonis, um 1615, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
Die vier Philosophen, um 1602, Öl auf Holz, 164 × 139, Galleria Palatina im Palazzo Pitti, Florenz
Sonstiges
Rubens’ Gemälde Kindermord von Betlehem, um 1609/1611 entstanden, wurde 1923 von einer Privatperson geerbt. Falsch datiert und für ein Werk van den Hoeckes (1611–1651) gehalten, wurde es an das oberösterreichische Stift Reichersberg verliehen, wo es jahrzehntelang in einem dunklen Gang hing. Das Gemälde wurde schließlich am 10. Juli 2002 bei Sotheby’s in London um den Rekordpreis von 76,7 Mio. Euro versteigert und war damit der bislang teuerste „Alte Meister“.[11] Kurz vor der Versteigerung wurde das Bild bereits im Ausland noch als Rubens identifiziert, was eine heftige Kontroverse auslöste: Es wurde vermutet, dass sich das Bundesdenkmalamt täuschen ließ und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Ausfuhrgenehmigung erteilte. Dies wurde seitens des BDA dementiert, man hätte auch für den Fall, dass das Gemälde noch in Österreich als Rubens erkannt worden wäre, die Genehmigung zur Ausfuhr aus Österreich erteilt.[12] Diese Begebenheit beherrschte unter dem Titel Rekordrubens die Schlagzeilen der Kulturmedien im Jahr 2002.[13]
Die Hände des Künstlers zeigen in seinen Selbstbildnissen der letzten 30 Jahre seines Lebens das typische Bild einer fortschreitenden chronischen Polyarthritis.[14]
Literatur
nach Erscheinungszeitpunkt geordnet
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Ulrich Heinen: Rubens’s Pictorial Peacekeeping Force – Negotiating through ‘Visual Speech-Acts’. In: Udo J. Hebel / Christoph Wagner (Hrsg.): Pictorial Cultures and Political Iconographies. Approaches, Perspectives, Case Studies from Europe and America. Berlin/New York 2011, S. 32–61.
Ulrich Heinen: Das antike und das christliche Opfer in Elsheimers 'Contento' und Rubens’ „Die Eucharistie überwindet das heidnische Opfer“. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 72, 2011, S. 250–281.
Ulrich Heinen: Concettismo und Bilderleben bei Marino und Rubens. In: Christiane Kruse und Rainer Stillers, (Hrsg.): Barocke Bildkulturen: Dialog der Künste in Giovan Battista Marinos "Galeria". Wiesbaden 2013, S. 349–398.
Ulrich Heinen: Antwerpen am Euphrat verteidigen. Rubens malt für Europa. Zur Vielfalt des frühneuzeitlichen Orientalismus. In: Eckhard Leuschner / Thomas Wünsch (Hrsg.): Das Bild des Feindes. Konstruktionen von Antagonismen und Kulturtransfer im Zeitalter der Türkenkriege. Ostmitteleuropa, Italien und Osmanisches Reich. Berlin 2013, S. 355–447.
Ulrich Heinen: Rubens mit verschränkten Armen (William Sanderson, Graphice, 1658). Zur Begründung einer Kunstpädagogik der Phantasie im Barock. In: Valeska von Rosen / David Nelting / Jörn Steigerwald (Hrsg.): Poiesis. Praktiken der Kreativität in den Künsten der Frühen Neuzeit. Zürich / Berlin 2013, S. 327–375.
Ulrich Heinen: Malerdiplomatie als heroische Leistung. Rubens bezwingt den Krieg und malt den Frieden herbei. In: Katharina Helm, Hans W. Hubert, Christina Posselt-Kuhli und Anna Schreurs-Morét (Hrsg.): Künstlerhelden? Heroisierung und mediale Inszenierung von Malern, Bildhauern und Architekten. Merzhausen 2015, S. 205–235.
Ulrich Heinen: Die Erfindung des Barocktriptychons. Rubens’ Aktualisierung des Wandelbildes. In: David Ganz / Marius Rimmele (Hrsg.): Klappeffekte. Faltbare Bildträger in der Vormoderne. Berlin 2016, S. 337–365.
Ulrich Heinen: Der Stil des Politischen. Das zivile Leben als sein Grund, sein Merkmal und seine Norm um 1600, in: Dietrich Erben / Christine Tauber (Hrsg.): Politikstile und die Sichtbarkeit des Politischen in der Frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München. Band 39). Passau 2016, S. 129–156.
Ulrich Heinen: Peter Paul Rubens. Der Malerfürst aller Zeiten. In: Malerfürsten. 28. September 2018 – 27. Januar 2019, Bundeskunsthalle der Bundesrepublik Deutschland, S. 14–21.
Ulrich Heinen: „Velum est Timantis imago“: Das Bild des Gelehrten als Offenbarung der Person. In: Matei Chihaia / Georg Eckert (Hrsg.): Kolossale Miniaturen. Festschrift für Gerrit Walther. Münster 2019, S. 315–324.
Ulrich Heinen: Rubens' Europe and the „pax Hispanica“. In: Nicolas Detering / Clementina Marsico / Isabella Walser (Hrsg.): Contesting Europe. Comparative Perspectives on Early Modern Discourses on Europe (Fifteenth-Eighteenth Century). Leiden 2019, S. 104–145.
Ulrich Heinen: Heroische Re-Formation. Sichtbarkeit als Heldentat in Rubens' „Auferstehung Christi“. In: Achim Aurnhammer / Johann Anselm Steiger (Hrsg.): Christus als Held und seine heroische Nachfolge. Zur imitatio Christi in der Frühen Neuzeit. Berlin 2020, S. 563–597.
Ingrun Mann: Anna of Saxony. The Scarlet Lady of Orange. Winged Hussar Publishing, Point Pleasant, New Jersey 2016. ISBN 978-0-9963657-2-7.
Rosine De Dijn: Liebe, Last und Leidenschaft. Frauen im Leben von Rubens. DVA, Stuttgart und München 2002. (Titel behandelt Jan und Peter Paul Rubens.)
Hans Kruse: Wilhelm von Oranien und Anna von Sachsen. Eine fürstliche Ehetragödie des 16. Jahrhunderts. In: Nassauische Annalen, 54, 1934, S. 1–134.
Peter Paul Rubens. Auf den Spuren eines Malergenies. Dokumentarfilm, Deutschland, 2012, 30 Min., Buch und Regie: Werner Raeune, Produktion: 3sat, ZDF, Erstsendung: 27. Oktober 2012, Inhaltsangabe von 3sat, mit Gerhard Finckh und Nico van Hout.
Rubens – Ein Leben in Europa. Dokumentarfilm, Deutschland, 2018, 52:53 Min., Buch und Regie: Christine Romann, Produktion: Hessischer Rundfunk, arte, Erstsendung: 18. Februar 2018 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
↑Riegel 1882 "Der Geburtsort", S. 167–212 books.google.
Rubens' Geburt am 28. Juni 1577 in Siegen wurde zuletzt von H. Rombaut und R. Tijs in Nationaal Biografisch Woordenboek, XX, 2011 (cols. 727-832) in Abrede genommen: tatsächlich sei Rubens in der Zeit vom 29. August bis 9. Dezember 1576 in Antwerpen geboren (s. auch Bericht in demorgen.be vom 20. Dezember 2011).
Dieser Angriff auf einen seit langem etablierten Stand der Forschung wurde in Publikationen des Antwerpener Centrum Rubenianum zurückgewiesen.
Carl Van de Velde: The birthplace of Rubens, (The Rubenianum Quarterly 2/2012) und Carl Van de Velde, Prisca Valkeneers: De Geboorte van Rubens/ The Birth of Rubens. Ghent/Kortrijk: Uitgeverij Snoeck; Antwerp: Centrum Rubenianum VZW 2013. 112 S. (Rezension von Anne-Marie Logan bei hnanews.org November 2013).
↑Spieß; Kruse, passim; Mann, passim; De Dijn, passim. Weitere Belege in den Artikeln Anna von Sachsen und Jan Rubens.
↑Eleonora de' Medici Gonzaga e l'oratorio sopra Santa Croce: pittura devota a corte -. In: CODART. (codart.nl [abgerufen am 8. Januar 2017]).
↑Gitta Bertram, Nils Büttner: Sinnbild / Bildsinn. Rubens als Buchkünstler. Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-9815734-5-9.