Die Novara-Expedition (1857–1859) der Novara war die erste Weltumsegelung der Österreichischen Marine. Als Bestseller in mehreren Sprachen veröffentlicht, machten die wissenschaftlichen Berichte die Reise weltbekannt.
Erstmalige Untersuchungen, insbesondere auf der Sankt-Paul-Insel (Französische Süd- und Antarktisgebiete), den Nikobaren und auf Neuseeland schufen die Grundlagen für künftige geologische Forschungen. Erste geologische Kartierungen und Lagerstättenuntersuchungen durch Hochstetter, der bis zum Oktober 1859 in Neuseeland blieb, gaben den Startpunkt für die intensive geowissenschaftliche Erforschung dieses Landes. Hochstetter trennte sich dadurch von der Expedition, was zwischen dem Gouverneur George Edward Grey und dem Expeditionsleiter vereinbart worden war, und reiste später nach einer Erkundung australischer Goldfelder im Januar 1860 allein nach Europa zurück.[4]
Die meereskundlichen Forschungen, insbesondere im südlichen Pazifik, revolutionierten die Ozeanographie und Hydrographie. Die mitgebrachten Sammlungen an botanischem, zoologischem (26.000 Präparate) und völkerkundlichem Material bereicherten die österreichischen Museen (insbesondere das Naturhistorische Museum Wien). Die während des ganzen Expeditionsverlaufes gemachten Beobachtungen des Erdmagnetismus vermehrten die wissenschaftlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet entscheidend. Schließlich ermöglichten mitgenommene Blätter des Cocastrauchs1860, Kokain erstmals rein darzustellen.
Die wissenschaftlichen Resultate der Reise wurden in einem 21-bändigen Werk der Wiener Akademie der Wissenschaften, Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde (1861–1876) veröffentlicht, dessen erster Teil eine Beschreibung der Reise (3 Bände, herausgegeben von Karl von Scherzer 1861–1862), illustriert mit vielen Holzschnitten, war. Unter gleichem Titel erschien auch eine gekürzte zweibändige „Volksausgabe“, die binnen eines Jahres vergriffen war. Darüber hinaus wurden Ergebnisse in den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht.
Bislang kaum beschrieben wurde der brisante politische Hintergrund der Reise, die allfällige österreichische Kolonialisierung der damals in dänischem Besitz befindlichen Nikobaren. Dieser Aspekt wurde in den einschlägigen Publikationen nach erheblichen Umwälzungen in der Monarchie weitgehend ausgeblendet. Erst das 2010 erschienene Buch Novara – Österreichs Traum von der Weltmacht befasst sich ausführlich damit.[5]
Das wissenschaftliche Reisewerk
Beschreibender Teil: (Karl von Scherzer, anonym) Reise der Oesterreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857–1859 unter den Befehlen des Commodore B. von Wüllerstorf-Urbair.[6] 3 Bände. Wien, 1861, 1862, Digitalisate: Wienbibliothek (Band 1, Band 2, Band 3), Bayerische Staatsbibliothek (Band 1, 4. Aufl., Band 2, 4. Auflage)
Nautisch-Physikalischer Theil: Geographische Ortsbestimmungen und Flutbeobachtungen.– Magnetische Beobachtungen. 1 Band. Wien 1862–65, (Digitalisat)
Statistisch-commerzieller Theil: 2 Bände. Wien 1864, 1865 (2. verb. Aufl. in 1 Bd. Leipzig, Wien, Brockhaus 1867), (Band 1, Band 2)
Botanischer Theil: 1. Band (mehr nicht erschienen): Sporenpflanzen: A. Grunow, Algae; A. von Krempelhuber, Lichenes; H. W. Reichardt, Fungi, Hepaticae et Musci Frondosi; G. Mettenius, Cryptogamae Vasculares; Julius Milde, Ophioglosseae und Equisetaceae. Wien 1870
Medizinischer Theil: 1. Band (mehr nicht erschienen) v. Eduard Schwarz, Wien 1861, (Digitalisat)
Anthropologischer Theil: 3 Bände
1. Band: E. Zuckerkandl, Cranien. Wien 1875
2. Band: A. Weisbach, Körpermessungen. Wien 1867, (Digitalisat)
3. Band: Friedrich Müller: Ethnographie. Wien 1868, (Digitalisat)
Linguistischer Theil: 1 Band. Friedrich Müller, Wien 1867, (Digitalisat)
2. Band: Paläontologischer Teil herausgegeben von F. von Hochstetter, Moritz Hörnes and Franz Ritter von Hauer. Wien 1865
Museale Rezeption
Die Novara-Expedition stellt die erste Weltumsegelung eines österreichischen Kriegsschiffes dar und ist daher im Marinesaal des Wiener Heeresgeschichtlichen Museum dokumentiert, u. a. durch Aquarellstudien des Malers Joseph Sellény, der an der Reise teilnahm und unzählige Eindrücke in Aquarellstudien festhielt. Weiters ist ein Modell der SMS Novara im Maßstab 1:75 ausgestellt.[7]
Literatur
Renate Basch-Ritter: Die Weltumsegelung der Novara 1857–1859. Österreich auf allen Meeren. Akademische Druck- und Verlags-Anstalt, Graz 2008, ISBN 978-3-201-01904-0.
Österreichisch-Südpazifische Gesellschaft (OSPG), Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie (Hrsg.): Österreicher im Pazifik. Band 1+2, OSPG, Wien 1998, ISBN 3-9500765-0-6 / ISBN 3-9500765-1-4.
Siegfried Rachewiltz, C. Kraus, V. Romen, Tiziano Rosani (Hrsg.): S.M.S. Novara. Der freie weite Horizont. Die Weltumseglung der Novara und Maximilians mexikanischer Traum. Südtiroler Landesmuseum Schloß Tirol, Meran 2004, (Ausstellung des Landesmuseums Schloß Tirol 10. Juli – 14. November 2004).
Alexander Randa: Österreich in Übersee. Herold, Wien / München 1966.
Christa Riedl-Dorn: Das Haus der Wunder. Zur Geschichte des Naturhistorischen Museums in Wien. Holzhausen, Wien 1998, ISBN 3-900518-91-2.
Christa Riedl-Dorn: Botaniker – Pflanzenjäger – Intriganten. Die Rolle der Pflanzenkunde bei der Weltumseglung der Fregatte „Novara“ (1857–1859). In: Ingrid Kästner et al. (Hrsg.): Erkunden, Sammeln, Notieren und Vermitteln – Wissenschaft im Gepäck von Handelsleuten, Diplomaten und Missionaren. Shaker Verlag, Aachen 2014, ISBN 978-3-8440-2725-9, S. 373–394.
Karl Scherzer: Die Weltumseglung der „Novara“ 1857–59. Herausgegeben, bearbeitet und kommentiert von Günter Treffer. Molden, Wien u. a. 1973, ISBN 3-217-00543-0.
↑Weiss/Schilddorfer, S. 49, zitiert die Einleitung zu Scherzers Arbeit, verfasst vom Commodore der Expedition, 1861.
↑Albert Schedl, Thomas Hofmann (Red.): „Grenzenlos“. Forschungen von Mitarbeitern der Geologischen Reichsanstalt / Bundesanstalt außerhalb Europas. Berichte der Geol. Bundesanstalt Nr. 62, Wien 2005, S. 37–40.