Lister ist das vierte von zehn Kindern von Sir Martin Lister (1602–1670), Landwirt und Member of Parliament für Brackley, und dessen zweiter Frau Susanna (1600–1669, geb. Temple). Er wurde am 11. April 1639 in Radclive in der Kirche St John the Evangelist getauft.[1] 1646 zog die Familie nach Thorpe Arnold. Seine erste Ausbildung erhielt er von seinem Großonkel Sir Matthew Lister (1571–1656), Arzt von Anna von Dänemark und von König Karl I. Später besuchte Lister die Schule in Melton Mowbray. Im Alter von 16 Jahren wurde er 1655 als „Pensioner“ des St John’s College in Cambridge zugelassen. Sein Lehrer dort war Henry Paman (ca. 1623–1695). Nach dem Tod seines Großonkels im Jahr 1656 zog Listers Familie wieder nach Burwell zurück. 1658 immatrikuliert Lister sich am St John’s College und erwarb dort 1659 den Bachelor of Arts (B.A.) sowie 1662 den Master of Arts (M.A.).[2] Am 31. August 1660 wurde Lister auf königliche Order hin „Fellow“ des St John’s Colleges.[3]
Am 11. August 1663[4] verließ Lister sein Elternhaus in Burwell, um in Montpellier Medizin zu studieren. Dort hielt er sich vom 16. Januar 1664 bis zum 26. Februar 1666 auf. Im Juli 1665 trafen John Ray und Francis Willughby samt Gefolge in Montpellier ein, die Lister bald kennenlernte. Im Dezember 1665 sezierte er mit den Ärzten William Croone und Nicolaus Steno in den Räumen von Robert Bruce, einen Ochsenkopf.[5] In Vorbereitung auf den Devolutionskrieg forderte König Ludwig XIV. am 1. Februar 1666 alle Engländer auf Frankreich in den nächsten drei Monaten zu verlassen.[6] Am 26. Februar 1666 verließ Lister daraufhin in Begleitung von Francis Jessop (1638–1691), dem Arzt Henry Sampson (1629?–1700), Peter Vivian und Sir Thomas Crew (1624–1697) Montpellier. Am 18. April 1666 war Lister wieder in England.
Im Sommer 1669 gab Lister seine Stellung am St John’s College auf und heiratete Hannah Parkinson (1645–1695). Im Frühjahr 1670 zog das Paar in die Carleton Old Hall in Carleton-in-Craven, wo ihr erstes Kind, Susanna (1670–1738), geboren wurde. 1670 eröffnete Lister in York ein Arztpraxis. Dort wurden die Kinder Anne (1671–1704), Michael (1673–1676), Frances, Dorothy, Alexander, Barbara und Jane (1683–1688)[7] geboren.
In Oxford graduierte Lister am 5. März 1683 zum Doktor der Medizin (M.D.).[9] Im September 1683 zog die Familie nach London. Am 25. Juni 1684 wurde er als „Candidate“ des Royal College of Physicians zugelassen und schließlich 12. April 1687 dessen „Fellow“.[9]
Listers Frau Hannah starb am 1. August 1695 und wurde in der St Paul’s Church von Clapham bestattet.[10] Am 24. Oktober 1698 heiratete er Jane Cullen (1650–1736).[11]
Ab 1702 war Lister vierter und ab 1710 zweiter Arzt von Königin Anna.
Von 1669 bis 1700 veröffentlichte Lister in den Philosophical Transactions der Royal Society insgesamt 63 Artikel zu den Themen Insekten, Spinnen, Parasiten, Weichtiere, Vögel, Pflanzen, Physiologie (insbesondere das lymphatische System), Medizin, Geologie, Meteorologie und Archäologie.[12] Seine Hauptarbeiten waren: Historiae animalium Angliae tres tractatus (1678), Historiae conchyliorum (1685–1692) und Conchyliorum bivalvium (1696). Als einem Erforscher der Schalenweichtiere wurde ihm eine hohe Wertschätzung zuteil. Während er die Horizontbeständigkeit fossilführender Gesteinsschichten sowie die Ähnlichkeit der Fossilien zu lebenden Formen erkannte, betrachtete er sie, nach dem Vorbild Athanasius Kirchers, lediglich als „Naturspiele“, also als anorganische Nachahmungen, die sich spontan im Inneren der Gesteine gebildet hatten.
Ehrungen
Lister zu Ehren wurde die Pflanzengattung ListeraR.Br. (1813) der Familie der Orchideen (Orchidaceae) benannt. 1976 wurden die DorsaLister auf dem Mond nach ihm benannt.[13]
Johannes Godartius of Insects. Done Into English and Methodized. With the Addition of Notes. York 1682 (Digitalisat) – Übersetzung GoedaertsMetamorphosis naturalis.
De fontibus medicatis Angliae. Exercitatio nova, & prior. York 1682.
De scarabaeis Britannicis. In: John Ray: Historia insectorum. London 1710, S. 377–398 (Digitalisat).
Zeitschriftenbeiträge
An ingenious proposal for a new sort of maps of countrys, together with tables of sands and clays, such chiefly as are found in the north parts of England, drawn up about 10 years since, and delivered to the Royal Society Mar. 12. 1683. In: Philosophical Transactions. Band 14, Nr. 164, 20. Oktober 1684, S. 739–746 (doi:10.1098/rstl.1684.0067).
Literatur
Robert Davies: A memoir of Martin Lister, M.D., F.R.S., 1638–1712. In: Yorkshire Archaeological and Topographical Journal. Band 2, 1873, S. 297–320 (Digitalisat).
Lewis Weston Dillwyn: An index to the Historia conchyliorum of Lister, with the name of the species to which each figure belongs, and occasional remarks. Oxford University Press, Oxford 1823 (Digitalisat).
R. W. Goulding; Martin Lister, M.D., F.R.S. In: Associated Architectural Societies’ Reports and Papers. Band 25, 1900, S. 329–370.
William Munk: The Roll of the Royal College of Physicians of London. 2. Auflage, Band 1, 1878, S. 442–445 (Digitalisat).
Anna Marie Roos: Web of Nature: Martin Lister (1639–1712), the First Arachnologist (= Medieval and Early Modern Philosophy and Science Band 16). Brill, Leiden 2011, ISBN 978-90-04-20703-5.
Anna Marie Roos: The Art of science: a ‘Rediscovery’ of the Lister Copperplates. In: Notes and Records. Band 66, Nr. 1, 2012, S. 19–40 (doi:10.1098/rsnr.2011.0053).
Anna Marie Roos: The Correspondence of Dr. Martin Lister (1639–1712). Volume One: 1662–1677 (= Medieval and Early Modern Philosophy and Science Band 24). Brill, Leiden 2015, ISBN 978-90-04-22553-4.
Guy L. Wilkins: Notes on the Historia conchyliorum of Martin Lister, 1638–1712. In: Journal of the Society of the Bibliography of Natural History. Band 3, Nr. 4, 1957, S. 196–205 (doi:10.3366/jsbnh.1957.3.4.196).