Marlen Haushofer wurde am 11. April 1920 als Tochter des Revierförsters Heinrich Frauendorfer (* 6. Juli 1888) und der Kammerzofe Maria Frauendorfer (geborene Leitner; * 8. März 1891) in Frauenstein bei Molln geboren und am 12. April 1920 auf den Namen Marie Helene getauft.[2][1] Sie hatte einen vier Jahre jüngeren Bruder.[2] Ihre Eltern hatten am 5. April 1919(?) geheiratet.[1]
Ab 1930 besuchte Frauendorfer das Internat der Ursulinen in Linz.[3] Im Schuljahr 1938/39 wechselte sie in das Gymnasium der Kreuzschwestern Linz. Da auch dieses konfessionell geführt wurde, fiel es unter den Schließungserlass, und die NS-Schulbehörden richteten dort eine öffentliche Schule ein. Das Lehrpersonal der Kreuzschwestern unterrichtete allerdings weiter.[4] Frauendorfer legte am 18. März 1939 an dieser 2. Oberschule für Mädchen in Linz ihre Matura ab.[5] Nach einer kurzen Phase des Arbeitsdienstes studierte sie ab 1940 Germanistik in Wien und später (ab 1943) in Graz, schloss ihr Studium jedoch nicht ab. Sie heiratete im Jahr 1941 den Zahnarzt Manfred Haushofer, mit dem sie später nach Steyr zog. Der Ehe, die 1950 geschieden und 1958 erneuert wurde, entstammt ein Sohn.[6] Einen unehelichen Sohn brachte sie in die Ehe mit.
Ab 1946 publizierte Haushofer kleinere Erzählungen in Zeitungen und Zeitschriften wie Lynkeus und Neue Wege. Zudem publizierte sie in den österreichischen Tageszeitungen Die Presse, Kurier am Sonntag, Neues Volksblatt, Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten und Wiener Zeitung.[7] Ein erster Erfolg gelang ihr erst 1952 mit der Novelle Das fünfte Jahr, die dem Titel entsprechend ein Jahr im Heranwachsen eines Kindes namens Marili in nüchterner Nähe beschreibt. Gefördert wurde Haushofers literarische Tätigkeit vor allem von Hans Weigel und Hermann Hakel. Der Roman Die Wand, der 1963 veröffentlicht und 2012 verfilmt wurde, ist Haushofers bekanntestes und vielfach neu aufgelegtes Werk. Die hierin beschriebene Welt eines isolierten Lebens im Wald, einer in der Katastrophe entstandenen Idylle, wurde aber trotz der früh gelobten Qualitäten ebenso wie alle anderen Werke der Autorin lange vergessen. Lediglich die Kinderbücher bildeten hiervon eine für die Rezeption jedoch unbedeutende Ausnahme. Auch Frauenbewegung und Frauenliteraturforschung erkannten erst allmählich die Bedeutung des sich immer wieder mit der Rolle der Frau in der Männergesellschaft auseinandersetzenden Werkes und erlaubten so eine erneute Rezeption. Die Neuauflage ihrer Romane ab 1984 spielte dabei eine wichtige Rolle.
Am 21. März 1970 starb die an Knochenkrebs erkrankte Schriftstellerin nach einer Operation in Wien drei Wochen vor ihrem 50. Geburtstag. Nach der Einäscherung am 26. März in der Feuerhalle Wien-Simmering wurde die Urne am Steyrer Taborfriedhof beigesetzt.[8]
Anlässlich des Doppeljubiläums ihres 100. Geburtstages und 50. Todestages im Jahr 2020 kritisierte ihre Biografin Daniela Strigl, dass Haushofers Verlag Ullstein das Jubiläum „verschlafen“ habe. Zudem suggeriere die Gestaltung der Titelbilder der aktuellen Taschenbuchausgaben („weichgezeichnete Frauenporträts“), dass es sich bei ihren Romanen um „Frauenliteratur“ handele.[9] In Kooperation mit dem Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich / StifterHaus veröffentlichte der Berliner Claassen-Verlag (Teil der Ullstein Buchverlage) Ende 2023 eine sechsbändige Marlen Haushofer-Werkausgabe (Die gesammelten Romane und Erzählungen).[10][11] Die einzelnen Bände der Ausgabe beinhalten Vorworte zeitgenössischer Autorinnen und Autoren (u. a. von Clemens J. Setz, Arno Geiger, Monika Helfer) sowie wissenschaftliche Nachworte der Bandherausgeberinnen und Bandherausgeber. Im Februar 2024 stand die Werkausgabe auf Platz 1 der ORF-Bestenliste,[12] im März 2024 führte sie SWR-Bestenliste an.[13]
Schlimm sein ist auch kein Vergnügen. Kinderbuch, Jugend und Volk, Wien 1970; G und G, Wien 2003, ISBN 3-7074-0162-6
Begegnung mit dem Fremden. Gesammelte Erzählungen I. Claassen, Düsseldorf 1985; Claassen, Hildesheim 1985, ISBN 3-546-44189-3; Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1990
Die Frau mit den interessanten Träumen. Erzählungen. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1990
Marlen Haushofer: Die Überlebenden. Unveröffentlichte Texte aus dem Nachlaß. Aufsätze zum Werk., Christine Schmidjell (Hrsg.), Linz (Landesverlag) 1991
2016 verfilmte Pölsler den Roman Wir töten Stella, ebenfalls mit Martina Gedeck in der Hauptrolle.
Literatur
Ulf Abraham: Topos und Utopie. Die Romane der Marlen Haushofer. In: Vierteljahresschrift des Adalbert Stifter Instituts des Landes Oberösterreich. 35:1–2, 1986, S. 53–83.
Anke Bosse, Clemens Ruthner (Hrsg.): „Eine geheime Welt aus diesem Splitterwerk enträtseln...“. Marlen Haushofers Werk im Kontext. Francke Verlag, Tübingen-Basel 2000.
Elke Brüns: Aussenstehend, ungelenk, kopfüber weiblich: Psychosexuelle Autorpositionen bei Marlen Haushofer, Marieluise Fleisser und Ingeborg Bachmann (Ergebnisse der Frauenforschung 48). J.B. Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01597-1.
Anne Duden (Hrsg.): „Oder war da manchmal noch etwas anderes?“ Texte zu Marlen Haushofer.Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1986.
Franziska Frei Gerlach, Schrift und Geschlecht. Feministische Entwürfe und Lektüren von Marlen Haushofer, Ingeborg Bachmann und Anne Duden. Dissertation. In: Erich Schmidt: Geschlechterdifferenz & Literatur. Ausgabe 8. Berlin 1998.
Christine Hoffmann: Die Verrücktheit einer Generation. Schreibweisen von „Jungen Autorinnen“ in den Romanen von Marlen Haushofer. Dissertation, Wien 1988.
Jörg Kaiser: Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ als Darstellung eines psychischen Ausnahmezustands. Diplomarbeit, Graz 2003.
Dagmar C. Lorenz: Biographie und Chiffre. Dissertation. Cincinnati 1974.
Dagmar C. Lorenz: Marlen Haushofer – Eine Feministin aus Österreich. In: Modern Austrian Literature. 12:3–4, 1979, S. 171–191, ISSN0026-7503.
Christine Schmidjell (Hrsg.): Marlen Haushofer: Die Überlebenden. Unveröffentlichte Texte aus dem Nachlaß. Aufsätze zum Werk. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1991.
Christine Schmidjell, Daniela Strigl: Haushofer, Marlen. In: Killy Literaturlexikon, Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2., vollst. überarb. Aufl. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Bd. 5. Berlin [u. a.]: de Gruyter 2009, S. 93f.
Sabine Seidel: Reduziertes Leben. Untersuchungen zum erzählerischen Werk Marlen Haushofers. Dissertation, Universität Passau 2006 (Volltext).
Ansgar Skoda: Isolation als Selbstentwurf. Das dialektische Verhältnis von Utopie und Restriktion am Beispiel von Marlen Haushofers „Die Wand“ und Ingeborg Bachmanns „Malina“. Magisterarbeit, Bonn 2010.
Oskar Jan Tauschinski: Eine neue Phase in Marlen Haushofers Prosa. In: Gerhard Fritsch (Hrsg.): Literatur und Kritik. Nummer 47/48. Salzburg 1970, S. 483–488, ISSN0024-466X.
Regula Venske: „... das Alte verloren und das Neue nicht gewonnen...“ In: Inge Stephan (Hrsg.): Frauenliteratur ohne Tradition. Frankfurt am Main 1987, S. 99–130.
↑Daniela Strigl: „Wahrscheinlich bin ich verrückt ...“ Marlen Haushofer – die Biographie. 2. Auflage. List Taschenbuch im Ullstein Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-548-60784-9, S. 63.