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Jan Erasmus Quellinus

Selbstporträt des Erasmus Quellinus II. mit Frau Catherina de Hemelaer und Sohn Jan Erasmus Quellinus

Jan Erasmus Quellinus, auch Jean-Erasme Quellinus, Jan Erasmus Quellin und Jan Erasmus Quellyn (getauft am 1. Dezember 1634 in Antwerpen; † 11. März[1][2] 1715 in Mechelen) war ein flämischer Historien- und Porträtmaler und Mitglied der Antwerpener Künstlerfamilie Quellinus.

Leben

Quellinus war der Sohn des Erasmus Quellinus II. und dessen Frau Catherina (geborene de Hemelaer, † 1662). Er war ein Schüler[3] seines Vaters und führte dessen Stilistik in seinem Werk fort: er adaptierte den klassizistisch grundierten Stil, den sein Vater sich in der Zusammenarbeit mit seinem Bruder Artus Quellinus I. seit dessen Rückkehr aus Rom angeeignet hatte.[4] Dieser war dort Mitarbeiter von François Duquesnoy, der als sehr erfolgreicher Flame in Rom einen klassizistisch gemäßigten Barock vertrat. Aufbauend auf diese Ausbildung verbrachte Quellinus die Jahre 1657–1659 in Rom, dort trat er traditionellen Riten folgend der Schildersbent bei, eine Gruppe, die sich in Rom aus nordeuropäischen Künstlern bildete: er nahm, ebenfalls eine Tradition, einen Spitznamen – „Cederboom“ – an.

Anschließend verweilte er ungefähr von 1660 bis 1661 in Venedig. Dort machte er Bekanntschaft mit der venezianischen Barockmalerei, deren Eigenarten deutlich von denen des römischen Barock zu unterscheiden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er im Atelier von Johann Carl Loth beschäftigt war, denn der geborene Deutsche war eine der wichtigsten Anlaufstellen für nordeuropäische Künstler in Venedig. Er führte zudem eine ausgesprochen große Werkstatt. Diese verließen zahllose Werke, an denen oftmals ausschließlich die Schüler und Mitarbeiter arbeiteten: Carl Loth warf dann nur einen kontrollierten Blick darauf oder korrigierte mit wenigen Pinselstrichen.[5][6]

Nach seiner Rückkehr prägten insbesondere die venezianischen Einflüsse die Kunst des Jan Erasmus Quellinus: so zum Beispiel die gebeugt parallel zu der Bildfläche agierenden bärtigen Männer im Vordergrund, die sehr häufig und zudem prononciert die Komposition bereichern. Diese finden sich bei ihm immer wieder: Jan Erasmus Quellinus greift hier ein Merkmal der venezianischen Schule auf, das eine besonders beherrschende Ausprägung im Gesamtwerk Johann Carl Loths und seiner Schule fand.[7] Aber auch die klassisch inspirierten Architekturszenerien des Paolo Veronese, zusammenklingend mit einem farbenreichen Kolorit, reicher Kostümierung und der bühnenartig angeordneten Szenerie, die die Raumtiefe im Bild eher in statischen parallelen Schichtungen als in dynamischen Diagonalen abbildete, sind ein vorherrschendes Merkmal seiner Kunst geworden.[8][9] 1662 heiratete er Cornelia Teniers, eine Tochter des Malers David Teniers des Jüngeren. Am 13. November 1675 wurde das 8. Kind des Paares in Antwerpen getauft.[10]

Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Antwerpen wurde er Mitglied der dortigen Sankt-Lukas-Gilde, und um 1674 fertigte er für das Refektorium der Abtei Sankt Michael, Antwerpen, einen Zyklus an, der repräsentativ für die stilistische Entwicklung dieses Künstlers steht. Um 1680 ist Quellinus in Wien und arbeitet als Hofmaler für Kaiser Leopold I. Neben anderen Arbeiten erstellte er 15 Deckengemälde, die das Leben Karl V. zum Thema haben.[11]

Im Jahre 1712 zog Quellinus nach Mechelen zu einer seiner Töchter und verstarb dort 1715.[12][8]

Werk

Das Œuvre des Jan Erasmus Quellinus ist relativ unerschlossen, sein Werk wird in der Fachliteratur meist nur am Rande erwähnt. Zudem ist seine Malerei der seines Vaters sehr ähnlich, so dass eine Unterscheidung der Hände schon immer als schwierig galt,[13] beide arbeiteten zum Beispiel 1666–1668 zusammen für die Augustiner in Antwerpen.[14] Beispielhaft sei „Die heilige Familie“ im Schloss Wörlitz bei Dessau genannt, die vor 1935 noch als ein Werk Erasmus Quellinus II geführt wurde,[15] heute aber als ein Werk seines Sohnes gilt.[16] Die Namensähnlichkeit führt ebenfalls zu Verwechslungen oder Gleichsetzungen, dieses auch in öffentlichen Sammlungen.[17]

Auch ein im Jahre 2012 auf den Kunstmarkt gelangtes unsigniertes Gemälde dokumentiert diese Problematik: Zeus, Semele und Hera wurde 2012 als ein Werk von Erasmus Quellinus II eingeführt, könnte aus stilistischen Gründen aber auch durchaus als ein Werk seines Sohnes Jan Erasmus Quellinus gelten.[18]

Der Zyklus zu Karl V., um 1680 für die Wiener Hofburg in Auftrag gegeben von Leopold I. und einer der repräsentativsten und wichtigsten Aufträge für Jan Erasmus Quellinus überhaupt, nimmt auch in der Baugeschichte der Wiener Hofburg eine bedeutende Stellung ein.[19] Mit diesem Zyklus sollte an prominenter Stelle auf die Bedeutung und die berechtigten dynastischen Ansprüche des Hauses Habsburg verwiesen werden.[20] Durch die historischen Umstände, den Wandel des Kunstgeschmacks und die Umnutzung der entsprechenden Räumlichkeiten ist dieser Zyklus nur wenige Jahrzehnte nach der Entstehung demontiert und vergessen worden.[21] Drei Gemälde des Zyklus aber sind noch im Kunsthistorischen Museum Wien erhalten und stehen für ein zentrales Ausstattungselement der Wiener Hofburg im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts: deren Ausstattung brachte Kaiser Leopold I. in den Jahren seiner Regentschaft auf ein künstlerisches Niveau, das mit den Ansprüchen weiterer bedeutender Dynastien in Europa, insbesondere denen der Bourbonen unter Ludwig XIV. von Frankreich, konkurrieren sollte.[22]

Einordnung

Quellinus war trotz der stilistischen Entwicklung durch den prägenden Italienaufenthalt sehr dem Werk und der Ästhetik des Vaters verpflichtet: dieser genoss als herausragender Rubens-Schüler zu seiner Zeit die Anerkennung als Pictor doctus, der, künstlerisch und intellektuell auf der Höhe der Zeit, die aktuelle Tendenz der flämischen Malerei hin zum Klassizismus vertrat.[4] Jan Erasmus Quellinus jedoch pflegte diese nun schon tradierte Stilistik weiterhin und konnte sich in dem verändernden Kunstmarkt nicht neu positionieren: das farbige, aber auch etwas schwerblütige Kolorit und die zuweilen statuarisch-trockenen Kompositionen inmitten der klassisch inspirierten Architektur wirkten gegen die prachtvoll bewegte Monumentalität des Gerard de Lairesse, ebenfalls ein Flame, ein wenig anachronistisch. Auch gegen die arkadischen Visionen eines Antoine Watteau oder auch die zwar klassisch grundierte, jedoch nun elegant-verspielte und erotisch konnotierte, europaweit erfolgreiche französische Historienmalerei eines Nicolas Colombel konnte seine Kunst nicht wirklich bestehen. Und die venezianische Malerei, die sich wie Quellinus ja auf das große Vorbild Paolo Veronese berief, konnte mit Sebastiano Ricci oder später natürlich Giambattista Tiepolo eine lichtere, bewegtere und dem Zeitgeist eher entsprechende neue Ästhetik entwickeln.

Das Schicksal des Wiener Zyklus zu Karl V. kann als exemplarisch gelten für die schwindende Bedeutung der Kunst Jan Erasmus Quellinus. In Belgiens Kirchen und Museen jedoch und auch europaweit in Museen ist das Œuvre des Jan Erasmus Quellinus immer noch präsent. Sind auch einige seiner Werke durch die intensive Mitarbeit seiner Lehrlinge und Werkstattmitarbeiter von nicht vollendeter künstlerischer Qualität, so gibt es jedoch auch viele qualitativ hochwertige Gemälde von seiner Hand.

Literatur

  • Georg Kaspar Nagler: Quellinus, Johann Erasmus. In: Neues allgemeines Künstler-Lexicon, oder, Nachrichten von dem Leben und den Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter, etc. 3. Auflage. Band 13. Schwarzenberg & Schumann, Leipzig 1936, S. 382 (books.google.de – Erstausgabe: 1843, unveränderter Nachdruck).
  • Quellinus, Jan Erasmus. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 27: Piermaria–Ramsdell. E. A. Seemann, Leipzig 1933, S. 509–510 (biblos.pk.edu.pl).
  • Benezit - Dictionaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers. Band 8, Emmanuel Bénézit, Paris 1976.
  • Matias Díaz Padrón: Une Annonciation inédite de Jan Erasmus Quellinus à Madrid. In: Jaarboek – Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. 1990.
  • Jean-Pierre De Bruyn (Hrsg.): Dans le sillage de Rubens: Erasmus II Quellinus (1607–1678). Ausstellungskatalog des Musée de Flandre in Cassel, Gent 2014.
  • Günther Heinz: Studien über Jan van den Hoecke und die Malerei der Niederländer in Wien. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien. N.F. 27=63.1967, S. 109–164.
  • Gustav Glück: Die beiden Quellinus. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Band 24, 1903.
  • Jan De Maere, Marie Wabbes: Illustrated dictionary of 17th century Flemish painters. Brüssel 1994.
  • Herbert Karner (Hrsg.): Die Wiener Hofburg 1521 – 1705, Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien 2014.
Commons: Jan Erasmus Quellinus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alfred von Wurzbach: Quellinus, Jan Erasmus, genannt Sederboom (Ceder). In: Niederländisches Künstler-Lexikon; auf Grund archivalischer Forschungen bearbeitet. Band 2: L–Z. Halm und Goldmann, Wien / Leipzig 1910, S. 372–373 (Textarchiv – Internet Archive).
  2. Eduard Engerth: Quellinus, Jan Erasmus. In: Gemälde: Beschreibendes Verzeichniss. 2., durchgesehene Auflage. Band 2: Niederländische Schulen. Selbstverlag, Wien 1892, S. 358 (Textarchiv – Internet Archive).
  3. Quellinus, Jan Erasmus. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 27: Piermaria–Ramsdell. E. A. Seemann, Leipzig 1933, S. 509–510 (biblos.pk.edu.pl).
  4. a b Jean-Pierre De Bruyn (Hrsg.): Dans le sillage de Rubens: Erasmus II Quellinus (1607–1678). Ausstellungskatalog des Musée de Flandre in Cassel, Gent 2014, ISBN 978-94-6161-140-6.
  5. Dagmar Probst: Der Einfluss des Deutschvenezianers Johann Carl Loth (1632–1698) auf die Barockmaler des zisalpinen Raumes. In: Räume und Dinge. Bielefeld 2014.
  6. Gerhard Ewald: Johann Carl Loth: 1632–1698. Amsterdam 1965.
  7. Gerhard Ewald: Johann Carl Loth: 1632–1698. Amsterdam 1965, S. 34–35.
  8. a b barokinvlaanderen (Memento des Originals vom 31. Juli 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/barokinvlaanderen.vlaamsekunstcollectie.be
  9. Matias Díaz Padrón: Une Annonciation inédite de Jan Erasmus Quellinus à Madrid. In: Jaarboek – Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. Antwerpen 1990, S. 296.
  10. Alfred von Wurzbach: Niederländisches Künstler-Lexikon; auf Grund archivalischer Forschungen bearbeitet. Band 1: A–K. Halm und Goldmann, Wien / Leipzig 1906, S. 303 (Textarchiv – Internet Archive – Im Eintrag zu Franciscus de Cock, der als Taufzeuge genannt wird).
  11. Günther Heinz: Studien über Jan van den Hoecke und die Malerei der Niederländer in Wien. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien. N.F. 27=63.1967, S. 154 ff.
  12. Benezit – Dictionaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers. Band 8, Emmanuel Bénézit, Paris 1976.
  13. Lectures Relatives A L’Histoire Des Sciences, Des Arts, Des Lettres, Des Moeurs Et de La Politique En Belgique, Et Dans Les Pays Limitrophes. Band 4, Felix Victor Goethals, Brüssel 1838, S. 165.
  14. Jan De Maere, Marie Wabbes: Illustrated dictionary of 17th century Flemish painters. Brüssel 1994.
  15. Dieses dokumentiert im Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 77.598, online gestellt bei bildindex.de.
  16. Die heilige Familie museum-digital.de.
  17. Das Musée des Augustins in Toulouse präsentiert zwei Werke unter „Quellinus, Jan Erasmus“, führt in der Beschreibung aber die Vita des Erasmus Quellinus II mit dessen Namensnennung an: Das Martyrium des Hl. Laurentius und Die Hl. Katharina am Berg Sinai, dieses unter augustins.org.
  18. Es wurde auf Grund einer Expertenmeinung als ein Werk des „Erasmus Quellinus“ (unpräzise formuliert, gemeint ist Erasmus Quellinus II) angeboten: dieses beim Auktionshaus Fischer, Luzern, A 415, November 2012, Lot 1013: fischerauktionen.ch (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fischerauktionen.ch
  19. Herbert Karner (Hrsg.): Die Wiener Hofburg 1521 – 1705, Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien 2014, insbesondere: Der Leopoldinische Trakt. S. 377–421.
  20. Der Leopoldinische Trakt – Der Spanische Saal: Mythos und Typus. In: Herbert Karner (Hrsg.): Die Wiener Hofburg 1521 – 1705, Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien 2014, S. 411–416.
  21. Gustav Glück: Die beiden Quellinus. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Band 24, 1903, S. 42–47.
  22. Ikonologie der Hofburg. In: Herbert Karner (Hrsg.): Die Wiener Hofburg 1521 – 1705, Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien 2014, S. 530–572.
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