GespenstAls Gespenst bezeichnet der Volksglaube meist ein Geistwesen mit übernatürlichen Fähigkeiten und zugleich mit menschlichen Eigenschaften, das „spukt“ – also den Menschen in irgendeiner Weise „erscheint“. Sein zeitweiliges Erscheinen vollzieht sich häufig in nebelhaft durchsichtiger, angedeutet menschlicher oder nicht menschlicher Gestalt. Gespenster gibt es in der Vorstellungswelt verschiedener Kulturen. Im engeren Sinne des Wortes sind Gespenster nur die Totengeister. Die Existenz von Gespenstern ist nicht empirisch nachgewiesen. EtymologieDer Begriff Gespenst kommt von ahd. kispanst, Eingebung. Beichtformeln, die von teuflischer Eingebung und Verlockung reden, bereiteten den Bedeutungswandel zu „geisterhaftem, täuschendem Trug“ vor. Erst in den letzten Jahrhunderten wurde der Ausdruck populär. Früher gelegentlich auch als Gespengst geschrieben.[1] EinführungDie Vorstellung der Existenz einer Geisterwelt darf als prähistorisch angesehen werden. Frühe naturreligiöse Deutungsmuster und Mythologien setzen sie voraus. Zu dieser Welt der Naturgeister treten im weiteren Sinn dann auch Vorstellungen von Totengeistern oder anderen Gespenstern hinzu. Der Gespensterglaube im engeren Sinne ist als Folge einer Unterscheidung der Götter von den Geistern häufig nicht mehr dem Bereich der Religion zuzuordnen. Aus aufklärerischer Sicht handelt es sich, in negativer Wertung, schlicht um Aberglauben. Die Psychologie erklärt den Glauben an Geister als eine Personifizierung des Todes bzw. der Seele.[2] Gespenster im VolksglaubenDer Glaube an Gespenster ist in vielen Kulturen anzutreffen. Bereits die Griechen und Römer kannten die Vorstellung, dass bestimmte Seelen im Hades keine Ruhe finden, sondern um das Grab herum wandern und die Menschen erschrecken (siehe auch Wiedergänger). Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein war der Gespensterglaube in Europa außerordentlich lebhaft. Sogar staatliche Behörden haben sich gelegentlich mit dem Thema beschäftigt. Dabei waren folgende Vorstellungen geläufig:
Moderner GespensterglaubeIm Zusammenhang mit der Aufklärung verlor der Gespensterglaube im Europa des 18. Jahrhunderts für die Gebildeten langsam an Plausibilität. In der Gegenwart wird er vor allem noch im Spiritismus vertreten. Er geht davon aus, dass die Seelen der Verstorbenen zu Geistern werden, im Jenseits existieren und in der diesseitigen Welt in Erscheinung treten können. Solche Totengeister treten nicht nur zufällig und unvorhersehbar auf, etwa um Menschen zu erschrecken oder ihnen Botschaften zu übermitteln, sie können angeblich auch von so genannten Medien durch Materialisation heraufbeschworen werden und verfügen dann in der Erwartung ihrer Zuhörer über überlegenes Wissen zu vergangenen oder zukünftigen Ereignissen. EinteilungEinteilungen der Gespensterwelt sind fragwürdig, soweit sie sich auf angenommene tatsächliche Phänomene beziehen wollen. So unterscheiden manche zwischen sog. Dämonen, Elementaren, Engeln und Familiaren. Nach George Tyrrell (siehe Abschnitt „Literatur“) und anderen gibt es vier oder fünf Hauptkategorien von Geistern oder Gespenstern:
Beispiele für angebliche SpukerscheinungenAuch in der Moderne wird immer wieder von Spukerscheinungen berichtet. Die folgenden Beispiele aus jüngerer Zeit verdeutlichen jedoch, dass solchen Phänomenen in aller Regel rationale Ursachen zugrunde liegen.
Naturwissenschaftliche Erklärung von GespenstererscheinungenAus medizinisch-neurologischer Sicht werden Gespenster als Halluzinationen oder die Folge falscher Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn erklärt. So gelang es Schweizer Neurowissenschaftlern der Technischen Hochschule Lausanne im Rahmen eines Dissonanz-Experiments (Olaf Blanke, 2014) eine Gespenst-Erscheinung unter Laborbedingungen gezielt hervorzurufen. Ausgeführte Handbewegungen der Versuchsteilnehmer wurden durch eine Roboterhand zeitlich asynchron auf ihrem Rücken wiederholt. Die resultierende Diskrepanz bei den sensormotorischen Hirnsignalen führte zu einer beeinträchtigten Propriozeption und in der Folge berichteten die Teilnehmer von der Illusion, eine weitere Person im Versuchslabor wahrgenommen zu haben.[11] Zahlreiche angebliche Gespenstererscheinungen beruhen auf einer Sinnestäuschung. Kaum wahrnehmbare physikalische Effekte haben auf viele Menschen reproduzierbare Wirkungen: Ein plötzlicher Temperaturabfall innerhalb von Gebäuden wird von vielen Menschen wie ein Berührungsreiz wahrgenommen. Ein Beispiel für physikalische Ursachen von Gespenstersichtungen ist das Brockengespenst. Durch geschickte Anordnung eines Magnetfeldes kann man das Gehirn eines Menschen derart täuschen, dass sich Schimären bilden. So bildet sich die Person dann ein, sie sehe einen Geist oder höre ein Atmen. Neuere Forschungen ergaben auch ein Zusammenspiel verschiedener physikalischer Phänomene, etwa der Luftschwingungen tiefer Frequenzen (Wind gegen stärkere Burgmauern) und den Eigenresonanzen des Augapfels (Sehen von weißen Flecken). Bei vielen angeblichen Geistererscheinungen handelt es sich um absichtliche Betrügereien und Täuschungen. Ein solcher Betrug war der 1982 in einer Neutraublinger Zahnarztpraxis aufgetretene „Chopper“. Literarische und filmische VerarbeitungSchilderungen von Geistern finden sich zahlreich in Volkssagen, mythologischen Texten oder Märchen, etwa auch den Dschinn aus 1001 Nacht. Ebenso erscheinen sie in der klassischen und romantischen Literatur (Shakespeares Hamlet; Goethes Braut von Korinth) oder in Gespenstergeschichten, Spukromanen und Gespensterkrimis (z. B. Geisterjäger John Sinclair sowie in der Fernsehserie Supernatural, wo die Brüder Sam und Dean Geister und andere Phänomene jagen; teils auch in Christoph Schwarz – Detektiv des Übersinnlichen). Friedrich Schillers Romanfragment Der Geisterseher thematisiert den Betrug durch ein angebliches spiritistisches Medium. Ausgesprochen „geistreich“ greift Heinrich Heine eine „Gespenstererscheinung“ in seiner Erzählung Die Harzreise auf: Der Ich-Erzähler übernachtet bei Vollmond in einem fremden Gasthofzimmer. Er liest eine Gespenstergeschichte. Um Punkt Mitternacht erscheint ihm der Geist des jüngst verstorbenen Saul Ascher und beweist, Immanuel Kant zitierend, dass es keine Gespenster geben könne. Trotzdem verschwindet die Erscheinung erst um Punkt ein Uhr. Die Lehre der Geschichte besteht darin, dass das Wissen um die Nicht-Existenz von Gespenstern deren Wahrnehmung nicht zum Verschwinden bringe, wenn die Furcht größer sei als der Wille zur Vernunft. Satirisch greift Oscar Wildes Das Gespenst von Canterville das Thema auf. Für Kinder erzählt Otfried Preußler vom Kleinen Gespenst. Und auch die Hörspielreihe und der Film Hui Buh das Schlossgespenst von Eberhard Alexander-Burgh handelt von einem Gespenst, das auf einer Burg sein Unwesen treibt. Mit seinem Stück Das ängstliche Gespenst schuf Friedrich Arndt einen Meilenstein des modernen Puppenspiels für Kinder und einen Bestseller als Hörspiel. Die Filmindustrie findet im Gespensterglauben einen reichen Vorrat an Stoffen, bereichert aber ihrerseits auch die Vorstellungswelt ihrer Konsumenten. Eine humoristische Darstellung des Themas boten die Ghostbusters-Kinofilme, in denen Parawissenschaftler in New York verschiedene Geister mit Protonenstrahlern und Geisterfallen einfingen. Das Gespenst ist der Titel eines 1982 gedrehten, tragikomischen Films von Herbert Achternbusch, bei dem es eine lebensgroße Christusfigur nicht mehr am Kreuz aushält, sondern als lebendig gewordener „Ober“ ins Bett einer Oberin oder als Kellner in eine Klosterschenke zieht, wobei sein Treiben allerhand Ärger mit der Polizei, mit dem Bischof und Münchner Passantinnen hervorruft. Der Film wirft die Frage auf, wie Jesus behandelt würde, wenn er heute in Bayern auftauchte, und rief wegen des Vorwurfs zahlreicher Geschmacklosigkeiten heftige Proteste seitens der deutschen Bischöfe hervor, so dass sich die Staatsanwaltschaft mit ihm beschäftigen musste. Mit Totengeistern bekommt es Bruce Willis’ Schützling in The Sixth Sense zu tun. Einen ebenfalls etwas anderen Ansatz verfolgt der Film The Others, der den klassischen Spuk am Ende auf den Kopf stellt. Nicole Kidman spielt in diesem Film von 2001 die Hauptrolle. Ghost Hunters ist eine Doku-Soap, bei der ein Team von selbsternannten Geisterjägern Orte besuchen, an denen es angeblich spukt. Dort stellen sie Ermittlungen an, um den Spuk zu beweisen (manchmal um zu widerlegen). In der 2008 veröffentlichten Filmkomödie Wen die Geister lieben muss ein von Ricky Gervais gespielter Zahnarzt Geistern bei ihren unerledigten Dingen helfen, damit sie endgültig sterben können. Im übertragenen SinnVolksglaube, Volksmund und Künste haben sich des „Gespenstes“ immer wieder angenommen. Das vermutlich berühmteste einschlägige Zitat eröffnet das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels:
– Karl Marx, Friedrich Engels[12] In der Geometrie ist das „Gespenst“ eine im Mai 2023 von David Smith und anderen entdeckte Form, die sogenannte „Spectre-Kachel“ (Gespensterkachel), mit deren Kopien man die euklidische Ebene ausschließlich nichtperiodisch parkettieren kann. Es ist eine Lösung für das „Einstein-Problem“ (Wortspiel von „ein Stein“ und „Einstein“)[13] Siehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Gespenster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Gespenster – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Gespenst – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Einzelnachweise
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