Frank Martin war das jüngste von zehn Kindern des calvinistischen Pfarrers Charles Martin, der französisch-hugenottischer Herkunft war. Er hatte nur einen musikalischen Lehrer, Joseph Lauber, der ihn Klavier, Harmonie und Komposition lehrte und 1911 am Schweizerischen Tonkünstlerfest in Vevey Martins erstes Werk aufführte. Von 1908 bis 1910 studierte Martin Mathematik und Physik an der Universität Genf.
Nach Aufenthalten in Zürich, Rom und Paris kehrte er 1926 nach Genf zurück.[1] Dort gründete er zur Pflege der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts die Société de musique de chambre. In den folgenden Jahren war er auch eng verbunden mit Émile Jaques-Dalcroze, der ihm die Technik der Rhythmik nahebrachte und an dessen Institut er von 1928 bis 1938 unterrichtete. Martin trat auch als Pianist und Cembalist auf, und während des Zweiten Weltkrieges war er Präsident des Schweizerischen Tonkünstlervereins.[2] 1946 siedelte er in die Niederlande über. Von 1950 bis 1957 unterrichtete er Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln.
Martin heiratete 1918 Odette Micheli, mit der er den 1922 geborenen Sohn Renaud hatte; die Ehe wurde 1930 geschieden. 1931 heiratete er Irène Gardian (1901–1939) und 1940 Maria Boeke (1915–2017), mit der er ab 1946 in Amsterdam und ab 1956 in Naarden (bei Amsterdam) lebte. Sie hatten zwei Kinder, den Sohn Jan und die Tochter Teresa.
In seinem persönlichen Stil, den er, nachdem seine früheren Werke noch deutlich durch die Musik von César Franck und Gabriel Fauré beeinflusst waren, in den 1930er Jahren ausbildete, entwickelte Martin eine Synthese aus der ZwölftontechnikArnold Schönbergs und der traditionellen klassischen tonalen Musik.
Schwerpunkt seines Schaffens bilden Vokalwerke, so mehrere Oratorien, unter anderem Le vin herbé, In terra pax, Golgotha, Le Mystère de la Nativité und das Requiem. Dazu kommen zahlreiche kleinere Werke sowie solche für Sologesang und Orchester wie Der Cornet nach Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke sowie die Sechs Monologe aus Jedermann. Neben gewichtigen musikdramatischen Werken wie Roméo et Juliette, Athalie und Der Sturm stellt sich Martins Vielfältigkeit auch in der reinen Instrumentalmusik dar. Davon zeugen mehrere Solokonzerte (für Violine, Cembalo, Cello, Klavier) ebenso wie Kammermusik für diverse Instrumente, darunter vor allem zu nennen die Balladen für Saxophon (1938), Flöte (1939), Klavier (1940), Posaune (1940), Violoncello (1949) und Viola (1972). Ursprünglich für Andrés Segovia hatte er 1933 die funktionelle Harmonik mit Zwölftontechnik verbindenden Quatre pièces brèves für Gitarre[3] komponiert.
Trio sur des mélodies populaires irlandaises (1925) (Klaviertrio)
Streichtrio (1935/36)
Sonata da Chiesa für Viola d’amore und Orgel (1938, überarbeitet für Querflöte und Orgel 1941, für Viola d’amore und Streichorchester 1952)
Ballade für Saxophon (1938)
Ballade für Flöte und Klavier (1939)
Ballade für Piano (1940)
Ballade für Posaune und Klavier (1940)
Ballade für Cellound Klavier (1949)
Streichquartett (1967)
Ballade für Viola, Holzbläser, Harfe, Cembalo, Pauken und Schlagzeug (1972)
Solowerke
Quatre Pièces Brèves für Gitarre (1933) – auch als Klavierfassung unter dem Titel Guitare (veröffentlicht 1976). Eine Orchesterfassung (mit Ernest Ansermet) entstand im Frühjahr 1934.
Passacaille für Orgel (1944, auch als Orchesterfassung 1962)
8 Préludes für Klavier (1948, Dinu Lipatti gewidmet)
Messe für 2 vierstimmige Chöre (Kyrie, Gloria, Sanctus 1922; Credo 1922–24; Agnus Dei 1926) (daraus Agnus Dei auch für Orgel solo 1966)
Le vin herbé (Der Zaubertrank), weltliches Oratorium von Joseph Bédier nach drei Kapiteln des Roman de Tristan et Iseut (I: Le Philtre – Der Liebestrank 1938; II: La Forêt de Morois – Der Wald von Morois und III: La Mort – Der Tod 1940–1941) für Solostimmen, Chor und Instrumentalensemble
Ein Totentanz zu Basel im Jahre 1943 (1943)
Sechs Monologe aus Jedermann, für Bariton und Orchester (1943–1944)
Ballade pour saxophone (ou cor de basset) et orchestre (1938)
Petite symphonie concertante für Harfe, Cembalo, Klavier und zwei Streichorchester (1944/45), ein Auftragswerk von Paul Sacher, 1947 bei den XXI. Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days) in Kopenhagen aufgeführt.[5][6]
Konzert für 7 Bläser, Pauken, Schlagzeug und Streichorchester (1949)
Violinkonzert (1950)
Konzert für Cembalo und kleines Orchester (1951/52)
Etudes für Streichorchester (1955–1956)
Die vier Elemente, Orchestersuite (1963)
Cellokonzert (1965)
2. Klavierkonzert (1968)
Polyptyque für Violine und zwei Streichorchester (1973)
André Baltensperger: Fragen des Métiers bei Frank Martin: Zu den Skizzen des Violinkonzerts. In: Quellenstudien I: Gustav Mahler, Igor Strawinsky, Anton Webern, Frank Martin. Amadeus-Verlag, Winterthur 1991, S. 157–234. (Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung 2).
Bernhard Billeter: Die Harmonik bei Frank Martin. Untersuchungen zur Analyse neuerer Musik. P. Haupt, Bern 1971. (Diss. Univ. Zürich 1971).
Bernhard Billeter: Frank Martin. Werdegang und Musiksprache seiner Werke. Schott, Mainz etc. 1999, ISBN 3-7957-0017-5.
Gerd Michael Dausend: Frank Martin: Quatre Pièces Brèves und andere Werke mit Gitarre. In: Gitarre & Laute 9 (1987), Heft 2, S. 22–26 (gegengelesen und autorisiert von Maria Martin, der Witwe Frank Martins).
Harald Kaufmann: Frank Martins Cornet schreibt einen Brief. In: Von innen und außen. Schriften über Musik, Musikleben und Ästhetik. Hg. von Werner Grünzweig und Gottfried Krieger. Wolke, Hofheim 1993, ISBN 3-923997-52-3, S. 104–107.
Harald Kaufmann: Gespräch mit Frank Martin. In: Von innen und außen, S. 177–180.
Rudolf Klein: Frank Martin – sein Leben und Werk. Verlag Lafite, Wien 1960, 72 S.
Maria Martin-Boeke: Souvenir de ma vie avec Frank Martin. Éditions L'Âge d'Homme, Lausanne 1990, ISBN 2-8251-0102-8.
Kerstin Schüssler-Bach: Frank Martins Musiktheater. Ein Beitrag zur Geschichte der Oper im 20. Jahrhundert. Bosse Verlag, Kassel 1996. (Kölner Beiträge zur Musikforschung; Bd. 193). (Diss. Universität zu Köln 1995).
↑Académicien décédé: Frank Martin. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 18. Oktober 2023 (französisch).