Nachdem Adderley in Florida eine Highschool-Band geleitet hatte, ging er 1955 nach New York – er hatte vor, in Manhattan zu studieren, aber nachdem er bei Oscar Pettifords Band im Cafe Bohemia einen Gastauftritt hatte, wurde er schnell zu einer Sensation: Charlie Parker war zuvor im Alter von 34 Jahren gestorben und man sah in Adderley seinen Nachfolger. Adderley hatte einen Stil, der von Benny Carter genauso beeinflusst war wie von Parker.
Adderley nutzte seine frühe Bekanntheit und formte sein erstes Quintett, in dem auch sein jüngerer Bruder Nat Adderley am Kornett mitspielte.[1] Während die Gruppe sich finanziell schwertat, wurde Miles Davis auf Cannonball aufmerksam und holte ihn Ende 1957 für zwei Jahre in sein Sextett. Dort spielte er unter anderen neben John Coltrane (Tenorsaxophon). Als berühmteste Aufnahme aus dieser Zeit gilt das im Frühjahr 1959 aufgenommene Kind of Blue, eines der meistverkauften Alben der Jazzgeschichte. Aus dieser Zeit gibt es auch Aufnahmen des Miles Davis Sextetts ohne Miles Davis. Die auf fünf Musiker reduzierte Combo veröffentlichte zum Beispiel das Album Cannonball Adderley Quintet in Chicago.[2]
Im September 1959 verließ Cannonball Miles Davis und spielte wieder mit Nat in einem Quintett. Einen Monat später nahm die Band einen Live-Auftritt in San Franciscos The Jazz Workshop auf. Diese Aufnahme wurde ein kommerzieller Erfolg. Vor allem ihre Version des Stücks This Here des Pianisten Bobby Timmons war erfolgreich, und das Quintett wurde zur führenden Gruppe einer Stilrichtung, die man bald als Soul Jazz bezeichnete. Von 1959 bis 1963 war das Quintett bei Orrin Keepnews’ Riverside unter Vertrag und spielte hauptsächlich soulige Interpretationen von Hardbop-Stücken. Yusef Lateef machte die Gruppe von 1962 bis 1963 zum Sextett. Nach dem Zusammenbruch von Riverside 1963 unterschrieb Cannonball bei Capitol Records, und seine Aufnahmen wurden etwas kommerzieller. Charles Lloyd ersetzte ein Jahr lang Lateef.
In den späten 1960er und in den 1970er Jahren wandte Adderley sich der Fusion zu. 1968 hatte er auf dem Album Accent on Africa sein Debüt auf dem Sopransaxophon, spielte dieses aber eher selten.[4]
Gegen Ende seines Lebens ließ er seine Karriere Revue passieren: Sein vorletztes Album Phenix enthielt die größten Erfolge der Adderley-Brüder wie Country Preacher, This Here oder Work Song als Fusion-Version und auf seinem letzten Album Lovers vereinte er neue und alte Freunde zu einer Band. Er starb, bevor die Arbeiten an Lovers abgeschlossen waren. Die übrigen Mitglieder der Band beendeten das Werk zusammen mit Flora Purim (Gesang) mit dem von Adderleys Neffen Nat Jr. geschriebenen Titel Lovers als letzte Verbeugung vor Julian Adderley.
Julian Adderley hatte sein ganzes Leben an Diabetes mellitus gelitten; sein SpitznameCannonball ist vermutlich auf den Versprecher eines Mitschülers zurückzuführen: Dieser wollte ihn Kannibale nennen, weil der fettleibige Adderley für seinen Dauerhunger bekannt war, aber aus Cannibal wurde Cannonball, „Kanonenkugel“.
Adderley starb 1975 plötzlich an einem Schlaganfall, sechs Wochen nach der Aufnahme seines letzten Albums in Gary, Indiana – er wurde auf dem Südfriedhof von Tallahassee (Florida) beerdigt.
Zitate
“He’s the most underrated musician of the century. Hardly anybody talks about Cannonball, but he was a giant. He was his own guy. He didn’t play like Charlie Parker. He played like no-one else.”
„Er ist der meistunterschätzte Musiker des Jahrhunderts. Kaum einer spricht noch über Cannonball, aber er war eine Größe. Er war seine eigene Liga. Er spielte nicht wie Charlie Parker, er spielte wie niemand sonst.“
Cannonball Adderley hatte zusammen mit David Carradine und José Feliciano 1975 einen Auftritt in der fünfundfünfzigsten Folge der US-amerikanischen Fernsehserie Kung Fu.
Auf Here Comes Louis Smith (Blue Note, 1958), dem Debütalbum des Trompeters Louis Smith, spielte er unter dem Pseudonym Buckshot La Funke.
↑ abUS-Singles: Joel Whitburn: Joel Whitburn’s Top Pop Singles 1955–2006. Billboard Books, New York 2007, ISBN 0-89820-172-1. / US-Alben: Joel Whitburn: Joel Whitburn presents the Billboard Albums. 6. Auflage. Billboard Books, New York 2006, ISBN 0-89820-166-7.
↑ abUS-R&B-Singles: Joel Whitburn: Joel Whitburn presents Hot R&B Songs 1942–2010. Billboard Books, New York 2011, ISBN 0-89820-186-1. / US-R&B-Alben: Joel Whitburn: Joel Whitburn's Top R&B Albums 1965–1998. Billboard Books, New York 1999, ISBN 0-89820-134-9.