Die Volksschule und das Gymnasium besuchte Aschner in Wien. Ebenfalls in seiner Heimatstadt studierte er Medizin. Bereits als Student arbeitete Aschner im Anatomischen Institut, wo er von 1903 bis 1907 als Demonstrator tätig war; nach der Approbation war er Volontär in der Medizinischen Universitätsklinik in Wien. 1907 wurde er promoviert. 1907/08 war Aschner „Operationszögling“ an der I. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien. 1908 beschrieb Aschner den okulokardialen Reflex. Von 1908 bis 1912 war er Assistent an der I. Universitätsfrauenklinik in Wien. 1912 trat er aus dem Judentum aus.[1] Militärdienst leistete er als Assistenzarzt im k. u. k. Dragonerregiment Nr. 3 in Wien. Ab 1913 war Aschner Assistent in der Universitätsfrauenklinik Halle, im Februar 1914 habilitierte er sich hier für das Fach Gynäkologie und Geburtshilfe.
Wissenschaftlich befasste sich Aschner mit der neuen Frage der Hormone, unter anderem legte er Studien über die Bedeutung der interstitiellen Eierstockdrüse und die Hirnanhangsdrüse (Hypophysis cerebri) vor. Aschner vermutete 1912, dass ein vegetatives Zentrum, ein „Menstruationszentrum“ im Zwischenhirn, einigen Einfluss auf die Genitalsphäre ausübe. Von einem Sexualzentrum im Gehirn spricht Aschner erst 1918.[2]
Kriegsdienst leistete er im Ersten Weltkrieg als Regimentsarzt in Reservespitälern der k. u. k. Armee, ausgezeichnet wurde er mit dem Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens. 1918 habilitierte sich Aschner an die Universität Wien um. Neben seiner dortigen Tätigkeit als Privatdozent leitete er das Frauenambulatorium am Allgemeinen Krankenhaus.
Noch in den 1930er Jahren behandelte Aschner schizophrene Patienten mit „Aderlaß, Emmenagoga, Brechmittel, Abführmittel, Schwitzbäder, Hydrotherapie und tonisierender Diät“.[3]
Nach dem deutschen Einmarsch und der Annexion Österreichs verlor er wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis und emigrierte in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er eröffnete eine Praxis in New York und leitete eine Arthritis-Ambulanz an der Stuyvesant Policlinc, später am Lebanon-Hospital. 1945 wurde Aschner eingebürgert. Wissenschaftlich profilierte sich Aschner zunächst auf dem Gebiet der Inneren Sekretion (Endokrinologie), dann als Medizinhistoriker. Zwischen 1926 und 1932 veröffentlichte er eine vierbändige Übersetzung des Paracelsus (Reprint 1975–1984). Bei der Behandlung von Rheuma und Arthrose bevorzugte er historische, humoralpathologische Methoden, seine Schriften erreichten hohe Auflagen und werden bis heute aktualisiert neu herausgegeben („Die neue Aschner-Fibel: Praxis der Humoralmedizin und der ausleitenden Verfahren“, 2001; „Lehrbuch der Konstitutionstherapie“, 10. Auflage 2000). Aschner war Mitherausgeber der „Zeitschrift für biologische Heilweisen“. 1957 erhielt er den Wilhelm-Hufeland-Preis.
Familie
Sein Vater, Samuel Aschner (ca. 1849–1917), war Inhaber einer Hemden- und Unterwäschefabrik in Wien. Seine Mutter war Paula bzw. Pauline geb. Blaustern (1853–1924). Bernhard Aschner hatte vier Brüder. Zwei seiner Brüder, der Ingenieur Emil Aschner (geb. 1884) und Richard Aschner (geb. 1886), sowie Richards Ehefrau Alice geb. Zimbler wurden 1941 vom NS-Regime in Prag verhaftet, in das Ghetto Litzmannstadt verschleppt und in der Folge ermordet.[4][5][6][7][8][9]Stolpersteine im Prager Stadtviertel Bubeneč erinnern an ihr Schicksal.
Veröffentlichungen
Ueber einen bisher noch nicht beschriebenen Reflex vom Auge auf Kreislauf und Atmung. Verschwinden des Radialispulses bei Druck auf das Auge. Wien Klin Wochenschr 21, 1908, S. 1529
Die Blutdrüsenerkrankungen des Weibes und ihre Beziehungen zur Gynäkologie und Geburtshilfe. Bergmann, Wiesbaden 1918
Die Konstitution der Frau und ihre Beziehungen zur Geburtshilfe und Gynäkologie. Bergmann, München 1924
Beziehungen der Drüsen mit innerer Sekretion zum weiblichen Genitale. In: Halban, Josef und Seitz, Ludwig (Hrsg.), Biologie und Pathologie des Weibes. Urban & Schwarzenberg, Berlin, Wien, Bd. I, 1924, S. 635–760.
Technik der experimentellen Untersuchungen an der Hypophyse und am Zwischenhirn. In: Abderhalden, Emil (Hrsg.) Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Lieferung 129, Abt. 5, Teil 3B, Heft 2, Urban & Schwarzenberg, Berlin, Wien 1924, S. 125–148.
Gynäkologie und Innere Sekretion. Novak, Budapest-Leipzig 1927
Die Krise der Medizin. Konstitutionstherapie als Ausweg. Bernhard Aschner. Hippokrates, Stuttgart, Leipzig, Zürich. 1928
Lehrbuch der Konstitutionstherapie. Hippokrates, 1933
Heilerfolge der Konstitutionstherapie bei weiblichen Geisteskranken insbesondere bei Schizophrenie. Hippokrates, Stuttgart 1933
Der Arzt als Schicksal. Wohin führt die Medizin? A. Müller, Zürich 1939
Neohippocratism in Every Day Practice. In: Bulletin of the History of Medicine, Baltimore, Band 10 (1941), No 2 S.
The utilitaristic approach to the History of Medicine. (What can the practising physician learn from historical methods of healing?) In: Bulletin of the History of Medicine, Baltimore, Band 13 (1943), S. 291–299
Trost und Hilfe für Rheumakranke. Die derzeit erfolgreichste Behandlung des Gelenkrheumas. Reinhardt, München 1959
Technik der Konstitutionstherapie. Haug, 1961
Befreiung der Medizin vom Dogma. Nachlass geordnet, ergänzt und herausgegeben von Albert W. Bauer. 2. Aufl., Karl F. Haug, Heidelberg 1981.
Paracelsus Sämtliche Werke in 4 Bänden. 1930, Anger, 1993
Literatur
Eberhard J. Wormer: Bernhard Aschner - Giuseppe Dagnini. In: ders.: Syndrome der Kardiologie und ihre Schöpfer. Medikon, München 1989, S. 1–5
F. Asbeck: Naturmedizin in Lebensbildern. Grundlagen und Praxis. Leer 1977, S. 1, 17
K. B. Absolon: Dr. Bernhard Aschner: Surgeon, Scientist, and Scholar (1883 to 1960). In: Surgery 48, 1960, S. 979
Bauer, Albert: Zur Würdigung von Bernhard Aschner. In: Aschner, Bernhard (Verf.) Technik der Konstitutionstherapie. Haug, Ulm, Donau 1961, S. XXXI-XXXIII.
Bauer, Albert W.: (Vorwort). In: Aschner, Bernhard. Befreiung der Medizin vom Dogma. Nachlass geordnet, ergänzt und herausgegeben von Albert W. Bauer, 2. Aufl. Karl F. Haug, Heidelberg 1981.
Urs Leo Gantenbein: Aschner, Bernhard. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 110.
Lorenzsonn, Brigitte: Personalbibliographien von Professoren und Dozenten der I. und II. Universitätsfrauenklinik und der III. Geburtshilflichen Klinik in Wien im ungefähren Zeitraum von 1905-1930. Dissertation, Medizinische Fakultät, Universität Erlangen-Nürnberg 1973.
Andreas Mettenleiter: Selbstzeugnisse, Erinnerungen, Tagebücher und Briefe deutschsprachiger Ärzte. Nachträge und Ergänzungen II (A–H). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. 21, 2002, S. 490–518, hier S. 492.
Henry E. Sigerist: (Zur Würdigung von Bernhard Aschner ): In: Aschner, Bernhard (Verf.) Technik der Konstitutionstherapie. 3. Aufl. Karl F. Haug, Ulm, Donau 1961, S. XXXIII-XXXV.
Brunck-Loch, Sybille: Bernhard Aschner ( 1883 – 1960 ). Sein Weg von der Endokrinologie zur Konstitutionstherapie. Inaug. Diss., Med. Fak. der Univ. Mainz 1995.
Siehe zur Erstbeschreibung des Sexualzentrums im endokrinen Hypothalamus und zur Bibliographie und Biografie auch Pappenberger, Rudolf: Abhängigkeit der gonadalen Funktion vom Zentralen Nervensystem. Klinische Beobachtungen und Tierexperimente zwischen 1850 und 1912. Inaug. Diss., Med. Fak. der Univ. Erlangen-Nürnberg 1985
↑Anna L. Staudacher: "… meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben". 18000 Austritte aus dem Judentum in Wien, 1868–1914: Namen – Quellen – Daten. Peter Lang, Frankfurt/M. u. a. 2009, ISBN 978-3-631-55832-4, S. 28.
↑Aschner, Bernhard: Die Blutdrüsenerkrankungen des Weibes und ihre Beziehungen zur Gynäkologie und Geburtshilfe J. F. Bergmann, Wiesbaden 1918
↑Hans Bangen: Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. Berlin 1992, ISBN 3-927408-82-4. S. 37
↑holocaust.cz: EMIL ASCHNER, abgerufen am 8. Juni 2017 (mit einem Porträt)
↑Emil Aschner in der Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer der Gedenkstätte Yad Vashem
↑holocaust.cz: RICHARD ASCHNER, abgerufen am 26. Mai 2017 (mit einem Porträt)