Share to: share facebook share twitter share wa share telegram print page

 

Anna Tumarkin

Anna Tumarkin (1899)

Anna Tumarkin, geboren als Anna-Ester Pawlowna Tumarkina (russisch Анна-Эстер Тумаркина, bzw. russisch Анна Павловна Тумаркина wiss. Transliteration Anna-Ėster Tumarkina; * 4.jul. / 16. Februar 1875greg. in Dubrowno, Russisches Kaiserreich, heute Belarus; † 7. August 1951 in Gümligen) war eine Schweizer Philosophin russisch-jüdischer Herkunft.

Leben

Anna Tumarkin (1910)

Anna Tumarkin wuchs in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Chisinau auf, wo sie ihre Kindheit bis zur Sekundarschule verbrachte. Sie konnte ein Mädchengymnasium sowie ein Lehrerinnenseminar besuchen.[1] Im Jahr 1892, im Alter von 17 Jahren, ging Tumarkin für das Studium nach Bern. An der Universität Bern studierte sie Germanistik, Geschichte und Philosophie und schloss ihr Studium 1895 mit Bestnote ab. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Berlin, wo sie sich der Ästhetik widmete, kehrte sie 1898 für ihr Doktorat nach Bern zurück.[2] Ihre Dissertation zu Herder und Kant fand große Beachtung und wurde international publiziert.[1] Ihr Lehrer und Mentor war Ludwig Stein (Philosoph) (1859–1930). Sie war die erste Professorin Europas, welche die vollen Rechte besaß, Doktoranden und Habilitanden zu prüfen und im Senat Einsitz zu nehmen. Den Titel einer Extraordinaria erreichte sie 1908 an der Universität Bern auf ordentlichem akademischem Weg. Er wurde ihr nicht, wie etwa 1884 Sofja Kowalewskaja in Stockholm ad personam verschafft. Im Jahr 1906 war Tumarkin Titularprofessorin geworden. 1898 war sie als erste Frau in Bern und, nach Emilie Kempin-Spyri aus Zürich und Ida Welt in Genf, als dritte Frau in der Schweiz habilitiert worden. Ein Ordinariat erhielt sie nie, sie blieb lebenslang Extraordonaria. Damit war u. a. eine deutliche Gehaltseinbuße verbunden. Der ihr vorgezogenen Fachkollege Richard Herbertz war als ordentlichen Professor für Allgemeine Philosophie im April 1910 mit einer Jahresbesoldung von 5000.- Fr. gewählt worden.[3] Ihr hingegen gelang es erst nach langem Ringen, dass der Berner Regierungsrat ihr ab 1. Januar 1917 wenigstens ein Gehalt von 2000.- Fr. zusprach.[4] Für ihre philosophischen Arbeiten wurde sie 1937 in Bern mit dem Theodor-Kocher-Preis ausgezeichnet.[5]

Durch die politischen Wirren in ihrer vormals russischen Heimat staatenlos geworden, bewarb sich Tumarkin 1921 im Alter von 46 Jahren erfolgreich für das Schweizer Bürgerrecht.

Anna Tumarkin setzte sich für das Frauenstimmrecht in der Schweiz ein. Sie arbeitete 1928 an der 1. Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) mit. Tumarkin war die lebenslange Partnerin von Ida Hoff, der ersten Berner Schulärztin. Mit ihr teilte sie eine Wohn-, Grab- und Erbgemeinschaft.

Im Zweiten Weltkrieg stellte sie sich in den Dienst der Geistigen Landesverteidigung. In einer Sendereihe von Radio Beromünster über den «Anteil der Schweiz an der Entwicklung der Wissenschaft», sprach sie 1940 über den Anteil der Philosophie an der Entwicklung der Schweiz. Darin betonte sie die Bodenhaftung schweizerischer Gedankenspiele und vertrat die Meinung, «dem Schweizer ist die Philosophie nicht etwas Spekulatives, sondern etwas Tätiges, etwas, das sich auf allen Gebieten des Lebens und der Forschung auswirkt.»[1]

Tumarkinweg

In den 1940er Jahren erkrankte Tumarkin an Elefantiasis und beantragte 1943 aus gesundheitlichen Gründen die Pensionierung. Sie starb 1951 nach langer Krankheit in einem Gümliger Pflegeheim.[6]

Tumarkins Nachlass liegt im Staatsarchiv Bern. Im Jahr 2000 wurde in Bern zu ihren Ehren der Tumarkinweg benannt, ein Fußweg, der an ihrem ehemaligen Vortragszimmer im Hauptgebäude der Universität Bern vorbeiführt.

In ihrem 2025 erschienenen Buch über diese weltweite Pionierin zeichnet die Historikerin Franziska Rogger den Lebenslauf der gebürtigen Moldawierin auf dem Hintergrund der Zeitgeschichte in vorbildlicher Weise auf. Ebenso bietet Roggers Werk Einsicht in die mit Tumarkins verbundener Karriere außergewöhnlich mutigen Entscheidungen der Universität Bern und deren Hintergründe.[7]

Anna Tumarkin Lectures

An der Universität Bern finden zu Ehren von Anna Tumarkin seit 2022 die "Anna Tumarkin Lectures in Philosophy" statt, die alle zwei Jahre einer herausragenden Philosophin die Gelegenheit geben sollen, ihre aktuelle Arbeit einem breiteren Publikum vorzustellen.[8]

Werke

Literatur

Commons: Anna Tumarkin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Anna Tumarkin – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b c Rita Jost: Journal B. 30. Dezember 2024, abgerufen am 1. Januar 2025.
  2. Anna Tumarkin, philosopher (1875–1951). In: Universität Bern. Abgerufen am 11. Mai 2020 (englisch).
  3. Franziska Rogger: Anna Tumarkin (1875–1951): das schicksalhafte Leben der ersten Professorin, Stämpfli Verlag, Bern 2025, S. 212
  4. Franziska Rogger: Anna Tumarkin (1875–1951): das schicksalhafte Leben der ersten Professorin, Stämpfli Verlag, Bern 2025, S. 201.
  5. Der erste weibliche Privatdozent an einer europäischen Hochschule : Dr. phil. Anna Tumarkin. In: Die Schweiz. schweizerische illustrierte Zeitschrift Band 2, Heft 21, 1898 doi:10.5169/seals-572466#498
  6. Verena Parzer Epp: Anna Tumarkin (1875 – 1951). Die Gelehrte, die aus dem Osten kam. In: Verena Parzer Epp, Claudia Wirz (Hrsg.): Wegbereiterinnen der modernen Schweiz. Avenir Suisse, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2014, ISBN 978-3-03823-928-4, S. 142 ff.
  7. Alexander Sury: Der unaufhaltsame Aufstieg der Anna Tumarkin bis zur gläsernen Decke, in Der Bund vom 11. Januar 2025 ("Der kleine Bund")
  8. Anna Tumarkin Lectures. In: philosophie.unibe.ch. 21. März 2024, abgerufen am 8. Juli 2024.
Kembali kehalaman sebelumnya


Index: pl ar de en es fr it arz nl ja pt ceb sv uk vi war zh ru af ast az bg zh-min-nan bn be ca cs cy da et el eo eu fa gl ko hi hr id he ka la lv lt hu mk ms min no nn ce uz kk ro simple sk sl sr sh fi ta tt th tg azb tr ur zh-yue hy my ace als am an hyw ban bjn map-bms ba be-tarask bcl bpy bar bs br cv nv eml hif fo fy ga gd gu hak ha hsb io ig ilo ia ie os is jv kn ht ku ckb ky mrj lb lij li lmo mai mg ml zh-classical mr xmf mzn cdo mn nap new ne frr oc mhr or as pa pnb ps pms nds crh qu sa sah sco sq scn si sd szl su sw tl shn te bug vec vo wa wuu yi yo diq bat-smg zu lad kbd ang smn ab roa-rup frp arc gn av ay bh bi bo bxr cbk-zam co za dag ary se pdc dv dsb myv ext fur gv gag inh ki glk gan guw xal haw rw kbp pam csb kw km kv koi kg gom ks gcr lo lbe ltg lez nia ln jbo lg mt mi tw mwl mdf mnw nqo fj nah na nds-nl nrm nov om pi pag pap pfl pcd krc kaa ksh rm rue sm sat sc trv stq nso sn cu so srn kab roa-tara tet tpi to chr tum tk tyv udm ug vep fiu-vro vls wo xh zea ty ak bm ch ny ee ff got iu ik kl mad cr pih ami pwn pnt dz rmy rn sg st tn ss ti din chy ts kcg ve 
Prefix: a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9