In der modernen Bibelforschung wird praktisch einhellig angenommen,[1] dass der in Vers 1,1 als Verfasser angegebene „Symeon Petrus, Knecht und Apostel Christi“, nicht der Verfasser ist. Die Hauptgründe dafür sind große stilistische Unterschiede zum ersten Petrusbrief, die bereits einige Kirchenväter, wie z. B. Eusebius von Caesarea, und später Johannes Calvin diskutiert haben, eine angenommene inhaltliche Abhängigkeit vom Judasbrief (siehe auch unten „Berührungen mit dem Judasbrief“) sowie die verzögerte Aufnahme des Briefes in den Kanon.
Empfänger
Gemäß 2 Petr 1,12–15 EU und 2 Petr 3,1 EU richtet sich der Brief an die gleichen Empfänger wie der erste Petrusbrief, also an Christen in verschiedenen Gegenden Kleinasiens. Nach 2 Petr 1,1 EU richtet sich das Schreiben an alle Gläubigen, also an Juden- und Heidenchristen.
Datierung
Der Brief stellt unter anderem eine Antwort auf das Problem der ausgebliebenen Wiederkunft Christi dar. Er wird deshalb auch aus inhaltlichen Erwägungen heraus als eine der spätesten Schriften des Neuen Testaments angesehen und um 120 n. Chr. datiert.[2]
Eine Abfassung des Briefes zu Petri Lebzeiten bis etwa 64 n. Chr. wird von der Forschung ausgeschlossen.[1] Außerhalb dieses wissenschaftlichen Konsenses bewegt sich die Annahme von Klaus Berger, der den Brief als eine Antwort auf durch den 1. Brief des Paulus an die Thessalonicher entstandene Fragen auffasste und ihn deshalb um das Jahr 51 datierte.[3]
Berührungen mit dem Judasbrief
Vergleicht man den Brief des Judas und den 2. Brief des Petrus, so ist zu erahnen, dass eine literarische Abhängigkeit besteht, die vor allem im Vergleich von Jud 4-18 EU mit 2. Petrus 2,1-3,3EU offensichtlich wird. Folgende Übersicht basiert auf derjenigen von Frey[4]:
Jud 4-18
2Petr 2,1-3,3
4: die „Gottlosen“
2,1-3: die Falschpropheten
5: die Wüstengeneration
-
6: die sündigen Engel (mit dem seltenen Wort ζόφοςzóphos, deutsch ‚Finsternis‘)
2,4: die sündigen Engel (mit dem seltenen Wort ζόφοςzóphos, deutsch ‚Finsternis‘)
-
2,5: Flut, Bestrafung der alten Welt, Rettung des Noah
25: δόξα ... καὶ νῦν καὶ εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας dóxa ... kai nýn kai eis pántas toús aíōnas, deutsch ‚Herrlichkeit ... und jetzt und in alle Ewigkeit‘
3,18: ἡ δόξα καὶ νῦν καὶ εἰς ἡμέραν αἰῶνος hē dóxa kai nýn kai eis hēméran aíōnos, deutsch ‚die Herrlichkeit, sowohl jetzt als auch bis zum Tag der Ewigkeit‘
Heute geht die Mehrheit der Forscher davon aus, dass der Judasbrief ursprünglich ist und vom Verfasser des 2. Petrus benutzt wurde. Ein starkes Argument dafür ist die geschlossene Struktur des Judasbriefes, die nahelegt, dass dieser Brief frei komponiert wurde und nicht einem anderen Brief folgt. Die Möglichkeit, dass eine gemeinsame Quelle vorlag, die beide benutzten, wurde nie ernsthaft vertreten. Denn in diesem Fall wäre bei Judas – nach Abzug des Gemeinsamen – nur wenig eigener Text hinzugefügt worden.
3,15 Dem Verfasser liegt eine Sammlung von Paulusbriefen vor (wobei nicht gesagt ist, welche Briefe sie enthält), die den übrigen Schriften gleichgesetzt werden.
Barbara Aland u. a. (Hrsg.): Novum Testamentum Graecum: Editio critica maior. Bd. 4: Die Katholischen Briefe; Band 1 und 2 als Gesamtwerk. 2. Auflage, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-438-05605-4, 608 S. (vollständige textkritische Ausgabe).
ersetzte Walter Grundmann: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus (= ThHK Bd. 15). 3. Auflage, Deichert, Leipzig 1986, 126 S.
Theo K. Heckel: Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas (= Neues Testament Deutsch (NTD) Bd. 10). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-57141-5.
Heiko Krimmer, Martin Holland: Erster und zweiter Petrus-Brief. Edition C, Bibelkommentare 20. Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1994, ISBN 3-7751-1599-4 (allgemeinverständlich, anwendungsorientiert).
Karl-Heinrich Ostmeyer: Die Briefe des Petrus und des Judas (= Die Botschaft des Neuen Testaments), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2021, ISBN 3-7887-3509-0, 211 S.
Karl Hermann Schelkle: Die Petrusbriefe, der Judasbrief (= Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (HThK) Bd. 13,2). 4. Auflage, Herder, Freiburg im Breisgau 1976.
Richard J. Bauckham: Jude, 2 Peter (= Word Biblical Commentary (WBC) Vol. 50). Word Books, Waco, Texas, 1983, ISBN 0-8499-0249-5, 357 S (umfassend).
Charles Bigg: The Epistles of St. Peter and St. Jude (= International Critical Commentary (ICC)). 2nd Edition, T. & T. Clark, Edinburgh 1902 (Reprint 1961), 353 S.
Gerald Bray (Hrsg.): James, 1-2 Peter, 1-3 John, Jude (= Ancient Christian Commentary on Scripture (ACCS) Vol. 11). InterVarsity Press, Downers Grove, Illinois 2000, S. 129–163 (zu fast jedem Vers die jeweilige Kommentierung der Kirchenväter in engl. Übersetzung).
Peter H. Davids: The Letters of 2 Peter and Jude (= Pillar New Testament Commentary (PNTC)). William B. Eerdamans, Grand Rapids, Michigan / Cambridge, U.K. 2006, 348 S.
Douglas J. Moo: 2 Peter and Jude (= NIV Application Commentary (NIVAC)). Zondervan, Grand Rapids, Michigan 1996, 320 S (allgemeinverständlich, anwendungsorientiert).
Jerome H. Neyrey: 2 Peter, Jude: A New Translation with Introduction and Commentary (= Anchor Bible Vol. 37c). Doubleday, New York 1993, 287 S.
replaced Bo Reicke: The Epistles of James, Peter, and Jude (= Anchor Bible Vol. 37). 2nd Edition, Doubleday & Company, Garden City, New York 1964.
Thomas R. Schreiner: 1, 2 Peter, Jude (= New American Commentary (NAC) Vol. 37). B&H Publishing Group, Nashville, Tennessee 2003, ISBN 0-8054-0137-7, 512 S.
Rebecca Skaggs: 1 Peter, 2 Peter, Jude (= Pentecostal Commentary). T. & T. Clark International, London 2004, ISBN 0-8264-6569-2, 176 S. (pfingstkirchlich).
Duane F. Watson: The Second Letter of Peter: Introduction, Commentary, and Reflections. In: New Interpreter's Bible (NIB) Vol. 12. Abingdon Press, Nashville 1998, S. 321–361.
replaced Albert E. Barnett, Elmer G. Homrighausen: The Second Epistle of Peter. In: Interpreter's Bible Vol. 12. Abingdon Press, New York/Nashville 1957, S. 163–206.
Klaus Berger: Streit um Gottes Vorsehung. Zur Position der Gegner im 2. Petrusbrief. In: Jan Willem van Henten u. a. (Hrsg.): Tradition and Re-Interpretation in Jewish and Early Christian Literature. FS J. C. H. Lebram. StPB 36. Leiden 1986, S. 121–135.
Terrance Callan: Use of the Letter of Jude by the Second Letter of Peter. In: Biblica 85 (2004), S. 42–64.
Jörg Frey: Retter, Gott und Morgenstern. Metaphorik und Christologie im Zweiten Petrusbrief. In: Jörg Frey, Jan Rohls, Ruben Zimmermann (Hrsg.): Metaphorik und Christologie. TBT 120. de Gruyter, Berlin u. a. 2003, S. 131–148.
Anders Gerdmar: Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy. A Historiographical Case Study of Second Peter and Jude. Coniectanea biblica, New Testament series 36. Almqvist & Wiksell International, Stockholm 2001, ISBN 91-22-01915-4.
Michael J. Gilmour: The Significance of Parallels between 2 Peter and Other Early Christian Literature. Academia Biblica 10. Brill, Leiden u. a. 2002, ISBN 90-04-12714-3.
Rudolf Hoppe: Parusieglaube zwischen dem ersten Thessalonicherbrief und dem zweiten Petrusbrief. Ein unerledigtes Problem. In: Jacques Schlosser (Hrsg.): The Catholic Epistles and Tradition. BEThL 176, Leuven 2004, S. 433–449
Watson E. Mills: 2 Peter and Jude. Bibliographies for Biblical Research. New Testament Series 19. Mellen Biblical Press, Lewiston NY u. a. 2000, ISBN 0-7734-2443-1.
Hermann Josef Riedl: Anamnese und Apostolizität. Der Zweite Petrusbrief und das theologische Problem neutestamentlicher Pseudepigraphie. Regensburger Studien zur Theologie 64. Lang, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-631-54557-6.
Karl Mathias Schmidt: Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel. Epistolographie, Rhetorik und Narrativik der pseudepigraphen Petrusbriefe. Herders biblische Studien 38. Herder, Freiburg i.Br. 2003, ISBN 3-451-28184-8.
Lauri Thurén: The Relationship between 2 Peter and Jude. A Classical Problem Resolved?. In: Jacques Schlosser (Hrsg.) (ebd.), S. 451–460.
Weblinks
[1] Der 2. Petrus auf Bibleserver.com parallel in folgenden Übersetzungen dargestellt: EÜ, ELB, ZÜ und MEB – weitere Übersetzungen auf Deutsch (u. a. GNB, Hfa, NLB oder NGÜ) und anderen Sprachen verfügbar.
[2] Der 2. Petrus auf der Website der Deutschen Bibelgesellschaft parallel in folgenden Übersetzungen dargestellt: LU17, LU84 und BB – weitere Übersetzungen verfügbar.