Die Transsibirische Eisenbahn (russischТранссибирская магистраль, TranskriptionTranssibirskaja magistral; früher auch als Sibirische Eisenbahn bezeichnet, amtlich jedoch nur für die Teilstrecke vom Ural bis zum Baikalsee[1]), kurz Transsib genannt, ist die Hauptverkehrsachse des asiatischen Russlands und mit 9288 km die längste Eisenbahnstrecke der Welt. Auf der gesamten Strecke von der Hauptstadt Moskau nach Wladiwostok am Pazifik werden 400 Bahnhöfe passiert; eine Fahrt dauert in der Regel 144 Stunden (sechs Tage).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte Russland zur Ausbeutung der sibirischen Reichtümer unmöglich länger auf Pferdefuhrwerke und Lastkähne setzen, so dass in den 1870er Jahren Planungen für eine Eisenbahn durch ganz Sibirien begannen. Nachdem die russische Eisenbahn 1886 den Ostrand des Ural erreicht hatte, wurden verschiedene Trassenführungen erwogen. Finanzminister Iwan Alexejewitsch Wyschnegradski wollte Inselbetriebe bauen lassen und mit einer modernisierten Flussschifffahrt kombinieren. Aber Zar Alexander III. entschied sich auf Anraten von Verkehrsminister (ab 1892 Finanzminister) Sergei Juljewitsch Witte, der selbst Erfahrungen in der Eisenbahnwirtschaft hatte, für eine durchgehende Bahnstrecke, die Transsib.
Witte kalkulierte, dass Russland durch die Transsib einen leichteren Zugang zum chinesischen Markt hätte, so dass auch der europäische Handel mit China zum Teil auf diesen Weg verlagert werden könnte. So war z. B. beabsichtigt, den chinesischen Teehandel, den Großbritannien durch den indischen Tee zerstört hatte, wieder zu beleben. Ebenso wurde es durch eine Eisenbahn wirtschaftlich, sibirisches Getreide in den europäischen Teil Russlands und nach Russisch-Mittelasien zu transportieren. Dazu kam die Erwartung, dass die Bahn die sibirische Wirtschaft ankurbeln und ausländische Investitionen anlocken würde.
Finanzierung
Das Projekt zum Bau der Transsib wurde von Finanzminister Witte geleitet. Das Investitionsvolumen wurde anfangs auf 325 Millionen Rubel geschätzt, was angesichts der russischen Staatsschulden nur durch die Aufnahme von Anleihen im Ausland, insbesondere in Frankreich und Belgien, möglich war. Diese Kredite wurden buchhalterisch als „Einnahmen“ verbucht. Zum Bau wurden russische Geräte und einheimisches Material verwendet, wodurch die einheimische Produktion an Eisen, Stahl, Kies, Zement und Holz einen starken Aufschwung nahm. Ein Drittel der russischen Jahresproduktion an Roheisen wurde zum Bau der Transsib verwendet.
Über die endgültigen Baukosten gibt es abweichende Angaben. Ähnlich wie bei anderen staatlichen Großinvestitionen in Sibirien und anderswo überschritten die endgültigen Kosten von mehr als einer Milliarde Rubel das prognostizierte Investitionsvolumen bei weitem. Die durchschnittlichen Baukosten sollen 72.000 Rubel pro Kilometer betragen haben, bei der Baikalsee-Umgehung 197.000 Rubel pro Kilometer.
Bau von 1891 bis 1916
Im März 1891 proklamierte Zar Alexander III. den Baubeginn für die Transsib und der damalige ZarewitschNikolai, der spätere letzte Zar von Russland, führte in der Nähe von Wladiwostok den ersten Spatenstich durch.[2]
Im Oktober 1916 wurde die Transsib mit der Einweihung der Amurbrücke bei Chabarowsk fertiggestellt.
Aufgrund der riesigen Entfernungen wurde der Bau der Strecke in verschiedenen Regionen zeitgleich durchgeführt. Die heute noch existierenden Eisenbahnverwaltungen erhielten ihre Namen nach diesen Bauabschnitten:
Dieser Abschnitt wurde von 1891 bis 1897[3] gebaut und erstreckt sich von Wladiwostok aus über 800 km.
Er war mangelhaft geplant. Am Amur mussten ganze Streckenabschnitte neu vermessen werden, als sich herausstellte, dass die Trasse im Überflutungsbereich des Flusses verlief, der im Frühjahr zehn Meter Hochwasser führte.[4] Am Ussuri verschütteten Erdrutsche bereits fertiggestellte Bahndämme, Oberbau und Gleise versanken, wenn der Permafrostboden oberflächlich taute.
Westlicher Abschnitt (Tscheljabinsk–Irkutsk)
Von Tscheljabinsk am Ural aus startete 1893 ein zweiter 1920 km langer Bauangriff von Westen. 1894 war Omsk am Irtysch erreicht, im Folgejahr Nowosibirsk am Ob. In Krasnojarsk am Jenissej traf der erste Zug am 6. Dezember 1896 ein, in Irkutsk am 16. August 1898.[5]
Zu den Schwierigkeiten dieses Bauabschnittes gehörten als besondere Ingenieurbauwerke Brücken über die großen sibirischen Ströme und die Notwendigkeit, in der zentralsibirischen Barabasteppe Brunnen ausheben zu müssen, da das Oberflächenwasser für Dampflokomotiven nicht verwendbar war.
Baikal- und ostsibirischer Abschnitt
Im Bereich des Baikalsees wurde das Gelände gebirgig und schwieriger. Erstmals mussten Tunnel gebaut werden; über 30 Tunnel und 200 Brücken auf einer Strecke von 260 km waren notwendig. Der Abschnitt am Ostufer des Baikalsees war 1072 km lang und wurde zwischen 1895 und 1900 gebaut. Auch hier war die Planung mangelhaft. Bei einem Hochwasser 1897 wurden 300 km Strecke mit 15 Brücken weggespült.[4]
Der Streckenverlauf am Baikalsee war lange Zeit umstritten. Zwei Streckenverläufe standen zur Auswahl. Der eine – zwischen Irkutsk und Baikalsee etwa dem heutigen Verlauf entsprechend – war wegen der starken Steigungen umstritten, die damals zur Verfügung stehenden Lokomotiven hätten ihn vermutlich nicht bewältigt. Diese Strecke hatte den Nachteil hoher Kosten aufgrund vieler Brücken, Tunnels und Uferbefestigungen und beinhaltete einen erheblichen Umweg.
Der umgesetzte Alternativvorschlag war die Baikalbahn von Irkutsk entlang des Ufers der Angara zum Baikalsee. Von dort verkehrten im Sommer zwei Dampfschiffe mit Eisbrecherqualitäten, von denen eines als Trajekt Wagen zum gegenüberliegenden Ufer des Sees übersetzte. Die Schiffe wurden in England gebaut, in Einzelteile zerlegt, an den Baikalsee transportiert und dort zusammengebaut. Ab 1900 transportierten die Eisenbahnfähre Baikal (im Bürgerkrieg schwer beschädigt und unweit des Hafens Myssowaja versenkt) und die Personenfähre Angara (heute Museum in Irkutsk) Wagen, Ladung bzw. Reisende über den See. Im Winter wurden Ladung und Reisende mittels Pferdeschlitten über den zugefrorenen Baikal gebracht. Ab Januar 1901[6] wurden auch Schienen auf dem Eis des Baikalsees verlegt. Dabei wurden jedoch die Wagen und gelegentlich auch in zwei Teile zerlegte Lokomotiven einzeln von Pferden über den See gezogen.[7] Eine Lokomotive versank dabei im Baikalsee. Während des Russisch-Japanischen Kriegs reichte diese Lösung wegen der zu geringen Kapazität nicht mehr aus: Der Bau der Baikalsee-Umfahrung wurde forciert und im Herbst 1904 fertiggestellt.
Ausbaustandard
Aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen – bis zu −50 °C im Winter und Bodenfrost bis in den Juni hinein – war und ist der mögliche Zeitraum für Arbeiten kurz. Brücken wurden zunächst nur aus Holz und erst im Nachhinein aus Stein oder Stahl errichtet, um schneller voranzukommen. Das hatte den Nachteil, dass sie durch Funkenflug in Brand geraten konnten. Viele Baumaterialien (außer Holz und Steinen) mussten den Seeweg über Odessa nach Wladiwostok nehmen.
Zunächst wurde die Strecke eingleisig ausgebaut. Aus Kostengründen wurden bei Qualität von Material und Ausbau die unteren Grenzen des Vertretbaren gewählt. Das Planungskomitee senkte dafür die technischen Anforderungen ab. Die Gleise waren nur halb so schwer wie üblich und bogen sich (andernfalls wären sie bei Tauwetter aber auch schneller eingesunken) und Schwellen verfaulten im Boden. Tunnelbau wurde zugunsten starker Neigungen und enger Bögen vermieden, so dass die Höchstgeschwindigkeit stellenweise nur 20 km/h betrug. Nach einem Frühlingsregen „hüpften die Züge wie Eichhörnchen vom Gleis“, wie ein verbitterter Ingenieur bemerkte, so dass es im ersten Betriebsjahr zu bis zu drei Unfällen pro Tag kam.
Arbeiter
Je weiter die Baustellen im Osten lagen, desto häufiger ersetzten die um die Hälfte billigeren Saisonarbeiter aus China, Korea und Japan russische Lohnarbeiter (45 Rubel Monatslohn). Auch Strafgefangene und Zwangsarbeiter wurden dort erstmals eingesetzt. Nur 29 Prozent der Arbeiter stammten aus Sibirien. Jeder vierte Steinmetz für den Brückenbau kam aus Italien. Die Gesamtzahl der 1895 tätigen Bauarbeiter betrug fast 30.000. Schätzungen zufolge waren an den verschiedenen Streckenabschnitten bis zu 90.000 Arbeiter gleichzeitig mit dem Bau beschäftigt.
Unzureichende Arbeitssicherheit und zahlreiche in Asien noch weit verbreitete Krankheiten, deren Auswirkungen sich durch chronischen Ärztemangel und fehlende sanitäre Anlagen verschlimmerten, dezimierten die Bautrupps. Zehntausende kamen beim Bahnbau ums Leben.
Chinesische Osteisenbahn
Bereits im Februar 1903 wurde als Abkürzung der Transsib zwischen Tschita und Wladiwostok die Chinesische Osteisenbahn (auch Transmandschurische Eisenbahn) über chinesisches Staatsgebiet eröffnet. Eine rasche Abfolge verschiedener Schwierigkeiten ließ deren Baukosten in die Höhe schnellen: 1899 und 1901 brach die Beulenpest und 1902 die Cholera aus. 1900 zerstörten Bauarbeiter, die sich dem Boxeraufstand angeschlossen hatten, rund 700 Kilometer Gleise.
Russisch-Japanischer Krieg
Zu Beginn des Russisch-Japanischen Kriegs im Februar 1904 war die Kapazität der Transsib auf zehn Züge pro Tag und Richtung beschränkt. Bis zum Kriegsende konnte die Kapazität jedoch mehr als verdoppelt werden. Doch auch dies reichte militärisch nicht aus: Russland unterlag. Das hatte zur Folge, dass ab 1908 streckenweise begonnen wurde, ein zweites Gleis zu errichten. Für den entsprechenden Ausbau der Gesamtstrecke wurden mehr als 500 Millionen Rubel veranschlagt. Der komplette zweigleisige Ausbau konnte allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt werden. Auch wurde 1908 erneut mit dem Bau der Transsib entlang des Amur begonnen. Dessen Niedrigwasser verhinderte, dass hier ganzjährig Schifffahrt möglich war.
Auswirkungen des Bahnbaus
Die Transsibirische Eisenbahn hatte unmittelbar positive Auswirkungen auf die Wirtschaft des Gebietes, das sie erschloss: Auslandsinvestitionen in Bergbau, Handel, Eisenbahnen und Fabriken, verbunden mit der Errichtung von Konsulaten und Außenhandelsbüros in Wladiwostok, waren Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs. Gehandelt wurde mit Holz, Kohle und Lebensmitteln.
Ein weiteres Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs war die Zuwanderung. Bei Baubeginn (1891) hatte Sibirien rund fünf Millionen Einwohner. Aber allein zwischen 1903 und 1914 siedelten sich rund vier Millionen Bauern entlang der Trasse an. Der Fahrpreis für Zuwanderer betrug pro Familie nur fünf bis zehn Rubel, da die Zuwanderung im staatlichen Interesse lag.
Ausbau
Der zweispurige Ausbau der Transsib wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt. Im Zusammenhang mit der Projektierung des Irkutsker Stausees an der Angara wurde die ursprünglich verworfene Direktverbindung von Irkutsk bis Sljudjanka über einen Pass des Baikalgebirges mit mehreren Eisenbahntunneln errichtet. Die neue Strecke ging 1949 in Betrieb.[8] Beide Strecken wurden zunächst parallel betrieben, wobei die neue weiter ausgebaut und bis 1956 elektrifiziert wurde. Nach Flutung des Irkutsker Stausees, der 1959 fertiggestellt war, wurde die alte Strecke zwischen Irkutsk und dem Baikal stillgelegt. Der Abschnitt Sljudjanka–Port Baikal der Bahn wurde damit zu einer Stichstrecke von nur noch lokaler und touristischer Bedeutung.
In den 1950er und 1960er Jahren wurden von der Transsib ausgehend mehrere Stichbahnen nach Norden und Süden angelegt, um die Holzeinschlaggebiete der Taiga und die Getreidekammern der Steppe besser anzubinden. So entstanden etwa die Südsibirische Bahn von Jurga über Nowokusnezk und Abakan bis Taischet, die einen Gürtel von zwei- bis fünfhundert Kilometern um die Transsib verkehrstechnisch erschließen. Aus militärstrategischen Gründen (die Transsib läuft stellenweise unweit der russisch-chinesischen Grenze) wurde eine zweite, nördlicher trassierte Strecke, die Baikal-Amur-Magistrale, verlegt. Sie zweigt in Taischet von der Transsib ab und verläuft parallel etwa 600 Kilometer nördlich von ihr zum Pazifik.
Weil Wladiwostok früher militärisches Sperrgebiet war, mussten Ausländer von Ussurijsk (km 9177) nach Nachodka (Ausreisehafen für Ausländer nach Yokohama, Japan) fahren. Mit dieser Variante ist die Gesamtstrecke sogar 9438 km lang.
Elektrifizierung
Die durchgehende Elektrifizierung wurde am 25. Dezember 2002 nach 74 Jahren abgeschlossen. Sie erfolgte über Jahrzehnte in Teilabschnitten:
1942: kurzer Abschnitt im Stadtgebiet von Swerdlowsk (Personenbahnhof–Rangierbahnhof, 3km)
1951: Beginn der Elektrifizierung des sibirischen Teils mit dem Abschnitt Tschulymskaja–Ob (115km)
1958: Beginn der Elektrifizierung der Strecke für den Fernverkehr bis zum Ural mit dem Abschnitt Alexandrow–Jaroslawl (170km)
1960: Mit 947 Kilometern werden die meisten Streckenkilometer innerhalb eines Jahres elektrifiziert: Mariinsk–Tschernoretschenskaja westlich von Krasnojarsk, sowie Ujar–Taischet–Sima
1962–1963: Elektrifizierung des östlichsten Abschnitts der Transsib Ussurijsk–Wladiwostok (112km)
1969: Fertigstellung der Elektrifizierung des europäischen Teils mit dem 238km langen Abschnitt von Nomscha, zwischen Galitsch und Manturowo gelegen, bis Swetscha, westlich von Kotelnitsch
1979–1981: Elektrifizierung des 452km langen westlichen Abschnitts der Fernosteisenbahn von Archara, östlich von Sawitinsk bis Chabarowsk
1983/1984: Abschluss der Elektrifizierung in Westsibirien mit dem 415km langen Abschnitt von Wagai bei Tjumen bis Nasywajewskaja
1983–1994: Lückenschluss Ostabschnitt der Transbaikal-Eisenbahn Karymskaja–Archara (1785km)
1993 bis 25. Dezember 2002: Lückenschluss Fernosteisenbahn Chabarowsk–Ussurijsk (645km)
Die Elektrifizierung begann mit der damals im Moskauer Gebiet üblichen Gleichspannung von 1,5 kV. Heute wechseln auf der Strecke Abschnitte, die mit 3kV Gleich- und 25kV Wechselspannung bei 50Hz versorgt werden. Von Meždurečensk und Mariinsk bis zum Streckenende in Wladiwostok und Nachodka besteht durchgehend Betrieb mit 25kV Wechselspannung.
Strecke
Die Strecke verläuft über 7000 km von West nach Ost und 1400 km von Nord nach Süd (Insgesamt 9288 km). Die Fahrzeit beträgt etwa 174 Stunden. An der Strecke befinden sich 146 Stationen. Sie wird landschaftlich vorwiegend durch Taiga geprägt. Im Ural bei Kilometer 1777 markiert ein Obelisk südlich der Gleise die Grenze zwischen Europa und Asien.
Über die Transsibirische Eisenbahn verkehrt auch die längste durchgehende Zugverbindung der Welt (Moskau–Ussurijsk–Pjöngjang). Jeden zweiten Tag verlässt ein Zugpaar 1/2 (Rossija) den Jaroslawler Bahnhof in Moskau und in der Gegenrichtung Wladiwostok, um bei planmäßigem Verlauf 144 Stunden (sechs Tage) später in Wladiwostok am Japanischen Meer anzukommen. Zusätzlich verkehrt in ebenfalls zweitägigem Rhythmus das Zugpaar Nr. 99/100 bei rund 160 Stunden Fahrzeit. Für dieses Angebot sind gleichzeitig immer 15 Zuggarnituren im Einsatz.[9] Neben diesen Zugpaaren verkehrt eine Vielzahl anderer Züge auf der Strecke. Bei Touristen beliebt sind die beiden Zugpaare nach Peking. Eines fährt über die Transmongolische Eisenbahn (Nr. 3/4), das andere über die Mandschurei (Nr. 19/20).
Nahezu jede Stadt entlang der Transsibirischen Eisenbahn oder im Umfeld der Strecke hat ein eigenes Zugpaar nach Moskau: Moskau–Omsk, –Nowosibirsk, –Nowokusnezk, –Kemerowo, –Tomsk, –Krasnojarsk, –Abakan, –Irkutsk, –Ulan-Ude, –Sewerobaikalsk, –Tschita oder –Chabarowsk. Aber nicht jeder Fernzug, der die Strecke befährt, fährt nach oder kommt von Moskau, wie die Zugpaare Nowosibirsk–Wladiwostok, Omsk–Nowosibirsk, Nowosibirsk–Krasnojarsk, Krasnojarsk–Irkutsk oder Charkow–Wladiwostok zeigen. Züge verkehren täglich, alle zwei Tage oder wöchentlich. Im Sommer gibt es zusätzlich Saison-Züge von vielen sibirischen Städten ans Schwarze Meer (Adler) sowie in den Kaukasus (Kislowodsk).
Offene Liegewagen-Großraumabteile (52 Liegen), mit 2 + 2 Liegen quer und 2 Liegen längs zur Fahrtrichtung (Plazkartny)
Einige wenige Züge führen darüber hinaus Schlafwagen mit Zweibettabteilen quer zur Fahrtrichtung
Tagsüber verbinden vereinzelt Schnellzüge mit Sitzplätzen Städte entlang der Transsibirischen Eisenbahn, zum Beispiel Omsk–Nowosibirsk. Dieser Markt entwickelt sich jedoch erst. Außerdem gibt es für den Nahverkehr tagsüber Elektritschkas, die alle Haltepunkte bedienen. Theoretisch könnte man von Moskau bis Wladiwostok fast ausschließlich mit Elektritschkas fahren – müsste dafür jedoch über fünfzigmal umsteigen und einige Wochen Fahrzeit einplanen. Allein zwischen Omsk und Nowosibirsk muss man beispielsweise zweimal ohne direkten Anschluss umsteigen.
Die Wagen für die Züge sowie das Wagenpersonal stellt prinzipiell der dezentralere der beiden Abfahrtsbahnhöfe. Die Wagen für den Zug Moskau–Tomsk und umgekehrt sind also beispielsweise in Tomsk beheimatet. Die Wagen werden auf der tagelangen Fahrt regelmäßig geprüft. Die Bahnhöfe in Moskau, am Schwarzen Meer und im Kaukasus haben kaum eigene Wagen. Bei der Vielzahl der Verbindungen wäre kein Platz dafür. Die Lokomotiven hingegen werden unterwegs mehrmals gewechselt, was allein wegen der wechselnden Fahrleitungsspannungen notwendig ist. Jedes Bahnbetriebswerk betreut etwa 500 Kilometer Strecke.
Eine Fahrkarte von Moskau nach Wladiwostok kostete im durchgehenden Zug beispielsweise im Januar 2013 im Zweibettabteil umgerechnet 922 Euro, im Vierbettabteil 493 Euro und im Großraumliegewagen 243 Euro. Allerdings gibt es starke saisonale Schwankungen. 2014 wurden bis zu 50-prozentige Frühbucherrabatte eingeführt.[10]
Am 4. Juni 1989 ereignete sich nahe Ascha zwischen Ufa und Tscheljabinsk das schwerste Eisenbahnunglück der sowjetischen Geschichte. Nahe der Bahnstrecke war eine Gas-Pipeline undicht geworden und das ausströmende Gas explodierte, als sich zwei Personenzüge begegneten. Mindestens 575 Menschen kamen dabei ums Leben, über 600 wurden z. T. schwer verletzt.
Streckenzustand und Wirtschaftlichkeit
Der Zustand der russischen Eisenbahnen ist allgemein gut bis befriedigend, die Transsibirische Eisenbahn als Hauptmagistrale der RŽD ist in sehr gutem Zustand. Es gibt kaum Langsamfahrstellen, jedoch auch keine Hochgeschwindigkeitsabschnitte. Mehrfach wurde der Ausbau einzelner Abschnitte zur Hochgeschwindigkeitsstrecke geplant; oft wird der Abschnitt zwischen Omsk und Nowosibirsk genannt, der auf 650 Kilometer Länge nahezu keine Kurven oder Steigungen aufweist. Siemens hatte bereits Vorverträge für den Ausbau und den späteren Wagenpark unterschrieben, im Moment liegt das Projekt jedoch auf Eis.
Mit Fertigstellung der Fernstraße M58 Amur 2004 (durchgehend asphaltiert seit 2010) zwischen Tschita und Chabarowsk verlor die Bahn ihr Monopol der Anbindung des russischen Fernen Ostens an den Rest des Landes im Landverkehr.[11]
Projekte
Zusammen mit der Deutschen Bahn wurden seit 1997 Pläne entwickelt, die Transsibirische Eisenbahn als Transportweg für Güter aus dem Fernen Osten nach Europa zu nutzen. Wegen der Wirtschaftskrise und damit stark gesunkenen Frachtraten auf dem Seeweg wurden die Pläne aber zunächst gestoppt.[12] Seit 2010 werden nun mehrere Güterzüge zwischen China und Europa angeboten. Deren Ladung wird auf Spurwechselbahnhöfen zwischen Regel- und Breitspur umgeladen. Seit Ende November 2011 fährt ein täglicher Zug des Trans-Eurasia-Express für BMW vom Werk Leipzig nach Shenyang.[13]
Die chinesische und die russische Regierung beabsichtigen, die Fahrtzeit von Moskau nach Peking von jetzt sechs Tagen auf unter zwei Tage zu verkürzen. Im Oktober 2014 haben sie dazu ein Memorandum unterzeichnet, das den Neubau einer rund 7000 Kilometer langen Schnellzugstrecke vorsieht. Sie soll 180 Milliarden Euro kosten.[14]
Bodo Thöns: Die Transsibirische Eisenbahn – Die frühen Jahre 1900–1916. 1. Auflage. Sutton, Erfurt 2004, ISBN 3-89702-632-5.
Sören Urbansky: Kolonialer Wettstreit. Russland, China, Japan und die Ostchinesische Eisenbahn (= Globalgeschichte. Band4). Campus, Frankfurt am Main / New York 2008, ISBN 978-3-593-38771-0 (Zugl.: Frankfurt [Oder], Univ., Magisterarbeit, 2006).
Hans Engberding, Bodo Thöns: Transsib-Handbuch. Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn. 3., überarb. und erw. Auflage. Trescher, Berlin 2003, ISBN 3-89794-037-X.
Karl Johaentges (Fotograf), Jackie Blackwood: Lissabon – Hongkong mit der Eisenbahn. KaJo-Verlag, Hannover 1989, ISBN 3-925544-02-X.
Jan Merwitz: Zügig durch Russland – 3. Klasse Transsib, 3 Wochen und immer wieder Lenin. 1. Auflage. Reise Know-How-Verlag Rump, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8317-3498-6, S.252.
Simon Richmond u. a.: Trans-Siberian Railway. 5. Auflage. Lonely Planet Publications, Footscray 2015, ISBN 978-1-74220-740-7.
Peer Schmidt-Walther: Die Transsib. Eine Reise auf der berühmtesten Eisenbahnstrecke der Welt. In: Eisenbahn-Kurier. 200 (Jahrgang 23). EK, 1989, ISSN0170-5288, S.68–74.
Bodo Thöns, Gregor M. Schmid: Transsibirische Eisenbahn. Weltbild Verlag, Augsburg 2005, ISBN 3-8289-3174-X.
Bryn Thomas: Trans-Siberian handbook. The guide to the world’s longest railway journaey with 90 maps and guides to the route, cities and towns in Russia, Mongolia & China. 8. Auflage. Bearbeitet von Anna Cohen Kaminski. Trailblazer Publications, Hindhead 2011, ISBN 978-1-905864-36-2.
Petra Woebke: Die Transsibirische Eisenbahn. Moskau – Wladiwostok. Reich – terra magica, Luzern 2003, ISBN 3-7243-0383-1.
Karten, Atlanten
Н. П. Лагутина, Т. Ю. Набокова, Т. П. Филатова: Атлас Железные Дороги. Omsk 2010.
Transsberian. In: trains-worldexpresses.com. 2007; abgerufen am 12. Januar 2024 (englisch).
Sergej Sigatschow, Patrick Bonacker: Transsib – Streckenschema. In: trans-sib.de. 1. Oktober 2000; abgerufen am 12. Januar 2024 (Tabellarische Darstellung des Streckenverlaufs).
Züge der Transsibirischen Eisenbahn. In: transsibirische-eisenbahn.eu. Abgerufen am 19. Februar 2022 (Transsib-Zugvergleich, inkl. Fotos und Erklärung zu den Unterschieden).
Transsib Info –Bau und Geschichte. In: reisen-russland.de. Abgerufen am 12. Januar 2024 (zu Bau und Geschichte der Transsibirischen Eisenbahn).
↑Sibirische Eisenbahn. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage 1905–1909. 1909, abgerufen am 25. Oktober 2016.
↑Benjamin Triebe: 100 Jahre und unsichere Zukunft: Die Transsib steckt fest. In: nzz.ch. 21. Oktober 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2016; abgerufen am 19. Februar 2022. Haywood, S. 328. Einen Überblick geben: F. T.: Eisenbahnbauten in Russland und Sibirien. In: Deutsche Bauzeitung. XXXI. Jahrgang. N° 31 (vom 17. April 1897), S. 198 (PDF; 11,3 MB auf opus4.kobv.de.) F. T.: Die gegenwärtig im Bau und im Betriebe befindlichen Strecken der sibirischen Eisenbahnen und der Amur-Schiffahrtsweg. In: Deutsche Bauzeitung. XXXI. Jahrgang. N° 79 (vom 2. Oktober 1897), S. 498 (PDF; 20,9 MB auf opus4.kobv.de.)
↑History of Circum-Baikal railway. In: kbzd.irk.ru. 17. Juni 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. April 2007; abgerufen am 20. Februar 2011 (englisch).
↑Fridtjof Nansen: Gjennem Sibirien. Jacob Dybwads forlag, Kristiania 1914, S.305.
↑Laut Eröffnungsdatum diverser Bahnhöfe an diesem Abschnitt, s. Anatolij Archangelʹskij, Vladimir Archangelʹskij: Železnodorožnye stancii SSSR. Spravočnik. Transport, Moskau 1981 (russisch, Eisenbahnstationen der UdSSR. Handbuch).
↑RZD-Pressemitteilung: 187 new long-distance night coaches with air disinfection systems have been supplied onto the Russian Railways network. In: OSJD Bulletin 2/2020, S. 48.