Marcellinus ComesMarcellinus Comes ("Graf Marcellinus", † nach 534) war ein spätantiker oströmischer Geschichtsschreiber. Leben und WerkFlavius Marcellinus stammte wie die Kaiser Justin I. und Justinian, unter denen er sein Werk verfasste, aus dem Illyricum und damit aus einer Region des Oströmischen Reiches, in der nicht Griechisch, sondern Latein die Verkehrssprache war. Nach einer militärischen Laufbahn diente er Justinian vor dessen Thronbesteigung als cancellarius und wurde anschließend Hofbeamter (daher auch der Titel comes). Marcellinus verfasste um 520 (nach Ansicht mancher Forscher erst nach 523) in Konstantinopel eine erste Fassung seiner Chronik, die an die Werke von Eusebius und Hieronymus anknüpfte und in lateinischer Sprache die Ereignisse der Jahre 379 (Thronbesteigung des Theodosius I.) bis 518 (Beginn der Herrschaft Justins) beschrieb. Das Werk ist vollständig erhalten und stellt vor allem für die Geschichte Ostroms eine wichtige und ergiebige Quelle dar. Neben der politischen Geschichte wird am Rande auch die Kirchengeschichte erwähnt. Zudem kann die Chronik, die eindeutig für ein oströmisches Publikum bestimmt war, als ein Beispiel dafür gelten, dass Latein in Ostrom unter Justinian noch immer eine wichtige Rolle spielte – Marcellinus dürfte zur bedeutenden lateinischsprachigen Minderheit in Konstantinopel gezählt haben. Sein Werk fand aber auch im Westen Verbreitung und wurde unter anderem von Cassiodor zitiert. Marcellinus verfasste selbst noch eine Fortsetzung der Chronik bis ins Jahr 534. Anlass war die Eroberung des Vandalenreichs durch Justinians Truppen in besagtem Jahr. Dass Marcellinus den quasi-offiziellen Standpunkt des kaiserlichen Hofes vertrat, wird etwa an seinem Eintrag zum Nika-Aufstand von 532 deutlich; hier weicht er radikal von der Lesart der meisten Quellen ab und stellt die Vorgänge als Usurpationsversuch des Flavius Hypatius dar. Marcellinus, der offenbar noch mindestens ein weiteres, verlorenes Werk verfasste und zuletzt wohl Geistlicher wurde, dürfte irgendwann nach 534 gestorben sein; ein Unbekannter (auct. chron. II) führte den Bericht dann mindestens bis zum Jahr 548 fort. Marcellinus und das Jahr 476Bemerkenswert ist, dass sich in der Chronik erstmals die Ansicht greifen lässt, dass das Jahr 476, in dem Romulus Augustulus, der letzte Kaiser in Italien, abgesetzt worden war, das Ende des weströmischen Kaisertums bedeutet habe:
– Marcellinus Comes: Chronicon[1] Diese Interpretation der Ereignisse sollte sich in der Folgezeit durchsetzen und dann bis in das 20. Jahrhundert hinein als Datum nicht nur für den „Untergang des Römischen Reiches“, sondern allgemein für das „Ende der Antike“ anerkannt bleiben. Erst die jüngere Forschung hat sich von der Fixierung auf das vermeintliche Epochenjahr 476 gelöst. In der älteren Forschung wurde lange Zeit zudem angenommen, dass diese Passage auf einer Quelle basiert, die den westlich-senatorischen Standpunkt darstelle, etwa die verlorene Historia Romana des Quintus Aurelius Memmius Symmachus. Diese Ansicht kann nach den Forschungen Brian Crokes als widerlegt gelten. Wahrscheinlich spiegelt die Ansicht des Marcellinus stattdessen die offizielle oströmische Position der Zeit um 520 wider: Da es im Westen kein Kaisertum mehr gebe, sei er nun direkt dem Herrscher in Konstantinopel unterstellt.[2] Justinian I. sollte diese Ansprüche dann wenig später mit einigem (aber nur kurzzeitigen) Erfolg auch durchzusetzen versuchen. Ausgaben und Übersetzungen
Literatur
WeblinksWikisource: Marcellinus Comes – Quellen und Volltexte
Anmerkungen
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