Bronzestatuen von RiaceDie Bronzestatuen von Riace sind zwei griechische Bronzefiguren aus der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Sie befinden sich seit 1981 im Museo Archeologico Nazionale di Reggio Calabria in Reggio Calabria.[1] Die beiden Statuen stellen Männer dar, die ursprünglich wohl bewaffnet und mit Kopfbedeckungen versehen waren. FundDie Statuen wurden am 16. August 1972 etwa 300 Meter vor der Küste bei Riace, Provinz Reggio Calabria (Italien) von einem Hobbytaucher gefunden; sie lagen nur wenige Meter auseinander in einer Tiefe von 7 bis 8 Metern. Wenige Tage später wurden sie gehoben und an Land gebracht. Bei einer nachträglichen Untersuchung des Fundplatzes im September 1973 wurden der bronzene Handgriff des Schildes von Statue B und 28 kleine Bleiringe, die wohl zu einem Segel gehörten, entdeckt. Da sich aber ansonsten in der Nähe des Fundortes keine weiteren Spuren eines antiken Schiffes auf dem Meeresgrund fanden, wird davon ausgegangen, dass die schweren Figuren während eines Sturmes oder eines Angriffs von Seeräubern absichtlich über Bord geworfen wurden. Wann genau der Schiffstransport stattfand, ob noch zur Zeit der Römischen Republik oder schon in der Römischen Kaiserzeit, ist unklar. RestaurierungBronze korrodiert nur wenig (zumindest im Vergleich zu Eisen). Aber auf den stärker gerauhten Bereichen der Figurenoberfläche (Gesicht, Bart, Haare, Schamhaare), befanden sich Anhaftungen von Muscheln etc. Im Centro di restauro della Soprintendenza Archeologica in Florenz wurden diese behutsam mit Skalpellen, Ultraschallbohrern etc. entfernt. Dabei kamen beispielsweise die Augenbrauen, die Wimpern und die elfenbeinernen Einlagen der Augen zum Vorschein. Das Innere der Figuren war verschlammt und verkrustet – zur Reinigung öffnete man die Figuren an den Füßen und führte eine Grobreinigung mit Hilfe von Löffeln, Stangen etc. durch; zur Feinreinigung benutzte man destilliertes Wasser und Wasserstoffperoxid. Danach legte man die Bronzefiguren für mehrere Jahre in eine Konservierungslösung. BeschreibungBeide Statuen sind etwa zwei Meter hoch (Statue A: 2,05 m; Statue B: 1,97 m) und wiegen jeweils etwa 400 Kilogramm. Sie wurden aus mehreren separat gegossenen Teilstücken zusammengelötet. An der Haltung der beiden linken Arme erkennt man, dass die Figuren ursprünglich hölzerne Schilde trugen, von denen sich jedoch nichts erhalten hat. In der rechten Hand trugen sie möglicherweise eine Hiebwaffe, eine Schleuder oder ähnliches. Statue A trägt ein Stirnband, Statue B einen Helm. Beide Figuren sind nackt, tragen einen vollen Bart und stehen in einem leichten Kontrapost. Brustwarzen und Lippen sind durch Kupferauflagen leicht rot gefärbt; die Zähne haben eine Silberauflage. Bei der Statue A haben sich noch Reste der Wimpern erhalten. Der Gesichtsausdruck beider Figuren ist aufmerksam, aber dennoch voller Ruhe und Gelassenheit. Spuren früherer Kämpfe (Narben etc.) sind nicht erkennbar. DatierungKörperhaltung der Statuen, Material und Gusstechnik deuten darauf hin, dass sie zur gleichen Zeit entstanden sind. Aufgrund der gleichermaßen realistischen wie idealtypischen Darstellungsweise ist eine Datierung in die hochklassische Periode der Griechischen Kunst, also um 460-430 v. Chr., wahrscheinlich. Als ihr Schöpfer wurde der von Plinius erwähnte Pythagoras von Rhegion,[2] ein Bildhauer des 5. Jahrhunderts v. Chr., ins Spiel gebracht.[3] Dessen Wirken ist zwar umfangreich in der schriftlichen Überlieferung bezeugt, doch ist kein antikes Werk gesichert mit seinem Namen zu verbinden und sein individueller Stil bleibt gänzlich unbekannt. DeutungDie beiden Figuren wurden als Krieger, Athleten bzw. Gladiatoren oder sogar als Götter gedeutet – möglicherweise waren es ursprünglich Weihegeschenke an einen Tempel. Bei der Statue B wurden Bleizapfen unter den Füßen entdeckt, was auf eine frühere Aufstellung auf einem Sockelpodest hindeutet.
Neuere Untersuchungen, Vermessungen und der Prozess einer experimentellen Rekonstruktion, die vom Liebieghaus Polychromy Research Project (Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann) mit Unterstützung von Salvatore Settis und dem italienischen Ministerium für Kultur durchgeführt wurden, liefern die Grundlage für eine neue Deutung der Figuren.[4] Am unfertigen Oberkopf von Riace B finden sich Spuren, die der Befestigung einer Fuchsfellkappe (griechisch: Alopekis) gedient haben könnten. Die rechte Hand hielt nach Ausweis der erhaltenen Spuren eine Waffe mit kurzem Stiel, also eine Streitaxt. Der Zeigefinger der linken Hand von Riace B ist gekrümmt[5] und hielt ursprünglich einen Pfeil, während die linke Hand offensichtlich einen Bogen hielt, während der linke Unterarm die Pelta, den leichten Schild der Reitervölker (Amazonen, Thraker u. a.), trug. Falls Riace B tatsächliche Pelta, Pfeil und Bogen, eine solche Alopekis und eine Streitaxt besaß, dann liegt der Schluss nahe, dass er einen thrakischen Helden darstellt. Der einzige thrakische Held in der griechischen Mythologie, der wegen seiner Kampfkraft hervorgehoben wird, ist Eumolpos, der Sohn des Poseidon. Im sogenannten eleusinischen Krieg bedroht er Athen und die Truppen des Erechtheus, Sohn der Athena. Von Pausanias wird eine bronzene Statuengruppe erwähnt, die auf der Athener Akropolis stand und Eumolpos und Erechtheus kurz vor ihrem Zweikampf zeigte.[6] Vinzenz Brinkmann und Ulrike Koch-Brinkmann vermuten, dass sich in den beiden Riace-Kriegern diese Gruppe als Original erhalten haben könnte. Experimentelle Rekonstruktion
Siehe auchDie beiden Bronzestatuen von Riace gehören zu den sieben erhaltenen griechischen bzw. großgriechischen Bronzestatuen. Die anderen sind der Faustkämpfer vom Quirinal, der Wagenlenker von Delphi, der Poseidon vom Kap Artemision, der Reiter vom Kap Artemision und der Thermenherrscher. In diesem Zusammenhang ist auch noch das Fragment des sogenannten Chatsworth-Apoll zu nennen. Literatur
Anmerkungen
WeblinksCommons: Bronzestatuen von Riace – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
|